Kapitel 54

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»Nach der positiven Neuigkeit von Leo haben wir den Abend so gut es ging ausklingen lassen«, grinse ich und mir steigt die Röte ins Gesicht.

»Also hattet ihr Versöhnungssex?«, prustet Hannah los.

»Psssssscht!«, fahre ich sie an. »Ich will nicht das der Prof das mitbekommt, mensch!«, flüstere ich.

»Ach. Manchmal bist du echt prüde! Wann gehen wir mal wieder aus?«, erkundigt sich Hannah

»Vielleicht am Wochenende? Oder wir könnten mal ins Kino. Mit Thomas und Leo?«

»Ja, super Idee. Ich schaue mal nach einem Film.«

Hannah beginnt auf ihrem Smartphone zu surfen und ich lehne mich entspannt zurück und folge dem Unterricht. In der Mittagspause erzählt mir Hannah von Thomas und wie super alles läuft und das sie bereits überlegen ihre Wohnungen zusammenzulegen. Das klingt alles super schön und ich gönne es zu hundert Prozent!

Mein Handy surrt und ich entdecke Ben's Namen auf dem Display. Augenrollend sehe ich zu Hannah, die mich musternd beobachtet.

»Wer ist es?«, erkundigt sie sich neugierig.

»Ben. Er nervt mich seit Tagen.«

»Dann sag ihm das doch?«

»Ähh... Nein???«, sage ich fast etwas hysterisch. »Ich will ihn nicht verletzen und mir ist die Freundschaft wichtig.«

»Lucy... Im ernst. Eure Freundschaft ist dir wichtig? Ihr habt keine Freundschaft. Du hast ihn für Leo abgeschossen. Das ist die Wahrheit. Also was redest du hier von Freundschaft? Du hast seit Monaten nichts von ihm gehört?«, stellt Hannah klar. Irgendwie hat sie es damit voll ins Schwarze getroffen. Aber das will ich nicht wahrhaben. Ich will nicht, dass alles so hinterhältig ist. Ich will ihn wirklich als guten Freund.

»Ich möchte ihn wirklich als Freund. Nur als Freund«, bestärke ich meine Meinung.

»Dann verhalte dich doch auch so? Lade ihn mit ins Kino ein?«, schlägt Hannah vor. Ich schlucke hart.

»Das kann ich nicht machen. Leo rastet aus. Erinnerst du dich an die Geschichte mit dem Küchenregal? Sie hatten keinen wirklich guten Start.«

»Na und? Wenn er dir wichtig ist, muss Leo damit eben leben. Pech? Wir können nicht immer auf diese sensiblen Wesen Rücksicht nehmen.«

»Vielleicht hast du Recht. Ich lade ihn einfach ein.«

Als ich am frühen Abend meine Wohnung erreiche, freue ich mich zum ersten Mal seit langem wieder auf die Stille. Endlich kommt mein Kopf einmal runter und ich bin seit Wochen mal wieder halbwegs in der Lage klare Gedanken zu fassen.

Kurzerhand schreibe ich Ben und Leo je eine SMS und berichte vom Kinovorhaben.

Ich schlüpfe in meine Jogginghose und platziere mich auf dem Sofa. Seit gestern ist eine neue Folge meiner Lieblingsstaffel online, die ich mir direkt ansehe.

Die Türklingel läutet, als ich gerade in Sekundenschlaf verfallen bin. Ich habe gar nicht gemerkt, dass ich so müde geworden bin. Völlig schlaftrunken gehe ich an die Gegensprechanlage und nehme den Hörer ab.

»Ich bin's. Ben. Kann ich hoch?«

Meine Augen weiten sich. Was zur Hölle will er hier, ohne Anmeldung? Da ich schlecht nein sagen kann und auch an unserer freundschaftlichen Beziehung arbeiten will, betätige ich schließlich den Türöffner. Dabei hatte ich mich endlich mal auf einen Abend allein gefreut.

»Hi«, grinst er mich an als er mein Stockwerk erreicht.

»Du hättest anrufen können«, grummle ich.

»Naja, du hast ja nie abgenommen. Nach deiner SMS dachte ich, ich beantworte es dir persönlich«

»Mhm... Komm rein.«

»Danke«

Wir lassen uns auf meinem Sofa nieder, das eigentlich nur für eine Person gemacht ist. Ich muss also meine Beine anziehen, um ihm Platz zu machen.

»Was wollen wir am Samstag denn schauen?«, erkundigt er sich neugierig und versucht ein Gespräch aufzubauen. Irgendwie bin ich nicht in Stimmung.

»Hannah wollte was Romantisches aber Leo und Thomas waren für Action«, erkläre ich.

Ben's Augen werden riesig. »Leo kommt mit? Dann ohne mich.«

»Ich dachte ihr könntet es mit einem zweiten Start versuchen?« Vielleicht ist diese Ansicht auch etwas naiv, aber ich würde mir wirklich wünschen, sie könnten einfach gut miteinander auskommen und naja neu anfangen...

»Lucy, das mache ich nicht. Ich bestätige dir nicht diese Beziehung. Er ist kriminell und tut dir nicht gut. Er wird dich irgendwann kaputt machen. Er ist kaputt.«

»Ich bin auch kaputt«, platzt es wütend aus mir heraus.

Abschätzig lächelt Ben. »Quatsch. Du bist nicht kaputt.«

Mein Puls rast. Er hat ja keine Ahnung. Ich werde so wütend, das er nach all den Jahren noch nicht gespürt hat, was mit mir los ist. Es nie gesehen hat und mich nie so angesehen hat wie Leo es tut.

Wütend springe ich vom Sofa auf stelle mich vor ihm auf und reiße mein T-Shirt nach oben, sodass es meinen kaputten, vernarbten Bauch entblößt.

»Ich bin nicht kaputt? Guck dir den Scheiß an! Deswegen bist du ins Regal geflogen.«, kreische ich ihn an. Ben's Augen verdunkeln sich und ich kann sehen wie er mit sich kämpft. Doch auch ich kämpfe mit mir und mir steigen bei den Erinnerungen Tränen in die Augen. Ich versuche sie jedoch vehement wegzudrücken.

»War er das?«, drückt Ben zwischen seinen Zähnen hervor. Bitte was? Das darf nicht wahr sein. Hat er die Jahre nix gemerkt? Ist er wirklich so blind? Wütend fahre ich mir mit der Hand durch die Haare und lasse mein T-Shirt sinken. Ich greife nach seinem Arm und reiße ihn vom Sofa hoch.

»Natürlich nicht. Was für eine Frage. Du bist doch völlig verblendet! Es hat gar keinen Sinn. Geh jetzt« Wütend zerre ich ihn zur Tür. Ben leistet keinen Widerstand und lässt sich von mir in den Flur schieben. Als ich die Tür aufreiße und Ben endgültig der Wohnung verweisen will, steht dort Leo. Er wollte anscheinend gerade klingeln. Auch das noch. Ein freier Abend ist mir in diesem Leben nicht mehr gegönnt.

Faces - Enough for love?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt