Kapitel 12

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Ich frage mich, ob die Nachbarn den lauten Knall wohl gehört haben und nun nach dem Rechten sehen wollen. Ich wende meinen Blick von Ben ab, eile zur Tür und öffne sie vorsichtig. Davor steht Leo. Sein Blick bedeutet nichts Gutes. Auch er scheint wütend zu sein und stürmt an mir vorbei in die Wohnung.

»Wo ist der Kerl?«, brüllt er und rennt in die Küche. Schockiert flitze ich Leo hinterher, der in der Küche bereits Ben entdeckt hat, der gerade versucht aus dem Regal aufzustehen. »Kann ich helfen Kumpel?«, fragt Leo und streckt lächelnd seine Hand aus.

»Danke, mit wem habe ich das Vergnügen?« entgegnet Ben, der gerade versucht Leos Hand zu nehmen. Immer noch wie benebelt stehe ich im Türrahmen der Küche und traue mich nicht, mich zu rühren. Was passiert nur mit meinem langweiligen Studentenleben?

Als Ben Leo's linke Hand ergreift um sich aufhelfen zu lassen, holt Leo bereits mit der rechten Hand zum Schlag aus und trifft Ben direkt im Gesicht, der wieder in das Regal fällt. »Aufhören! Alle Beide!«, kreische ich schockiert.

Leo blickt sich zu mir um und schaut mich mit großen Augen an: »Er hat dir das angetan nicht wahr? Er hat dafür gesorgt, dass du dich nicht anfassen lassen kannst und er hat die Narben auf deiner Seele hinterlassen oder?«, fragt Leo angespannt. Ben, der seinen Ohren nicht trauen kann erwartet gespannt meine Antwort. Die Geschichte mit meinem Onkel kennt niemand und auch Leo nur in Ansätzen und Ben erst recht nicht.

»Nein, das war er nicht. Es war jemand anderes«

»Wer?«, fauchte Leo wütend. »Lucy sag mir sofort wer es war!«

Ohne zu antworten, schüttele ich nur den Kopf. Ben wischt sich über seine Wange, die langsam anschwillt und steht langsam vom Boden auf. Leo sieht ihn reumütig an und lässt ihn gewähren.

»Lucy, ich verstehe das alles nicht. Du bist mir eine Antwort schuldig. Klär das mit ihm. Ich gehe zu meinen Eltern. Wir sehen uns morgen«, platzt es aus Ben heraus. Dann dreht er sich um und stapft wütend aus meiner Wohnung.

Ich schlage die Hände über dem Kopf zusammen.

»Was machst du hier, Leo? Warum tauchst du trotz meiner SMS einfach hier auf?«, protestiere ich.

»Anscheinend bin ich genau richtig gekommen. Oder kannst du mir erklären, warum der Kerl in deinem Küchenregal lag? Ich dachte er wäre für deine Panikattacken verantwortlich. Ich habe die Kontrolle verloren.« sagt Leo sanft.
Nach diesem ganzen hin und her kann ich nicht anders und mir kullern die Tränen. Schon wieder. Leo kommt auf mich zu und drückt mich an sich.

»Du weißt gar nicht, wie sehr ich mich auf heute Abend gefreut habe, Lucy«

»Ich habe mich auch gefreut. Aber dann kam Ben, mein Freund, zum Überraschungsbesuch. Ich...Ähm. Habe ihm nicht von dem Kuss erzählt« platzt es aus mir heraus.

»Shhht...Schon gut. Das können wir immer noch klären. Sag mir bitte, wieso bist du am Freitag einfach abgehauen? Ich hab dich gesucht. Seit unserem Kuss kann ich an nichts anderes mehr denken Lucy. Du hast mich umgehauen«

Verblüfft sehe ich Leo an. Einen Moment lang schweigen wir und genießen die Anwesenheit des anderen. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen haben. Innerhalb von Sekunden ist der ganze Stress und alles um mich herum vergessen und ich sehe nur noch Leo.

»Lynn«, beginne ich und Leo schüttelt direkt den Kopf.

»Sie sagte mir, dass ihr mal ein Paar gewesen seid und sie dich zurück möchte. Und das ich den Krieg nicht überleben würde«, fahre ich fort.

Leo fährt sich mit der Hand durch seine braunen Locken und schüttelt frustriert den Kopf. »Ja. Das war mal. Lucy, ich habe nichts mehr für Lynn übrig. Sie ist eher wie eine Schwester für mich«

»Uh. Ich glaube, dass sieht sie anders«

»Ich werde mit ihr reden. Sollen wir deine Küche mal aufräumen? Und erklär mir doch was mit dem Regal los war« Leo dreht sich um und beginnt die offenen Dosen aufzuheben, aus denen Nudeln, Haferflocken und Mehl sich auf dem Boden zu einem Haufen vermengt haben.

»Er wollte mich küssen und ich wollte nicht. Vermutlich war ich nicht deutlich genug bis ich ihn geschubst habe.« Leo fährt zu mir herum und ich sehe wie er seine Hände zu Fäusten ballt. Er drückt so sehr die Hände zusammen, dass seine Knöchel weiß hervortreten. Ich nehme seine Hand und gebe ihm zu verstehen, dass es mir gut geht. Und ganz ungewollt ist da wieder diese magische Spannung zwischen uns. Jede einzelne Berührung entfacht ein unglaubliches Feuer in mir, sodass jeder Widerstand zwecklos ist. Schnell ziehe ich meine Hand zurück und suche nach dem Kehrblech, um die Reste des Chaos zu beseitigen.

»Ich habe riesigen Hunger«, sage ich um von der Spannung und auch der Situation abzulenken.

»Ok, dann gehen wir was essen. Ich möchte nicht, dass meine Kleine verhungert«, entgegnet Leo bestimmt. Ein Nein würde er in diesem Fall nicht akzeptieren.

»In Ordnung. Wo geht's hin? Hast du auf was bestimmtes Hunger?«

»Eigentlich wollte ich etwas vom Chinesen bringen lassen, das habe ich jedoch nach deiner SMS direkt abgesagt. Da es schon relativ spät ist, schlage ich vor wir gehen uns etwas Fast-Food besorgen. Was meinst du?«

»Ja ok. Mc Donalds ist hier ganz in der Nähe« Leo grinst mich zufrieden an und geht in den Flur. »Ich ziehe mir schnell noch einen Pullover über, dann können wir los.« Schnell flitze ich in mein kleines Schlafzimmer und suche mir einen Pullover raus, den ich direkt überziehe. Zurück im Flur erwartet mich Leo bereits. »Ok, wir können!«, sage ich zu Leo.

Unten angekommen entdecke ich direkt Leos Ferrari der quer in der Einfahrt steht. An dem Holztor zum Innenhof prangt ein Schild „Halten verboten!". Vermutlich hatte es Leo vorhin eilig. Ich muss grinsen.

»Was grinst du so?«, fragt Leo amüsiert.

»Eingebautes Parkrecht?«, antworte ich keck.

»Ich hatte es eben eilig! Steig schon ein.«

Grinsend ergreife ich die Beifahrertür und lasse mich auf den Sitz gleiten. Im Ferrari zu Mc Donalds. Das kann was werden, denke ich.

Faces - Enough for love?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt