Kapitel 24

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Auf dem Weg zur Bushaltestelle klingelt mein Handy. Auf dem Display entdecke ich Leo's Namen und drücke genervt auf abweisen. Einige Sekunden später klingelt es wieder und ich muss mein Verhalten noch weitere drei Mal wiederholen bis er endlich aufgibt. Ich steige in den Bus und mache mich auf den Weg zur Jugendherberge. Gerade lag ich noch in seinen Armen und dann muss ich mir sowas bieten lassen. Er bricht mir immer wieder mein Herz. Schon wieder surrt mein Handy. Diesmal ist es eine SMS:

Lucy, Himmel es tut mir so leid.
Weißt du Lynn erpresst mich mit einigen Dingen, die sie mitbekommen hat.

Ich muss tun was sie will, das wäre sonst sehr geschäftsschädigend.

Bitte versteh doch!

Ich muss mit dir sprechen, Lucy.

Wütend haue ich eine Antwort in die Tasten und frage mich, ob das wirklich sein ernst ist und er denkt, dass ich ihm das so durchgehen lasse.

Ich bin nicht dein Spielzeug!
Stell dir vor, ich habe auch Gefühle.
Die Du gerade mal wieder getreten hast.

Ich habe genug von dir.

Genervt drücke ich auf senden und hoffe, dass er mir wenigstens etwas Zeit zum Nachdenken gönnt. Allein schon aus Respekt. Ich schreibe Hannah eine Nachricht und frage sie, was sie gerade macht und ob es ihr gut geht. Kurze Zeit später kommt ihre Antwort. Sie ist noch bei Thomas, dem netten Kerl von der Bar. Die Nacht wäre der absolute Hammer gewesen und sie würde mir nachher alles in Ruhe erzählen. Natürlich kann ich nicht anders und teile ihr auf kurzem Wege mit, was heute Morgen mit Leo und Lynn gelaufen ist. In Westerland steige ich aus dem Bus und nehme mir vor mich beim Bummeln in der Stadt etwas abzulenken.

Als mein Handy schon wieder surrt:

Bitte. Du musst mir zuhören und mit mir reden.
Ich halte das nicht aus.

Es tut mir so leid.

Wütend lösche ich die Nachricht von meinem Handy und antworte nicht mehr. Jedes Mal wenn ich mich auch nur ein Stück wieder auf ihn einlasse, endet das in einem Chaos und ich werde verletzt. Immer ich.

Ja, er hat mich gewarnt. Aber das kann doch keine echte Liebe sein, wenn sie so kompliziert ist? Das ist nur sexuelle Anziehungskraft, rede ich mir ein und überlege Leo's Nummer zu löschen und ihn möglicherweise auch zu blockieren. So kann es nicht weitergehen. Ich wollte meinen Kurzurlaub genießen und nicht schon wieder in ein schwarzes Loch gezogen werden. Als ich mich gestern mit Zec unterhalten habe, war alles so leicht und befreit. Geradezu schwerelos. So wird es mit Leo niemals sein. Leo hat so viele Facetten aus denen man nicht schlau werden kann – aus denen ich nicht schlau werde. Im einen Moment ist er so fürsorglich und im nächsten Moment ist er ein harter Geschäftsmann. Dann ist er aber auch ein zärtlicher Mann und genauso plötzlich wird er zu jemandem der erpresst wird und daher unter Lynn's Fittichen steht. Ich weiß nicht wieso, aber es scheint ihm wichtiger zu sein, sein Geschäft auf kriminelle Art weiterzuführen, als sich mit mir abzugeben.

Plötzlich fällt mir auf, dass ich niemals abschließen kann, sofern ich nicht weiß, warum er es nicht riskieren möchte, dass Lynn sein Geheimnis verrät. Also beschließe ich ihm eine letzte Chance zu geben meine Frage zu beantworten. Nur so wird es für mich möglich sein, einen Schlussstrich zu ziehen. Also tippe ich eine Nachricht:

Beantworte mir nur eine Frage:
Warum lässt du dich von Lynn erpressen?

Ich drücke auf senden und warte gespannt auf seine Reaktion. Letzte Chance, Herr Heine!

Auf dem Weg zum Strand beschließe ich noch in meiner Lieblingsbuchhandlung vorbei zu schauen und mir ein neues Buch zu kaufen, welches ich dann im Strandkorb lesen werde, um etwas abzuschalten. Guter Ablenkungsplan, bestärke ich mich, während mein Handy erneut surrt:

Weil ich nicht zulassen kann, dass gewisse Leute von meiner Vorgehensweise bei der Arbeit erfahren. Dazu gehört auch mein Vater.

Lass uns bitte reden. Wo bist du?

Unentschlossen, was ich von dieser Antwort halten soll, suche ich mir ein neues Buch aus und gehe zum Strand. Ich frage mich, ob ich Leo die Chance geben sollte sich zu erklären. Wäre das dann ein Zeichen der Schwäche, weil ich mich wieder breitschlagen habe lassen oder eher der Stärke, weil ich bereit bin mich dem zu stellen? Egal wie ich mich entscheiden werde, wir drehen uns immer im Kreis. 

Ich glaube inzwischen, dass wir uns gar nicht mehr geradeaus bewegen können. Der Weg Richtung Zukunft wird für uns beide zusammen einfach nie geebnet sein.

Radikal beschließe ich ihm nicht mehr zu antworten, deaktiviere seine Nummer und lösche anschließend seine Identität von meinem Handy. So!

Faces - Enough for love?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt