Lesenacht 1
PoV Leon
Eine gewisse Erleichterung überkam mich. Wenigstens war Mia in Sicherheit. Während wir zu dritt zum Auto gingen, ignorierte ich Ronalds Blicke. Ihm schien das gar nicht zu gefallen, ob es an Mia lag oder daran, dass meine Aufmerksamkeit nicht mehr ihm galt, wusste ich nicht, aber eigentlich war es mir auch egal was Ronald dachte. Ich war einfach nur froh Mia bei mir zu haben. Sie zitterte und ich drückte ihren kalten Körper an meinen. Sie trug nur meine Jacke, kein Wunder, dass sie fror.
"Wie bist du entkommen?" fragte Ronald und gab sich keine Mühe, den Misstrauen in seiner Stimme zu unterdrücken. Ich warf ihm einen giftigen Blick zu, Mia hatte schon genug durchgemacht.
"Als der Drache kam, habe ich mich schnell verwandelt und zwischen den Trümmern versteckt. Ich habe gesehen, dass der Drache euch nicht mitgenommen hat, also hab ich gesucht so gut es ging. Als ich euch unter den Trümmer nicht finden konnte, war eigentlich klar, dass du euch irgendwie rausgeholt hattest, also habe ich hier in der Nähe gewartet. Ich wusste, Leon würde herkommen." Sie sah auf und lächelte mich verliebt an, während Ron im Spiegel übertrieben die Augen verdrehte.
Daraufhin ignorierte ich ihn und strich Mia über die Arme. Die ganze Fahrt über herrschte schweigen und keiner wagte es dieses zu brechen.
Ich war damit beschäftigt Mia zu wärmen und Ronald hatte wahrscheinlich das Lenkrad zerstört, wenn er seine Kräfte hätte.
"Ihr lebt in einem Stripplokal?" fragte Mia empört, als Ron das Auto parkte.
"Wenn es dich stört, hau ab." fuhr er sie an und ich warf Ronald einen bösen Blick zu. Er benahm sich unmöglich, was hatte er gegen Mia?
Als wir das noch leere Lokal betraten, kamen uns Niclas und Jerom entgegen, die beiden sahen schon deutlich besser aus. Ihre Verletzungen waren verheilt, aber ein wenig durcheinander sahen sie immer noch aus.
"Mia! Es geht dir gut." Jetzt bemerkten die beiden sie auch und Mia nickte erschöpft. Sie brauchte Schlaf.
"Ich bring sie runter. Ronald machst du deinen 'Laden' heute auf?" Eigentlich wäre es mir lieber wenn nicht, aber ich konnte es ihm nicht verbieten.
"Natürlich. Wenn sie ein Problem damit hat, soll sie wo anders hin gehen." Ich knirschte mit den Zähnen. Ronald war nicht gerade kooperativ, aber vielleicht würde man die Musik unten nicht hören.
Als wäre ich schon Ewigkeiten hier, führte ich Mia nach unten in das Krankenzimmer. Ich half ihr einen Krankenkittel anzuziehen, etwas anders war gerade nicht da.
"Danke, Leon." nuschelte sie, als sie sich in die Decke kuschelte. Mein Blick fiel auf die Uhr. Es war halb acht Abends, Ronalds Club würde also in einer halben Stunde öffnen, so weit ich gesehen hatte.
"Wann hast du das letzte Mal geschlafen?" fragte Mia und sah zu mir hoch. Ehrlich zuckte ich mit den Schultern. Ich wusste es nicht, wahrscheinlich weil ich einfach nicht darauf achtete.
"Leg dich zu mir." forderte sie mich sanft auf und schlug die Decke beiseite. Ein wenig zögerlich zog ich meine Schuhe und Jacke aus.
Ich wollte nicht schlafen. Aber noch weniger wollte ich Mia mit den Händen zu nahe kommen, die vor wenigen Stunden jemanden umgebracht hatten. Aber das konnte und würde ich ihr nicht sagen.
Also legte ich mich neben sie und genoss die Wärme. Mia legte einen Arm um meinen Bauch und drückte sich an mich.
"Schlaf gut, Leon." flüsterte sie. Eine leise Stimme in meinem Kopf warnte mich noch davor zu schlafen, aber da driftete ich bereits ab.Ich war es gewohnt durch Albträume aufzuwachen. Was mir noch nie passiert war, war aufzuwachen und sich in einem Albtraum zu befinden.
"Es tut mir wirklich furchtbar leid." versuchte Mia mich mit ihrer sanften Stimme zu beruhigen. In ihren Augen sah ich tatsächlich sowas wie Trauer.
Allerdings fiel es mir schwer ihren Worten zu glauben, während eine ihrer Hände, mir den Mund zu drückte und die andere meinen Hals. Mia war eine Gestaltwandlerin, viel stärker also als ich, ich konnte mich nicht gegen ihren Griff wehren.
"Ich mag dich wirklich Leon, aber unser Leben hat keine Zukunft. Jeremie kann mir eine Zukunft verschaffen. Allerdings bist du ihm ein Dorn im Auge." Ich wusste nicht, was mehr schmerzte. Meine nach Luft schreiende Lunge oder mein Herz.
Mia hatte uns an Jeremie verraten? Zu welchem Zweck? Was könnte Jeremie ihr schon bieten?
"Du kannst das nicht verstehen." redete Mia weiter und langsam sah ich schon schwarze Punkte in meinem Blickfeld flimmern. Ich versuchte Mias Hand von meinem Hals zu lösen, aber ohne Erfolg.
"Und du warst auch noch so schrecklich naiv." Ich war kurz davor ohnmächtig zu werden, als sich Mias Griff plötzlich lockerte.
"Gut, dass ich es nicht bin." ertönte Rons Stimme und als mein Blick sich klärte, sah ich wie Ronald Mia eine Spritze in den Hals drückte, woraufhin sie zu Boden ging.
Jetzt konnte ich wieder atmen, aber es tat furchtbar weh.
Aber es war nichts im Vergleich mit meinem Herzen. Eine Träne wollte sich aus meinem Auge schleichen, aber verärgert wischte ich sie mit dem Ärmel weg.
Ronald sollte nicht sehen, wie ich Weine und Mia war es nicht wert.
"Wie wäre es mit einem Dankeschön?" fragte Ron mich und als ich antworten wollte, kam nur ein schrilles Krächzen aus meinem Mund. Besorgt drückte Ron mein Kinn ein bisschen hoch und musterte meinen Hals.
"Das sieht nicht gut aus. Wird schon ganz blau. Ich hole einen leichten Heiltrank, dann geht es gleich wieder. Bleib du hier." Ron packte Mia an einem Knöchel und schmiss sie sich über die Schulter.
Was hatte er jetzt mit ihr vor?
Kann dir doch egal sein! Sie wollte dich umbringen!
Vielleicht hatte sie einen guten Grund?
Ich war einfach zu nett für diese Welt. Selbst jetzt nahm ich sie noch in Schutz.
Das war das Problem. Aber jetzt reichte es mir. Mein Bruder wurde von einem Drachen entführt und war jetzt bei einem Verrückten, meine Freundin wollte mich umbringen und der einzige der mir wirklich helfen konnte war ein offenbar sexsüchtiger und im Moment machtloser Dämon.
Jetzt war nicht der Zeitpunkt um nett zu sein.
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Der Bruder des Sehers
FantasyTEIL 3 Leon ist erwachsen und wie sein älterer Bruder Erik, hat auch er übermenschliche Fähigkeiten. Schon als kleines Kind konnte Leon die Zukunft sehen, als Erwachsener sind seinen Fähigkeiten kaum noch Grenzen gesetzt, selbst die alte Wahrsage...