Kapitel 44

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Wie ein Häufchen Elend sitze ich in der Küche auf dem Küchenstuhl und habe die Beine angezogen. Meine Arme darum geschlungen. Seit zwei Stunden sitzt Leo auf dem Boden im Badezimmer und bewegt sich nicht. Ich weiß nicht was passiert ist, denn er weist mich ab und spricht nicht mit mir. Aus purer Verzweiflung kullert mir eine Träne die Wange hinunter. Schnell wische ich sie weg, denn es muss wenigstens einer stark sein.

Sein Handy hat seitdem nicht mehr geklingelt und ich versuche mir auszumalen, was ihm Mr. O'Connor am Telefon wohl gesagt hat.

Ein Klirren reißt mich aus meiner Trance. Es kommt aus dem Bad. Schnell springe ich auf und laufe ins Badezimmer. Bei dem Anblick stockt mir der Atem. Leo hat nur eine Boxershorts an und schlägt mit seiner Faust auf den Badzimmerspiegel ein, der Stück für Stück zerfällt. Seine Hand blutet bereits und tropft alles voll.

Ich mache einen Schritt auf ihn zu als er mich anguckt. Nicht richtig in die Augen, nur oberflächig.

»Raus hier!«, knurrt er.

»Sag mir endlich, was los ist!«, schreie ich ihn an. Denn langsam bröckelt meine Beherrschung und ich finde sein Verhalten einfach nur noch lächerlich!

Leo zuckt bei meinem Ton kurz zusammen. Dann sammelt er sich und schreit doppelt so laut: »Lucy, lass mich in Ruhe. Hau jetzt ab verdammt!«, zischt er.

Erschrocken über seine Worte die sich direkt in mein Herz schneiden, ergreife ich die Flucht aus dem Bad. Mir ist ganz übel und ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich gehe an mein Handy und rufe aus voller Verzweiflung weinend bei Hannah an.

Ich erzähle ihr die ganze Story und schluchze dabei wie ein Schlosshund. »Was soll ich denn nur machen, Han?«, flüstere ich in das Telefon. Wir sprechen noch eine kurze Zeit ehe ich auflege.

Entweder ich bleibe hier und versuche zu ihm durchzudringen, egal wie sehr er mich verletzt oder ich haue ab und lasse ihn zurück. Aber ich weiß, ich kann ihn jetzt nicht alleine lassen. Dafür habe ich zu starke Gefühle für ihn... Ich.. ich liebe ihn, wird mir jetzt erst klar.

Entschlossen gehe ich mit einer Flasche Bourbon unter dem Arm zurück ins Badzimmer. Leo sitzt auf dem Boden. Die Scherben liegen überall verteilt und seine Hände bluten noch immer. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten er ist gebrochen.

Langsam lasse ich mich vor ihm nieder. Er schaut still zu Boden und auch ich sage nichts. Ich stelle ihm die Flasche Bourbon hin und gehe zurück zum Medizinschrank. Erneut lasse ich meinen Blick auf seine Hände gleiten und überlege, welches Verbandszeug wohl passt. Mit einem Stapel in der Hand kehre ich zu Leo auf den Boden zurück. Langsam nehme ich seine Hand, beobachte ihn dabei jedoch nicht. Desinfektionsmittel träufele ich auf ein Tuch und tupfe damit die Schnitte ab. Er zuckt zusammen, entzieht mir seine Hand jedoch nicht.

Als ich beide Hände mit Mullbinden umwickelt habe, stehe ich auf und hole ihm ein T-Shirt. Sorgsam streife ich ihm das Shirt über und auch das lässt er gewähren. Er setzt den Bourbon an und ich verziehe mich aus dem Bad, schließe die Tür.

Inzwischen ist es schon weit nach Mitternacht und ich bin völlig erschöpft. Ich setze mich auf das große Sofa im Wohnbereich, decke mich zu und denke nach. Darüber was ich unternehmen könnte und ob es eine Option wäre persönlich bei Mr. O'Connor anzurufen. Nach stundenlangem grübeln verfalle ich in Schlaf.

Die Sonne steht schon im Zenit als ich meine Augen wieder aufschlage. Sie sind schwer und der gestrige Tag hat mich geistig und physisch ausgelaugt. Langsam richte ich mich auf und halte nach Leo Ausschau. Doch im Wohnzimmer ist keine Spur von ihm. Auch das Bett ist unbenutzt, das kann ich selbst von hier unten sehen.

Ich habe noch die gleichen Klamotten wie gestern an und gehe ohne weitere nachzudenken ins Bad um Leo zu suchen. Ich öffne die Tür, doch Leo ist weg.

Mein Herzschlag beschleunigt sich. Ich bekomme Angst. Wo kann er nur sein?

Schnelle gehe ich in die Küche – kein Leo. Ich renne ins Arbeitszimmer, schaue in den Haushaltsraum, auf der Dachterrasse und sicherheitshalber doch nochmal im Schlafzimmer. Aber er ist nirgends. Er ist gegangen.

Schnell zücke ich mein Handy und versuche ihn anzurufen. Ich kann sein Handy im Badezimmer klingeln hören. »Fuck! Leo!«, entfährt es mir. Also muss ich doch meine gestrige Idee wieder aufgreifen und Mr. O'Connor persönlich anrufen. Im Badezimmer finde ich sein Handy. Seine Hose und die Bourbon-Flasche sind ebenfalls weg.

Zum Glück kenne ich seinen Handycode... Ich entsperre das Handy und rufe Brian O'Connor an.

»Herr Heine«, meldet sich seine Stimme kühl.

»Nein. Hier spricht Lucy Richter. Ich muss wissen, was sie ihm gestern gesagt haben. Er ist zusammengebrochen Herr O'Connor. Er ist weggelaufen. Ich muss ihn finden«, sage ich verzweifelt.

Eine unangenehme Stille macht sich in mir Breit und ich lasse sein Telefon aus der Hand gleiten. Kein Wunder, dass Leo sich so verhält, denke ich. Wenn auch nur widerwillig, aber Mr. O'Connor hat mir alles erzählt. Ich habe jetzt nur noch ein Ziel: Ich muss Leo finden. Gott, wenn er sich etwas an tut, dann verzeihe ich mir nie, dass ich nicht die ganze Nacht aufgepasst habe.

Faces - Enough for love?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt