Kapitel 5

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Ich sehe auf mein Handy und entdecke acht verpasste Nachrichten. Sieben von Hannah die gefühlt in jeder Nachricht fragt, wo ich stecke und ob alles ok sei und eine von Ben. Er vermisst mich und möchte mit mir skypen. Verdammt – und schon habe ich ein schlechtes Gewissen. Dabei habe ich noch nicht mal etwas unternommen. Ich schreibe Hannah, dass ich in der Mensa bin und einen Unfall hatte und Sie mich einfach nach Ende der Stunde dort treffen soll. Und ich tippe eine Nachricht an Ben:

14:45 Uhr
Hi Ben,
mir geht es soweit gut. Ich hatte heute einen Radunfall und wurde angefahren. Sorry, dass ich mich nicht gemeldet habe.
Der Herr der mich angefahren hat, lädt mich heute zum Essen ein. Als Entschädigung. Ich kann ja nicht nein sagen, du kennst mich ja.

Können wir vielleicht morgen skypen?
Kuss, Lucy

Bevor ich weiter nachdenken kann, drücke ich einfach auf senden. In diesem Moment taucht Hannah in der Mensa auf und rennt direkt auf mich zu. Sie drückt mich fest.
»Oh man, ich hab mir solche Sorgen gemacht! Geht es dir gut?«, erkundigt Sie sich. Und ich fange an ihr die gesamte Story des Vormittags zu erzählen. Und bei Hannah lasse ich kein Detail aus.

»Was? Du hast für Ben eine Notlüge erfunden? Himmel Lucy, was soll das denn?«, schimpft sie mich an.

»Ich weiß auch nicht. Ich gehe doch nur mit. Als Freundin. Und ich will nicht, dass sich Ben Sorgen macht, obwohl alles gut ist« Hannah nickt verständnisvoll.

»Ich wollte auch schon immer mal Ferrari fahren! Der absolute Wahnsinn! Aber was viel spannender ist, was willst du heute Abend anziehen?«

Das Rules ist der Club der Stadt. Die Mädchen die dort verkehren, kommen schon an die IT-Girls aus dem Fernsehen ran. Was soll ich da bloß ausrichten? Ich kann mich in High Heels kaum bewegen, geschweige denn tanzen – was nicht heißt, dass ich es nicht mag. Wenn ich abends mal ausgehe, dann meistens in Turnschuhen, da ich mich damit viel besser bewegen kann. Ich liebe das Tanzen und bewege mich gern zur Musik. Dabei werde ich ganz selbstbewusst und kann ausnahmsweise alles um mich herum vergessen.

»Erde an Lucy?«, fragt Hannah ungeduldig.

»Sorry. War in Gedanken. Was hältst du von dem schwarzen Top und einer Jeans?« In diesem Moment wusste ich sofort, dass Hannah von dieser Idee gar nichts hält. »Ähm...Lucy. Das ist nicht dein Ernst. Ich komme einfach vorher bei dir vorbei und bringe eine passende Auswahl mit. Und natürlich bringe ich auch mein Make-Up und den Lockenstab mit!«

Ich komme gerade frisch aus der Dusche, als es an der Tür läutet. Indem ich die Tür öffne, erblicke ich Hannah, die mir mit einem riesigen Koffer entgegen kommt.
»Hey Lucy, ich hab da mal was mitgebracht«, strahlt sie mich an. Na, das kann ja was werden. Nicht, dass Hannah kein Auge dafür hätte mich entsprechend zu stylen, aber sie meint es mit dem Make-Up manchmal echt zu gut.

»Da bin ich mal gespannt!« jodele ich Hannah freudig entgegen.

Meine Wohnung, die natürlich nicht sonderlich groß ist, bietet gerade genug Platz für eine Modenschau – ganz in Hannahs Sinne.

»Probiere erst das rückfreie und dann den kurzen Jumpsuit«, weist Hannah mich an und ich verschwinde damit im Bad. Meine noch nassen Haare knote ich zu einem lockeren Dutt zusammen und schlüpfe in das schwarze, rückenfreie Kleid. Es geht mir bis zur Mitte der Oberschenkel und besteht aus schwarzer Spitze. Die Ärmel sind dreiviertel lang. Es sitzt perfekt, abgesehen davon, dass es mir für alle anderen Anlässe viel zu kurz wäre.

»Also jetzt bring mir dazu meine schwarzen Sneakers, Hannah!«, schreie ich scherzend aus dem Bad.

»Kannst du sowas von vergessen! Ich habe Schuhe mitgebracht!«, ruft Hannah zurück. Ich schleiche mich um die Ecke und führe Hannah das Kleid vor. Begeistert klatscht Sie in die Hände

»Scheiße, siehst du mit dem Fummel heiß aus! Den Jumpsuit brauchst du nicht mehr anziehen. Wir belassen es dabei oder? Ich mache dir dann die Haare und Make-Up, damit du auch rechtzeitig fertig bist.« Ich nicke zustimmend. In diesem Moment vibriert mein Handy:

Ben, 21:05 Uhr
Hi Lucy,
dass klingt ja schlimm! Ich hoffe du hast keine Blessuren davon getragen.
Dann lass es Dir heute Abend gut gehen, ich freue mich, wenn wir morgen skypen.


Kuss, 
Ben

Resigniert lese ich die Nachricht ein zweites Mal und zeige sie Hannah.
»Ich hoffe du hast ein schlechtes Gewissen, Lucy! Du hättest ihm die Wahrheit sagen sollen«, tadelt sie mich während sie beginnt mir die Haare zu föhnen und anschließend durch den Lockenstab zu jagen.
»Ja ich weiß, ich werde ihm morgen beim Skypen alles erzählen.«
»Gut so!«

Nachdem Hannah mein Make-Up und meine Haare bearbeitet hat, sehe ich wirklich umwerfend aus und erkenne mein Spiegelbild kaum wieder. Meine langen braunen Locken fallen mir über den nackten Rücken und meine Augen sind dunkel betont. Ein wenig Rouge verleiht meinen Wangenknochen eine schmalere Kontur. Ich suche mir noch passende Ohrringe aus und runde mein Outfit damit ab. Hannah beobachtet ihr Meisterwerk zustimmend und drückt mir eine schwarze Clutch in die Hand. Hinter ihrem Rücken zieht sie ein paar schwarze Ballerina hervor, wofür ich ihr dankbar in die Arme falle.

»Danke, Han! Das Ergebnis ist der Hammer und die Schuhe sind perfekt«, sage ich erleichtert.

»Aber na klar. Gerne meine Süße. Amüsiere dich heute gut und melde dich, falls etwas ist.«
Wir trinken in der Küche zusammen noch ein Glas Rotwein, ehe sich Hannah mit ihrem niedlichen Koffer auf den Heimweg begibt. Sie ist ein wahrer Schatz.

Faces - Enough for love?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt