Kapitel 60

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Wahnsinn, fast 8.000 Leser! Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie sehr ich mich darüber freue, dass ihr so mitfiebert. Das ist der Wahnsinn!! Vielen Dank! Wie versprochen, hier Kapitel 60:


»Was ist los? Ist es so schlimm? Warum rennt er raus?«, spreche ich hastig und bringe die ganzen Worte gar nicht so schnell aus dem Mund.

»Lucy, ich sehe inzwischen auch, was er gesehen hat. Nur war er leider wie immer schneller. Es gibt keinen Grund zur Sorge. Sie sind schwanger! Herzlichen Glückwunsch«, sagt Florian fröhlich.

Oh nein. Das kann einfach nicht wahr sein. Ohne auch nur ein Ton zu verlieren kullern mir meine Tränen still über das Gesicht. Florian reicht mir direkt ein Tuch und schaltet das Licht wieder ein.

»Ist Leo der Vater?«, erkundigt er sich neugierig, woraufhin ich nur stumpf nicke.

»Gib ihm etwas Zeit. Er muss das verarbeiten. Weißt du, er war immer ein Einzelgänger. Hatte nie eine Freundin und nun, war er hier. Mit dir. Das wird schon... Du bist übrigens in der fünften Woche«

»Der Schwangerschaftstest zu Hause war doch negativ«, schluchze ich und kann nun auch die Töne nicht mehr zurückhalten. Ich vergesse völlig wo ich mich befinde und bin einfach am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Er will gar keine Kinder... Und ich studiere doch.

»Ich gebe dir was Pflanzliches für den Magen und würde dir noch etwas Elektrolyte über einen Tropf geben. Du entspannst dich hier noch so vierzig Minuten und dann können wir dich auch wieder ruhigen Gewissens gehen lassen. Mach dann bitte zeitnah einen Termin bei deinem Frauenarzt.«

Zitternd und noch immer mit Tränen in den Augen liege ich auf der Liege am Tropf. Ganz alleine. Seitdem Leo aus dem Raum gestürmt ist, ist er nicht mehr wieder gekommen. Er hat mir keine Nachricht geschickt und nicht angerufen. Wie soll sowas nur funktionieren. Es... es kann nicht funktionieren. Warum muss ich das durchmachen? Ich nehme doch die Pille, das kann nicht sein. Es muss ein... ein Fehler sein, rede ich mir weiter ein.

Als mich die Dame vom Tropf erlöst, richte ich mich langsam auf. Noch immer zittere ich, aber mir ist gerade weniger schwindelig. Sie hilft mir auf und ich verlasse langsam den Raum.

Auch im Flur ist keine Spur von Leo. Ich versuche so mutig zu sein wie möglich und gehe schnurstracks auf den Ausgang zu. Vielleicht steht er ja auf dem Parkplatz und wartet dort.

Erst als ich vor der Eingangstür stehe und mir die kalte Luft entgegenkommt, beginne ich wieder zu atmen. Ich muss wohl bis zum Ausgang die Luft instinktiv angehalten haben. Ich hasse Krankenhäuser einfach...

Auf dem Parkplatz blicke ich mich suchend nach Leo's Auto um. Er ist weg. Er ist einfach gefahren. Erneut überkommen mich die Tränen und ich greife nach meinem Handy.

Es gibt nur eine Person, die ich jetzt sehen will und das ist Hannah.

»Lucy, Hase!«, schreit sie fast, als sie den Parkplatz erreicht und aus ihrem Fiat springt. Ich gehe auf sie zu und falle ihr weinend in die Arme.

»Was...Was ist denn überhaupt los?«, will sie natürlich wissen. Ich hatte am Telefon extra nichts gesagt, nicht nur weil ich es nicht konnte, nein auch weil sie heile ankommen sollte.

»Ich...ich...Oh man! Hannah. Ich bin schwanger«

Hannahs Hände schnellen an ihren Mund und ihre Augen werden immer größer.

»Krass...«, bringt sie hervor und zieht mich in ihre Arme. »Weiß...Leo?«, fragt sie mich und küsst dabei meinen Scheitel.

»Er hat es auf dem.. dem Ultraschall gesehen. Und... dann... ist er gefahren und hat mich stehen lassen«, schluchze ich.

»Was? Zum Teufel. Dieser Arsch! Komm wir fahren erst mal zu mir«, versucht sie mich zu beruhigen.

Aber auch auf dem Weg zu Hannah kann ich einfach nicht aufhören zu weinen. Vor meinen Augen taucht immer wieder sein Bild auf. Seine schockierten Augen und die Tatsache, dass er mich einfach hat stehen lassen. In einem Krankenhaus. Obwohl er es mir versprochen hat, bei mir zu bleiben. Ich glaube nicht, dass wir das jemals hinkriegen werden. Wir sind einfach zu verschieden, haben zu viele Gesichter, die den anderen immer wieder verletzen. Das kann nicht gut gehen... Bei diesem Gedanken wird mir aber auch klar, ich wäre dann alleinerziehend. Ohne Studium. Ohne Job. Ich... könnte das Kind nicht mal ernähren...

Ein lauter Schluchzer kommt erneut

über meine Lippen.

»Lucy, beruhige dich. Ich bin da. Alles wird gut. Ich werde immer da sein. Für dich und die Kleine«, spricht Hannah mir während der Fahrt zu.

Die Kleine? Woher will sie das denn wissen. Noch ist es gar nichts... und vielleicht muss es auch wieder gehen...

»Lucy Richter! Wage es ja nicht eine Abtreibung in Betracht zu ziehen...«, liest Hannah meine Gedanken.

»Hannah, über sowas muss ich nachdenken. Ohne Studienabschluss und ohne Job!«, stottere ich zwischen meinen Schluchzern. Mein Mascara ist schon ganz verlaufen und auch meine Augen rot verquollen. Ich sehe furchtbar aus und fühle mich furchtbar. Als wäre mein Leben zu Ende.

»Lucy, wach auf. Es ist schon elf Uhr«, flüstert Hannah sanft in mein Ohr und streicht dabei über meinen Rücken.

»Ich will nie wieder aufwachen«, murmle ich. Die vergangene Nacht habe ich alle Tränen rausgelassen, die ich jemals besessen habe. Alles. Es ist nichts mehr von mir übrig. Außer einem kleinen Haufen elend, welches die Wahrheit nicht akzeptieren kann und vielmehr nicht akzeptieren will.

»Sag doch sowas nicht«

»Hannah, wie soll...«, ganz verzweifelt weiß ich gar nicht wie ich meine wirren Gedanken in Sätze fassen soll. »Wie soll ich denn ein Kind aufziehen? Ich kann nicht mal ne Windel wechseln. Es gibt keine Kinder in meiner FAMILIE« Bei dem letzten Wort krame ich meine Hände unter der Bettdecke hervor und forme mit meinen Finger Anführungszeichen in der Luft. Ich habe nämlich keine Familie. Außer einem gewalttätigen Onkel. Mein Kind hätte also nicht mal Großeltern. Oh Gott, ist das schlimm.

»Dann habt ihr eben eine eigene. Neue!« Hannah versucht mich die ganze Zeit aufzumuntern. Aber momentan sperre ich mich mit allen Mitteln dagegen. Ich will nicht aufgemuntert werden. Ich will hier versauern.

»Hannah, gibst du mir bitte mal mein Handy?«

»Klar, hier« Hannah reicht mir mein Handy vom Nachtschrank und ich schaue auf das Display, in der Hoffnung, dass Leo sich gemeldet hat. Nichts. Stille.

»Shit. Morgen ist die Beerdigung. Was soll ich denn jetzt machen? Er braucht mich... aber nicht in diesem schwangeren Format.«

Faces - Enough for love?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt