Kapitel 11

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»Heeh... Lucy! Ich musste einfach nach dir sehen. Ich bin ein paar Tage in der Stadt bevor ich zurück muss«, strahlt mir Ben ins Gesicht.

Verflucht! Was soll ich nur tun? Ich fühle mich so unglaublich schlecht, dass ich mich gerade auf einen anderen Mann als meinen Freund gefreut habe. Ben realisiert, dass etwas nicht stimmt und sieht mich verwundert an.

»Hmm...«, murmelt er. »Ich habe etwas mehr Enthusiasmus erwartet« gibt er lächelnd hervor. Ohne etwas zu sagen stürze ich auf ihn zu und schließe ihn in meine Arme. Ben erwidert die Umarmung und zieht mich fest an sich. Dabei gibt er mir einen Kuss auf den Scheitel.

»Sorry, Ben. Damit habe ich nicht gerechnet. Ich bin so überrascht. Positiv.«, gebe ich ihm zu verstehen. »Besuchst du auch deine Eltern?«

»Ja klar, aber das hatte ich erst für morgen geplant«, sagt er und grinst dabei beängstigend spitzbübisch. Ben geht an mir vorbei und betritt die Wohnung. Immer noch schockiert folge ich ihm langsam.

»Ich muss mal kurz für kleine Tiger, bin gleich zurück«, verkünde ich und verschwinde in meinem Bad. Dort angekommen, ziehe ich mein Handy hervor und tippe so schnell ich nur kann eine Nachricht an Leo:

18:05 Uhr
Hi Leo,
du kannst nicht kommen!
Ben, mein Freund, ist plötzlich aufgetaucht und zu Besuch.
Können wir einen anderen Termin finden?
Lucy

Ich hoffe, dass Leo die Nachricht rechtzeitig erhält. Im Spiegel sehe ich jemanden, den ich bisher noch nicht kannte. Bis zu dem Zeitpunkt als ich Leo kennengelernt habe, wäre ich niemals in der Lage gewesen jemanden zu hintergehen. Ich komme mir schäbig vor, dass ich Ben etwas vormache.
All meinen Mut zusammengefasst, lasse ich das Handy wieder in meine Tasche gleiten, betätige den Spülknopf und kehre in die Küche zurück. Ben sitzt auf dem Küchenstuhl und hat sich ein Bier geöffnet. Er grinst mich glücklich an.

»Ich bin froh, dass es dir gut geht. Als ich von dem Unfall hörte und deiner Erkältung musste ich einfach nach dir sehen«

»Ich freue mich wirklich dich zu sehen. Wie läuft dein Studium?«

»Warum heute so förmlich?«, grinst Ben mich an. In dem Moment steht er auf und kommt auf mich zu. Innerlich hoffe ich so sehr, er würde mir nicht zu nahe kommen. Mir Luft zum Atmen geben und etwas Abstand bewahren, den ich jetzt so sehr brauche. Seine Hände erreichen meine Hüfte und er zieht mich an sich.

»Ich hab dich vermisst, Lucy«, betont er und stupst mit seiner Nase an meine.

»Ich dich doch auch«, höre ich mich sagen, ohne es auch wirklich so zu meinen. Im nächsten Moment treffen Bens Lippen auf meine. Himmel, nein, nein. Das geht nicht. Ich will nicht, denke ich und versuche mich aus dem Kuss zu befreien.

»Lucy, was ist los?«
»Ach nichts, ich bin einfach so überrumpelt und hatte einen heftigen Uni-Tag.«

Ben, der noch nicht von meinem Täuschungsmanöver überzeugt ist, zieht sich kurz zurück. Einen Moment lang herrscht Stille. Es ist, als würde Ben abwägen, wie er sich verhalten soll. Erneut kommt er auf mich zu und streichelt meine Wange.
Verdammt, war ich eben so undeutlich was seine Annäherungen angeht? Seine Hand greift in meinen Nacken und er zieht mich an seinen Mund. Unsere Lippen berühren sich und Ben versucht sich mit seiner Zunge den Weg zu bahnen. Ich versperre ihm jedoch den Eintritt und presse meine Lippen zusammen. Auf einmal wird Ben energischer als würde er versuchen wollen mich zu überzeugen. Er packt meinen Nacken heftiger und versucht weiterhin den Kuss zu erzwingen. Und dann ist sie wieder da. Die Panik. Die Panik von damals. Festgehalten zu werden und nicht zu entkommen. Mein Gehirn setzt aus und ich stoße mich mit aller Kraft von ihm weg.

Ich sehe wie Ben taumelt und schließlich ins Küchenregal stolpert, das über ihm zusammenbricht. Er sitzt auf dem Boden und alle Konserven und Vorräte fallen mit einem lauten Klirren aus dem Regal. Schockiert schlage ich die Hände auf den Mund und starre Ben an der sichtlich wütend wirkt. 

In diesem Moment klingelt es wieder an der Tür. 

Faces - Enough for love?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt