Kapitel 15

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Ohne mich besonders zurecht zu machen, mache ich mich auf den Weg zum Treffpunkt am See. Von weitem kann ich Ben schon auf der Bank sitzen sehen, bei der wir uns verabredet haben. Ich bin nervös und merke wie meine Hände feucht werden. So eine Nachricht überbringt man schließlich nicht jeden Tag.

»Hey Lucy, wie geht es dir?«, fragt Ben, der mich ebenfalls schon früh entdeckt hat.

»Hey, ganz gut soweit und dir?«, entgegne ich während ich mein Fahrrad abstelle.

»Ganz ok. Ich freue mich, dass wir endlich die Gelegenheit haben zu reden.«

»Ja, es wird Zeit, dass wir sprechen. Ich will nicht lange drum rum reden, Ben. Es gibt einige Dinge von denen du nichts weißt. Die Gründe dafür, dass ich so ausgeflippt bin. Das kann ich dir aber noch nicht anvertrauen. Es tut mir Leid was passiert ist. Bitte sei mir nicht böse.«

»Schon okay. Ich habe geahnt, dass es mit deinem Onkel zu tun hat«

»Da liegst du richtig. Und ich glaube, dass unsere Beziehung zukünftig keine Chance mehr hat«, platze ich heraus und sehe dabei aus Angst vor seiner Reaktion auf den Boden. Ich blicke kurz auf, um seine Reaktion abzuwarten und sehe in ein geschocktes Gesicht. Dieser Anblick macht mich unendlich traurig und lässt mein Herz in tausend Teile zerspringen.

»Ben, es tut mir Leid. Aber ich glaube nicht, dass ich noch länger eine Fernbeziehung möchte. Und ich habe nicht ausreichend Gefühle für dich. Ich möchte dir gerne die Wahrheit sagen, auch wenn es hart ist.«

»Lucy, wie kannst du dir so sicher sein? Hat das etwas mit Leo zu tun? Das kann nicht dein Ernst sein. Er ist gefährlich.«, sagt Leo zögerlich. Ich kann ihm ansehen, dass er sich zusammenreißen muss, um nicht vor mir in Tränen auszubrechen.

»Nein, es liegt nicht an Leo. Und was meinst du mit er ist gefährlich? Du kennst ihn doch gar nicht«, schimpfe ich los.

»Lucy, ich habe für meine Bachelorarbeit den Immobilienmarkt auf Sylt erforscht. Da passiert viel kriminelle Scheiße. Ich habe ihn sofort erkannt. Er mischt da heftig mit.«

Mein Herz erleidet einen weiteren Peitschenhieb. Ich weiß, dass Ben, der Immobilienmanagement studiert, die Situation auf der Insel für seine Arbeit untersucht hat. Aber das kann nicht sein. Der liebevolle Leo, den ich kennenlernen durfte, würde niemals kriminelle Geschäfte machen. Allerdings hat Leo mich gewarnt, dass er nicht gut für mich sei. Verwirrt über die neuen Informationen, versuche ich meinen Fokus wieder auf das Gespräch mit Ben zu legen:
»Ich sagte doch: Er ist nicht der Grund. Und wir haben auch gar keinen Kontakt mehr.«

»Ok, gut. Das beruhigt mich... Aber Lucy, warum gibst du uns keine zweite Chance?«

Was soll ich darauf nur antworten. Die ganze Wahrheit könnte ich ihm niemals beichten. Dann wäre ich der Grund für sein zerstörtes Herz. Ich suche nach einer passenden und plausiblen Ausrede, die keine Rückfrage zulässt: »Ich muss an mir arbeiten und die Dinge mit meinem Onkel verarbeiten. Dazu brauche ich erstmal Zeit für mich.«

»In Ordnung. Ich gebe dir alle Zeit der Welt, aber glaub nicht, dass ich aufgebe, um dich zu kämpfen«

»Ok.«, entgegne ich verblüfft. 

Dabei kann ich ihm jetzt schon versichern, dass es niemals eine zweite Chance für uns geben wird.

Wir verabschieden uns voneinander und vereinbaren in Kontakt zu bleiben. Erleichtert steige ich auf mein Fahrrad und radle nach Hause. Unterwegs rufe ich, wie versprochen, Hannah an und berichte ihr von dem Gespräch. Sie möchte heute Abend etwas mit mir besprechen und hat sich angekündigt.

Den restlichen Tag verbringe ich damit für die letzte Klausur des Semesters zu lernen. Ganz in meine Lernzettel vertieft, vergesse ich ganz die Zeit, bis es klingelt und Hannah vor der Tür steht.

»Hey Lucy!«, flötet Hannah und zischt direkt an mir vorbei in die Küche.

»Hey Hannah, warum so fröhlich?«, frage ich etwas verwirrt über dieses Gute-Laune-Bündel.

»Ich habe eine Überraschung für dich. Bist du bereit?«

»Ähm... Ich weiß nicht? Wenn es sich um eine neue Frisur handelt, bin ich nicht bereit.«

»Nein! Ich habe uns eine Auszeit gebucht!«, gibt Hannah preis und strahlt.

»Wie? Wohin geht es denn? Und wann? Ich freue mich riesig. Ich muss unbedingt mal raus«

»Es geht nach Sylt! Lustiger Zufall was? Ich meine nachdem was du mir von Leos potentiellen Machenschaften erzählt hast. Dad hat uns ein Wochenende in einer Jugendherberge geschenkt. Für die guten Noten dieses Semesters.«

»Wir fahren an den Stand? Wann geht es los? Das klingt super.«
Ich freue mich riesig über die Neuigkeiten und unseren Kurztrip. Meine Familie und ich waren früher oft auf der Insel und ich habe tolle Erinnerungen an unsere Urlaube. Da ich lange nicht dort war, freue ich mich umso mehr.

»In zwei Wochen!«

»Der Knaller! Lass uns anstoßen!« Ich umarme Hannah und öffne uns eine Flasche Rotwein damit wir auf unseren Urlaub anstoßen können.

Wir sehen uns gemeinsam einen Film an, trinken die Flasche fast aus und essen Chips. Wie ein echter Mädels-Abend halt. Während eines weiteren Lachanfalls bemerke ich, dass mein Handy vibriert. Es ist eine Nachricht von Leo. Plötzlich rast mein Herz und ich werde ganz still. Tausend Gedanken schießen mir durch den Kopf. Endlich ein Lebenszeichen von ihm. Er kann mich also auch nicht vergessen. Etwas erleichtert atme ich zitternd aus und öffne die SMS. 


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Bildquelle: https://pixabay.com/de/copenhagen-d%C3%A4nemark-stadt-2532130/

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