Kapitel 45

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LEO

Ich hämmere immer wieder auf den Spiegel ein um den Schmerz dieser Nachricht zu verdauen. Aber es hilft nichts. Nichts hilft. Und erst recht nicht ihr Blick. Sie muss mich jetzt in Ruhe lassen. Ich brauche meine Ruhe...

Das Blut rinnt an meinen Fingerknöcheln hinunter. Aber es stört mich nicht im Geringsten. Es kratzt mich gar nichts mehr. Nicht mal der kalte Boden, auf den ich mich habe sinken lassen. Nichts. Eine Leere die niemand füllen kann. Auch Lucy nicht.

Ich erblicke Lucy im Türrahmen. Sie hat eine Flasche Bourbon dabei... Obwohl ich sie so grob weggeschickt habe. Ist sie noch immer hier.

Das bedeutet mir unglaublich viel, aber ich kann es ihr nicht zeigen. Mich nicht rühren. Diese Nachricht hat mich umgehauen. Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll.

Sie verarztet meine Hände. Voller Vorsicht. In dem Moment, wo sie das Desinfektionsmittel aufträgt, verschwindet mein Schmerz. Für einen kurzen Moment ist er betäubt. Durch stärkere Schmerzen überdeckt.

Langsam greife ich nach dem Bourbon und lasse ihn meine Kehle hinunterlaufen. Er betäubt auch, nur das mir diese Flasche niemals reichen wird.

Lucy verlässt den Raum wieder, lässt mich alleine. Dafür bin ich ihr sehr dankbar. Ich kann einfach nicht darüber reden, es nicht aussprechen. Nein. Das ist alles eine Lüge, das kann nicht wahr sein.
Als ich ins Wohnzimmer trete, weiß ich nicht wie lange ich im Badezimmer saß. Ich torkele, meine Gedanken verschwimmen langsam. Aber der Bourbon ist alle und ich brauche dringend Nachschub. Auf dem Sofa entdecke ich Lucy. Sie Schläft. Aber ihr Gesicht sieht erschöpft aus, sie sieht erschöpft aus. Und das zerreißt mich noch mehr.

Ich steige in meine Jeans, was mir mehr oder minder gut gelingt. Nehme den Schlüssel aus dem Flur und verlasse das Apartment. Ich weiß nicht genau wie spät es ist, aber ich vermute, dass die Sonne bald aufgehen wird. Bei unserem Portier frage ich nach Bourbon, doch er schüttelt den Kopf...

»Hättsch... mir ja dknen könn!«, lalle ich und ziehe weiter. Irgendein Scheiß-Kiosk muss ja wohl noch offen haben... Bingo! Direkt gegenüber gibt es einen kleinen Kiosk, der wirklich offen hat. Dieses absurde Glück kann ich kaum fassen.  Ich kaufe mir einen fuseligen Whiskey und trotte durch die Straßen, die Flasche stets am Hals. Nach einiger Zeit spüre ich, dass das Laufen nicht mehr ganz so gut funktioniert. Ich lasse mich auf einer Parkbank nieder. Meine müden Augen fallen zu und der Schlaf übermannt mich. Mein Schlaf ist alles andere als tief. Das war nur eine erzwungene Pause, um danach erst wieder loszulegen.
Meine Gedanken sind schon wieder viel zu verletzend aktiv. Ich brauche dringend eine neue Betäubung. Anscheinend hat sich noch jemand an meinem Fusel bedient, dieser ist nämlich weg und ich könnte schwören, dass er gestern noch da war.

Ich rapple mich langsam auf. Alles schmerzt. Der Verband meiner Hände ist schon ganz dreckig, dabei hat sich Lucy echt Mühe gegeben. Lucy...

Sie macht sich sicher Sorgen...Ich kämpfe gegen mein vernebeltes Hirn an, gegen meine Schuldgefühle. Ich kann nicht leugnen, dass ich noch immer total betrunken bin. Aber leider nicht genug. Kurzerhand beschließe ich mich wenigstens kurz bei Lucy blicken zu lassen, um ihr zu sagen dass wir nach Hause fliegen. Ich brauche meine Ruhe... Aber... Nein ich will nicht nach Hause. Sie muss alleine fliegen. Ich brauch noch Abstand. Zu Hause wird erst alles real... Meine Gedanken fahren Achterbahn als ich in das Foyer des Hauses trete und zum Aufzug torkele. Die Angestellten schauen mich merkwürdig an, aber das interessiert mich einen feuchten Keks.

Ich fahre den Fahrstuhl nach oben und öffne die Tür zum Penthouse. In Gedanken bereite ich mich schon auf eine Moralpredigt vor, aber es passiert nichts. Es ist ganz still. Zu still. Sie liegt nicht mehr auf dem Sofa, ist nicht mehr im Bad und auch in keinem anderen Raum.

Ich stöhne. Mal wieder habe ich es vermasselt. Sie ist geflohen, ich habe sie mit meiner egoistischen Art von mir weggetrieben. Sie verletzt.
Ich finde im Kühlschrank noch eine Flasche Rotwein, die ich direkt öffne und in mich schütte. Gott sei Dank war es ein Schraubverschluss. Ich lasse mich an der Küchentheke hinunter sinken und kippe alles in mich herein, was ich finden kann.

Doch es hilft nicht. Ich schluchze ungebremst los. Kann die Trauer nicht mehr verbergen. Rolle mich auf dem Boden zusammen und wünsche mir, es würde einfach aufhören. Dieser Schmerz der mich immer tiefer in sein Loch zieht.

Faces - Enough for love?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt