Kapitel 68

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Nervös steige ich die Treppen der U-Bahn hinauf. Gleich werde ich mein Probearbeiten haben und die Zusage würde mir eine ziemliche Last nehmen. Heute Morgen habe ich sogar extra das Lokal nochmal gegoogelt. Es ist ein Pub mit irischen Spezialitäten namens „Mike's Pub" und Mike ist der Besitzer. Ich bin neben passender Arbeitskleidung also auch super informiert. Mein Atem kommt stoßweise als ich nervös ausatme. Von meiner Schwangerschaft kann ich leider noch nichts erzählen, sonst würde er mich sicher nie einstellen. Also muss ich zumindest dieses Detail geheim halten.

Mein Handy vibriert als ich kurz vor dem Pub stehe. Schnell ziehe ich es aus meiner Jackentasche und werfe einen Blick auf die Nachricht von Hannah. Sie wünscht mir viel Glück und holt mich nach meiner Schicht ab. Ich solle ihr dann schreiben.

Ein letztes Mal hole ich tief Luft, ehe ich die schwere Eichentür zum Pub aufziehe. Hoffentlich sieht mich keiner, denn ich brauche zwei Hände zum Öffnen der Tür.

Sofort kommt mir ein typischer Pub-Geruch entgegen, nach Bier und etwas moderig. Aber es sitzen ganz normale Leute hier und der Laden macht einen sehr gemütlichen Eindruck. Hinter der Theke winkt jemand hektisch, ich vermute es ist Mike.

»Hi, ich bin Mike. Du musst Lucy sein«, sagt er und strahlt mich an. Er ist schätzungsweise Mitte dreißig und hat lustige, blonde Locken die ihm die Sicht zum Teil versperren. Er streckt mir seine Hand entgegen, die ich direkt zur Begrüßung ergreife.

»Ja, genau«, gebe ich etwas zögerlich zurück.

Mike gibt mir eine Führung durch seinen Pub, damit ich direkt einen Überblick bekomme. Er erklärt mir, dass oben für circa vierzig Gäste Platz ist, dies aber bei einem Fußballspiel deutlich mehr werden können, da einige dann einfach in den Gängen stehen. Ein schwarze Metalltreppe für in das Untergeschoss. Hier gibt es keine Fenster und das Licht lässt zwei Billardtische erstrahlen. An den Seiten sind nochmal drei Stehplätze, die wenn es voll wird, ebenfalls versorgt werden müssen. Der rote Teppichboden und die dunkle rustikale Einrichtung machen den unteren Teil des Pubs richtig gemütlich.

Schließlich zeigt Mike mir noch schnell das Lager, wo es neue Getränke gibt und alle möglichen Utensilien die man gebrauchen könnte.

»Ach und neben dem normalen Getränkeausschank bieten wir ab 17 Uhr auch Speisen an. Aber nichts wildes, eher nur Snacks. Darum kümmert sich Dustin. Er ist jeden Tag hier und managt die Küche. So und das hier, naja das ist das Prachtstück meine Bar!«, sagt er und der Stolz der dabei in seinem Gesicht zu erkennen ist lässt mich grinsen.

»Ich finde den Pub wirklich toll«, gestehe ich ehrlich.

»Klingt toll! Ich fänd es toll, wenn du mir heute erst etwas beim Zapfen zusiehst. Dann kann ich dir auch die Getränke erklären und später, wenn es voller wird kannst du Kira beim Kellnern helfen und begleiten. In Ordnung?«

»Ja, das klingt nach einem Plan.«

Die Zeit vergeht wie im Flug und nach einigen Stunden zapfe ich bereits höchstprofessionell ein Bier und bringe es ohne etwas zu verschütten zum Gast. Mike ist sichtlich stolz auf mich und hat zwischendurch schon verlauten lassen, dass er sich das mit mir gut vorstellen kann.

»Du machst das wirklich gut«, lobt er mich als ich mit dem leeren Tablett zur Bar zurückkehre.

»Danke. Ist mein erstes Mal. Habe ich noch nie zuvor gemacht«

»Was machst du denn sonst so?«, erkundigt sich Mike neugierig

»Ähm. Ich studiere. Aber bin gerade dabei mich etwas neu zu finden«, erkläre ich und überlege mir, dass es nicht mal gelogen ist. Es ist nur eine Halbwahrheit...

»Wie spannend«

»Und du? Hast du schon immer den Wunsch gehabt eine Bar zu betreiben?« Mike lächelt mich zufrieden an und nickt. Mit seiner Hand fährt er sich durch die dichten Locken und man muss wirklich sagen er sieht absolut nicht schlecht aus. Sein Drei-Tage-Bart steht ihm wirklich gut und wäre er nicht so alt und ich nicht in so einer Situation, naja dann würde ich vielleicht mal mit ihm ausgehen. So rein freundschaftlich natürlich.

»Ja, das war schon immer mein Traum. Als Teenager war ich auf einem Austausch in Irland und seitdem ich dort einen Pub betreten habe, wollte ich auch genauso einen. Nur eben hier. In meiner Heimat.«

»Hört sich doch nach einer tollen Geschichte an. Und hej, es hat geklappt?«

»Ja aber es war ziemlich hart. Das erzähle ich dir aber ein anderes Mal«

Glücksgefühle erfassen mich bei dem Gedanken nun Geld zu verdienen und ich bin mächtig stolz, dass ich nun mein Leben wieder halbwegs im Griff habe. Mike bezahlt einen guten Stundenlohn und wenn ich viel arbeite, zumindest so lang wie es geht, wird das sicherlich helfen.

Kurz bevor ich Feierabend mache, texte ich noch Hannah, damit sie mich wie versprochen abholen kann. Ich mache die nächste Schicht mit Mike für morgen Abend aus und verabschiede mich zufrieden.

Als ich vor die Tür trete, kann ich Hannah noch nicht entdecken. Es ist windig und ich schließe schnell meine Jacke. Die Arbeit hat mich erschöpft, weshalb ich mich nur noch auf mein Bett freue und hoffe, dass Hannah einen Zahn zulegt.
Doch auch nach weiteren zehn Minuten ist keine Spur von Hannah zu sehen und ich beschließe ihr eine Nachricht zu schicken. In dem Moment in dem ich aufs Handy sehe, reißt mich eine Stimme aus den Gedanken. Sofort bekomme ich eine Gänsehaut.

»Hallo Lucy.«

Faces - Enough for love?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt