Kapitel 76

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LEO

Wütend stapft Lucy über die Dachterrasse und ich muss mir ein Lachen verkneifen. Wenn sie nicht so niedlich aussehen würde, wenn sie sich aufregt, dann könnte ich die Sache vermutlich ernster nehmen. Seitdem ich sie vom Gestüt abgeholt habe, fühle ich mich wieder ganz. Es ist als würde mein Puls sich verlangsamen und sich eine innere Ruhe in mir breit machen. Sie ist meine Luft zum Atmen, sie ist mein Herz und mein Leben. Und verdammt nochmal ich will diese Familie haben. Mit ihr und mit dem Baby. Ich hoffe nur, ich kann ihr das klar machen und sie gibt mir noch eine weitere Chance. Die Hundertste wohl möglich...

»Hör auf mich so anzugrinsen. Ich bin wütend«, schnauzt sie mich an. Meine Belustigung kann ich noch immer nicht unterdrücken.
»Du bist so niedlich, wenn du dich aufregst«
»Niedlich?« Ihre Stimme hat nun einen sehr unangenehmen schrillen Ton angenommen und ich befürchte sie wird sich nur weiter hochschaukeln, wenn ich sie nicht gleich beruhige. Das ist sicher auch für das Baby nicht gut.
»Ja, du bist niedlich. Ich verspreche dir weniger Vorschriften zu machen, okay?« Ergebend nehme ich die Hände hoch und gehe langsam auf sie zu. Wütend blinzelt sie mich an.
»Weniger? Gar keine, Herr Heine!«, poltert sie weiter los.
»Ok...Beruhigst du dich dann jetzt?«, frage ich sie und muss dabei noch mehr schmunzeln.
»Wo wir wieder bei Vorschriften wären. Ich beruhige mich dann, wenn ich will.«
Warum ist sie seit neustem so stur? Hilfe... diese Frau treibt mich noch in den Wahnsinn.
»Ja, nur wollte ich dir ja deine Überraschung noch zeigen«

In ihren Augen kann ich ein freudiges Aufblitzen erkennen, was sie jedoch schnell wieder hinter ihrer Fassade versteckt. Manchmal frage ich mich, ob wir zwischenzeitig die Rollen getauscht haben. Am Anfang war ich es, zu dem sie nicht durchdringen konnte. Der so verworren und verloren war. Jetzt habe ich immer mehr das Gefühl, dass sich Lucy verliert. Seit ihrem Krankenhausaufenthalt und seit dem sie weiß, dass sie ein Baby bekommt. Das wir ein Baby bekommen. Wobei ich sicher zu ihrer jetzigen Situation beigetragen habe. Seit Wochen plagt mich dieses schlechte Gewissen und lässt mich nachts nur noch selten durchschlafen. Wenn sie mir doch nur endlich etwas entgegen kommen würde. Nur ein bisschen. Ehrlich gesagt habe ich mich sogar gewundert, dass sie überhaupt zugestimmt hat mit zu mir zu kommen. Ein Funken Hoffnung an dem ich mich nun festhalten kann.

»Du weißt, ich mag keine Überraschungen«, murmelt sie nun deutlich friedlicher.
»Diese wirst du hoffentlich mögen. Komm.«
Langsam nähere ich mich weiter an und greife aus etwas Entfernung nach ihrer Hand. Ohne Widerstand lässt sie sich von mir zurück in die Wohnung ziehen. Wir gehen die Treppen zum Flur hinauf. Grinsend werfe ich einen Blick über meine Schulter um ihre Miene zu studieren. Sicherlich fragt sie sich was ich vorhabe... Überraschungen sind super.

Neben dem Fahrstuhl biegen wir rechts ab und ich bleibe mit ihr vor einer verschlossenen Tür stehen. Nun schlägt mein Puls wieder deutlich schneller. Ich hoffe so sehr es gefällt ihr.

»Mach dein Geschenk auf«, sage ich flüsternd. Mit großen Augen schaut sie mich an.

»Wie? Die Tür?«, fragt sie verwundert.
»Ja, genau.«

Lucy tritt aus meinem Schatten hervor und greift nach der Klinke der Tür. Langsam drückt sie diese nach unten und betritt den Raum. Mein Puls geht nun so schnell, das ich fürchte mein Herz springt mir gleich aus dem Hals. Scheiße, beruhige dich, Leo.

Diese Frau macht mich wahnsinnig. Lucy dreht sich ganz langsam im Raum um. Ihr Gesicht kann ich noch nicht sehen, da sie mit dem Rücken zu mir steht. Das trägt nicht wirklich zu meiner Entspannung bei.

»Oh...mein...Gott«, krächzt sie. Heißt das jetzt gut oder schlecht?

»Das ist für unser Baby«, erkläre ich den neu gestalteten Raum. Mein altes Arbeitszimmer musste weichen. Daraus habe ich in Zusammenarbeit mit Daniel die letzten Wochen ein Kinderzimmer eingerichtet. Sie wollte, dass ich ihr beweise, was ich mir wünsche. Das ist der Beweis.

»Du wolltest, dass ich dir beweise, dass ich ein guter Vater sein kann. Das ist mein Beweis, Lucy. Ich will das hier und ich will dich. Mit Baby. Bei mir...«, sage ich und bin dabei ganz bestimmt.

Langsam dreht sich Lucy zu mir. Das Gesicht mit Tränen überströmt. Schnell eile ich zu ihr und nehme ihr Gesicht in meine Hände. Meine Finger wischen ihre Tränen fort.

»Nicht gut?«, erkundige ich mich unsicher, ob meine Überraschung gut ankommt.

»Doch«, schluchzt sie. »Es ist wunderschön!«, bringt sie mühsam hervor und lässt ihren Tränen wieder freien Lauf. Ich ziehe sie in meine Arme und halte sie. So stehen wir gefühlt Stunden hier, bis sie sich endlich beruhigt. Langsam löst sie sich aus der Umarmung und beginnt durch den Raum zu streifen. Ihren Finger lässt sie über die Holzkante des weißen Babybettes fahren und ein Lächeln stiehlt sich auf ihre Lippen.

»Woher weißt du, dass es ein Junge wird? Es ist ja alles blau.«
Ich lache laut. »Das weiß ich nicht, aber ich mag blau. Ein Mädchen passt auch zu blau, oder?«
Jetzt lacht auch Lucy. »Naja... das schiebe ich dann mal auf Männerlogik«

Belustigt drehe ich sie zu mir um und presse meine Lippen auf ihre. Jeglicher Widerstand wäre in diesem Moment zwecklos.

Faces - Enough for love?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt