Kapitel 20

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Die Hupe des Taxis ertönt pünktlich um kurz vor Acht und Hannah und ich machen uns auf den Weg zum Auto. Hannah sieht wirklich umwerfend aus. Sie hat sich in ein schwarzes Etuikleid geworfen und ihre blonden Haare liegen lockig auf der Schulter. Ihre Lider hat sie schwarz betont, was ihre blauen Augen strahlen lässt. Ganz in Hannahs Stil hat sie knallroten Lippenstift aufgetragen.

»Hannah? Du siehst fabelhaft aus!«, gestehe ich ihr.

»Oh danke, Lucy. Du bist aber auch ein echter Hingucker. Das habe ich wieder gut hinbekommen, was?«

Und ob sie das hat. Nachdem sich meine mufflige Laune vom Vormittag gelegt hatte, musste ich ein ganzes Schönheitsprogramm erdulden. Von Maniküre bis Pediküre über das Rasieren bis hin zum ausführlichen Duschen inklusive einer Haarkur. Aber das Ergebnis kann sich sehen lassen. Ich trage ein weißes schlichtes Kleid mit breiten Trägern, das an der Taille sowie an Po und Oberschenkeln sehr betont sitzt. Zum Glück lässt dieses Exemplar nicht viele Einblicke zu und geht mir bis zu den Knien. Dazu trage ich meine Lieblingssandalen mit Keilabsatz. Meine Haare habe ich heute mal ohne Hannahs Hilfe bearbeitet und einfach nur durch ein Glätteisen gejagt. Im Gegensatz zu Hannah mag ich lieber die dezentere Variante und habe bis auf Wimperntusche und etwas Gloss nicht so dick aufgetragen.

Zufrieden steigen wir in das Taxi, welches uns zur Party bringt.

»Ach du heilige Scheiße!«, entfährt es mir als ich die Location entdecke. Das Taxi, das eher einer privaten Limousine ähnelt, fährt langsam auf die mit Kies versetzte Auffahrt, was mich erahnen lässt, dass wir unser Ziel gleich erreicht haben. Das Haus ist atemberaubend. An der Auffahrt zum Haus stehen weiße Sonnenschirme unter denen schicke Leute stehen und sich unterhalten. Das gesamte Grundstück ist von einem Friesenwall mit riesigen Heckenrosen umzäunt und absolut blickdicht. Fenster und Türen sind in Weiß gehalten und bodentief. In Kombination zu den dunkelroten Klinkersteinen sieht dies einfach unglaublich aus. Ganz inseltypisch ist das noch neue Dach in hellem Reet gedeckt.

Große Leuchtkugeln die im Garten und im Haus in unterschiedlichen Größen auf dem Boden stehen aber auch die Fackeln im Garten lassen das Haus in einem warmen, gemütlichen Licht erstrahlen.

»Wir sind da.«, entgegnet der Fahrer. Selten habe ich Hannah sprachlos erlebt, aber sie macht gerade den Anschein, sie könne sich kaum bewegen geschweige denn etwas sagen. Wir steigen aus dem Auto, bedanken uns bei dem Fahrer und gehen auf den Haupteingang zu.

Zum Glück habe ich mich zu einem schicken Outfit überreden lassen, denn nur so passen wir hier in diese Welt überhaupt rein. Wir treten durch den Eingang und nehmen leise ertönende Musik wahr. Das ganze Haus ist sehr offen gestaltet: Eine Treppe führt hinauf zu einer Galerie und der Wohnraum ist so offen, dass man den Garten bereits im Eingangsbereich sehen kann.

»Da drüben ist die Bar, ich hole uns mal was zu trinken«, schlägt Hannah vor und dreht sich ab. Ich höre oben eine Tür schließen und richte meinen Blick auf die Galerie im ersten Stock. Und da steht er. In seiner vollkommenen Perfektion. Leo. In einem Smoking, seine Haare leicht zurück gegelt und grinst mich spitzbübisch an.

Ich habe das Gefühl, sein Treppenabgang geschieht in Zeitlupe und ich muss schlucken. »Schön, dass du da bist, Lucy« sagt er und strahlt über beide Ohren. »Darf ich dir das neue Büro zeigen?«

»Das... das ist nur dein Büro?«, stottere ich leicht erdrückt von den ersten Eindrücken und der Tatsache, dass dieses Haus nur zum Arbeiten gebaut wurde.

»Ja, aber es gibt auch eine Küche und oben ist auch ein Schlafzimmer. Es kann also für Arbeit und Privates genutzt werden«, schmunzelt er.

»Es ist beeindruckend. Mir fehlen die Worte.«

»Das war mein Ziel. Meine Kunden sollen von Anfang an wissen, welche Qualität mein Anspruch ist und mit welchen Immobilien ich mein Geld verdiene. Ich kann dich herumführen, wenn du magst.«

Ich nicke bejahend. Sogleich legt er mir die Hand auf den Rücken und gibt mir zu verstehen, dass er im zweiten Stock mit der Führung beginnen möchte.

»Da hoch?«, frage ich verwundert.

»Ja, lass mich dir die Aussicht zuerst zeigen.« Nickend steige ich die Treppe hinauf und spüre noch immer seine Hand auf meinem Rücken. »Jetzt rechts, auf den Balkon.«

»Heilige Scheiße, ich dachte nicht, dass es noch besser werden kann«, rutscht es mir heraus, was Leo zu amüsieren scheint. Der Balkon, nein eher die zweite Terrasse, ist zwischen den Hauswänden eingekesselt und bietet einen wunderschönen Blick herunter auf die Dünen die etwas entfernt liegen.

»Das ist atem....« weiter komme ich nicht, denn Leo greift mit beiden Händen nach meinem Gesicht und drückt mir einen Kuss auf die Lippen.

Wie habe ich dieses Gefühl vermisst. Sofort fängt mein Körper Feuer und möchte immer mehr von Leo spüren. Ich erwidere den Kuss, lege meine Hand in seinen Nacken und deute ihm sich mehr zu nehmen. Leos Zunge bahnt sich den Weg durch unsere Lippe und umkost die meine. Mit einem Mal zieht Leo sichtlich angestrengt zurück und schnaubt. Nur mit aller Mühe kann er sich zurückhalten.
»Ich... ich kann nicht«, flüstert er an meine Lippen.
»Noch nicht. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Ich muss mit einigen wichtigen Leuten sprechen. Entschuldige mich bitte.«

Ohne dass ich auch nur den Hauch eines Einwands erbringen kann, dreht er sich um und verschwindet von dem Balkon. Noch im gleichen Moment erfüllt mich das Gefühl, ich sei wie eine Puppe für Leo, die man gerne auch mal nach Belieben abstellen kann. Es kränkt mich und ich fühle mich auf eine gewisse Art benutzt. Dann drehe ich eben den Spieß einfach um, denke ich und nehme mir nun vor, mich so richtig zu amüsieren. Ich eile frustriert die Treppe herunter und halte nach Hannah Ausschau. Schnell erblicke ich Sie mit einem Champagner Glas an der Bar. Sie unterhält sich mit einem gutaussehenden jungen Typen in unserem Alter. Rein optisch sehen die beiden ziemlich gut zusammen aus, also beschließe ich besser nicht zu stören und mir woanders ein Getränk zu arrangieren.

»Hallo Lucy, du siehst toll aus«, drängt sich eine nur allzu bekannte Stimme in mein Ohr und ich erschauere.

»Danke, Lynn«, sage ich und wende mich ihr zu. Sie sieht mal wieder aus, wie aus dem Ei gepellt. Kurzes Kleid, High-Heels und wie immer offene Haare. So langsam geht mir ihr verruchter Look auf die Nerven.

»Du hast dich auch nett zurecht gemacht«, ergänze ich künstlich strahlend.

»Naja, ich werde mich mal unter die Leute mischen und nach Leo Ausschau halten. Vielleicht braucht er ja Hilfe«, sagt sie und zwinkert mir zu. Wenn du wüsstest wen er eben auf der Terrasse geküsst hat, denke ich triumphierend, um mein Ego etwas aufzupolieren.

Lynn eilt schnurstracks zu Leo und legt ihm grinsend die Hand auf die Schulter. Leo, der sich gerade mit einem sehr förmlich gekleideten Herrn unterhält, bemerkt dies nur flüchtig und reagiert mit einem flüchtigen grinsen. Entgegen meines Hoffens, stößt er sie jedoch nicht von sich, sondern akzeptiert die Nähe.

Faces - Enough for love?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt