Kapitel 22

2.2K 84 0
                                    

Unsicher, ob ich mich jetzt ausziehen soll, sehe ich mich in dem Raum um. Leo, inzwischen wieder ganz charmant, bemerkt dies und geht zu der Kommode herüber:

»Du kannst das Shirt anziehen«, sagt er und schmeißt mir eines seiner T-Shirts rüber. Dankend nehme ich es, eile ins Bad und ziehe es mir an. Zum Glück geht es mir knapp über den Po. Schnell tippe ich noch eine Nachricht an Hannah, dass es mir nicht so gut ginge, Leo sich aber um mich kümmern würde und ich hier übernachten würde. Als ich zurück in das Schlafzimmer trete, steht Leo in Boxershorts an der Schlafzimmertür. Mein Blick gleitet über seinen nackten Oberkörper und ich muss nervös zwinkern. Seine Muskeln sind wunderschön anzusehen und die Boxershorts sitzt so tief auf den Hüften, dass sich auch dort ein Muskel-V abzeichnet. Leo bemerkt meinen unsicheren Blick und will gerade etwas sagen, als ich ein nervöses »Wohin gehst du?« herausbringe.

»Nirgendwohin, Süße. Keine Angst. Ich schließe nur ab, damit sich kein Partygast verirrt. Das kann schon mal vorkommen.« Erleichtert grinse ich ihn an. Schon wieder würde ich diese Abstellnummer nämlich nicht ertragen. Total erschöpft klettere ich in das große Bett und decke mich zufrieden zu. Leo löscht, bis auf eine Ausnahme, das Licht und legt sich zu mir. Wir beobachten eine Weile die Dünen, die sich in der Ferne im Wind wiegen und ich kann es kaum glauben hier zu liegen. Bei Leo. Es ist nicht Lynn, nein ich bin es. In seinem Shirt und in seinem Bett und in seinen warmen Armen.

Sonnenstrahlen scheinen durch die großen bodentiefen Fenster und wecken mich. Zufrieden rolle ich mich auf den Rücken und entdecke Leo der neben mir noch friedlich schläft. Ich kann nicht genau sagen wieso, aber ich bin unendlich glücklich. Dieses wunderschöne Zimmer, der geniale Ausblick auf die Dünen und eben dieser Mann neben mir. Der sich gestern um mich gekümmert hat und meine Betrunkenheit zu keinem Zeitpunkt ausgenutzt hat. Dies lässt mich das Ganze hin und her der letzten Wochen vergessen und mein Verstand bildet sich ein, dass der Zug vielleicht doch noch nicht abgefahren ist.

Sein Arm liegt auf meinem Bauch und ich hebe ihn an, um ins Bad gehen zu können. Der gestrige Abend hat Spuren hinterlassen und nur eine frische Dusche ist in der Lage meine zerstrubbelten Haare wieder in Form zu bringen. Und zwar am besten bevor Leo aufwacht.

Im Bad angekommen fällt mir wieder ein, dass dieser Raum über keine Tür verfügt. Verdammt, denke ich. Wie stell ich das bloß an. Meine Figur ist nicht schlecht, trotzdem würde mir besseres Einfallen als einfach so nackt zu duschen, wobei Leo jederzeit um die Ecke kommen könnte und neben meiner Nacktheit auch meine Narben entdecken könnte.

Ich sehe in den Spiegel und wäge ab: Zerzaustes Monster oder nackte Frau? Entschlossen entscheide ich mir lieber für eine nackte Frau, streife Leo's Shirt ab und steige in die Dusche. Nach einigem hin und her probieren habe ich die richtigen Knöpfe gefunden und die Regendusche geht an. Zufrieden lasse ich das Wasser über meinen Kopf laufen und spüre wie sich meine Muskeln entspannen. Ängstlich schaue ich zum Eingang des Bades und rechne jeden Moment mit Leos erscheinen. Doch er kommt nicht. Eine Dusche ist doch nicht überhörbar, denke ich und frage mich, ob er mich vielleicht gar nicht duschen sehen möchte.

Nachdem ich auch meine Haare gewaschen habe, steige ich aus der Dusche und hülle mich in ein Handtuch. Neugierig, warum Leo immer noch nicht im Bad erschienen ist, spähe ich um die Ecke ins Schlafzimmer. Das Bett ist leer. Leo ist nicht mehr dort.

Ich spüre wie sich mein Herz zusammenzieht. Sofort male ich mir die furchtbarsten Dinge aus. Er hat mich wieder abgestellt oder hatte vermutlich keine Lust auf meine Gesellschaft. Resigniert sammle ich meine Kleidung zusammen und kehre zurück ins Bad, wo ich mich schließlich anziehe und meine Haare föhne. 

Auch jetzt ist das Schlafzimmer noch leer – keine Spur von Leo.

Faces - Enough for love?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt