Kapitel 17

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Hannah wird heute Abend bei mir übernachten, damit wir morgen direkt früh starten können. Schließlich wollen wir unseren Kurztrip ausgiebig genießen und möglichst viel Zeit auf Sylt verbringen. Die Koffer sind bereits in Hannahs kleinem Flitzer, einem Fiat 500, verstaut.

»Oh man, Hannah. Ich bin so aufgeregt. Ich freue mich riesig.«

»Und ich mich erst. Das wird ein super Mädels-Trip!«

Um 4 Uhr morgens starten wir in Richtung Urlaub. Hannah fährt die ganze Strecke und manövriert ihren Fiat gekonnt durch alle Baustellen. Ich bin froh, dass Hannah die gesamte Stecke fährt, da ich nicht gerne durch Baustellen fahre. Während der Fahrt ist es eher still. Lediglich Hannah summt ihre Lieblingslieder im Radio laut mit.
In Gedanken versunken denke ich an die Zeit, die ich mit meiner Familie auf der Insel verbracht habe. Bereits als ich ein Jahr alt war, durfte ich die Insel besuchen und habe das Meer lieben gelernt. Meine Eltern sind vor einiger Zeit bei einem Kletterausflug in den Bergen verunglückt. Ich muss schlucken, um bei dem Gedanken an sie nicht zu weinen. Seitdem sie im Krankenhaus aufgrund der schweren Verletzungen gestorben sind, kann ich keine Krankenhäuser mehr betreten. Zu diesem Zeitpunkt bin ich auch zu meinem Onkel gezogen, der oft aufgrund seiner Alkoholsucht mir gegenüber sehr aggressiv war.

»Kein Trübsal blasen, Lucy! Es geht in den Urlaub« Hannah reißt mich mit ihrem fröhlichen Charme aus meinen dunklen Gedanken, wofür ich ihr sehr dankbar bin.
»Alles gut. Ich habe nur an Mom und Dad gedacht«, gebe ich offen zu.

»Na klar, eure Insel halt. Aber wir werden uns das Wochenende schon schön machen.«, ermutigt mich Hannah.

»Aber na klar!« gebe ich voller Vorfreude auf eine Auszeit zurück.

Einige Stunden später haben wir uns in unserem Zimmer bereits ausgebreitet und alle Klamotten wild verteilt. Hannah ist gerade dabei ihr Outfit für den Abend zusammenzustellen. Wir haben geplant uns das Meer anzusehen und in einem Strandkorb eine Flasche Wein zu genießen.

»Na, was meinst du?«, fragt Hannah und präsentiert mir ihr Kleid.

»Sieht super aus. Aber du weißt schon, dass wir nur ans Meer wollen und nicht auf eine luxuriöse Strandparty?«, entgegne ich sanft.

»Äh, ja klar. Aber man weiß ja nie, wen man so trifft, oder? Wenn mir zum Beispiel ein Fußballspieler über den Weg läuft, will ich schon entsprechend aussehen.« Daraufhin muss ich lachen.

»Ja, na klar! Lass uns los, sonst verpassen wir den Sonnenuntergang. Hast du den Wein und die Becher?«

»Jap, alles an Board. Wir können.«

»Na endlich!«, stöhne ich und rolle genervt die Augen. Hannah lacht und knufft mich in die Seite.

Auf dem Weg zum Strand, den wir zu Fuß zurücklegen können, unterhalten wir uns über das anstehende Semester, Hannahs Lieblingsthema neue Modetrends und über Alltägliches. Es ist immer noch erstaunlich, wie schnell ich auf der Insel dem Alltag entkommen kann. Leo oder auch Ben sind schon ganz in Vergessenheit geraten und ich kann richtig entspannen.

Wir suchen uns am Strand einen schönen Strandkorb mit Blick auf das Meer und genießen unseren Wein. Die Sonne ist durch keine einzige Wolke verdeckt und wir können das tolle Licht am Strand genießen.

»Oh man, ist das herrlich? So kann ich es wohl aushalten«, sage ich zu Hannah.
»Hast du schon Wünsche für morgen?«

»Mhm...«, zögert Hananh »Ich möchte mir gerne die tollen Häuser in Kampen ansehen und dort einmal in die Geschäfte gucken. Wäre das ok? Muss ja nicht lange sein.«

»Du weißt, dass Kampen nicht zu meinen Lieblingsorten gehört oder? Auf diesen Schicki-Micki-Kram stehe ich nämlich gar nicht.«

»Weiß ich doch, Lucy. Ich aber!«, kontert Hannah frech.

»In Ordnung! Aber nur kurz!«, grummle ich.

Nur wiederwillig lasse ich mich auf Hannahs Pläne ein. Ich liebe die Insel – mit all ihren Vorzügen und ihren Macken. Nur lasse ich die Macken gerne aus. In Kampen sind nämlich die Reichen der Reichen unterwegs. Geschäfte wie Gucci, Louis Vuitton oder auch Lamborghini ziehen die Schicki-Micki-Leute gerade zu an. Grundsätzlich versuche ich dies zu vermeiden und genieße lieber die Heide- und Dünenlandschaft. Und natürlich die Nordsee.

Mit einem kleinen Schwipps, kommen wir erst nach Sonnenuntergang wieder in der Jugendherberge an und legen uns direkt schlafen. So gut wie in dieser Nacht, habe ich lange nicht geschlafen. Kein Gedankenkarussell vor dem Schlafen, keine Alpträume und ich konnte sogar durchschlafen. 


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Bildquelle:  https://pixabay.com/de/fiat-500-rot-feld-schwarz-weiss-1070368/

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