Kapitel 36 ~ Nacht im Motel (1)

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PoV Leon

Ich redete nicht mit Ronald. Kein Wunder, immerhin hatte er meine Gefühle verletzt. Das Schweigen im Auto war erdrückend, aber niemand wagte es, es zu brechen. Ronald sah stur auf die Straße, Alex las ein Buch und ich dachte über die jetzige Situation nach. Einerseits fühlte ich mich natürlich zu Ronald hingezogen. Das war normal bei Gefährten. Aber andererseits hielt mich mein stolz davon ab, auf ihn zu zu gehen. Und vielleicht auch meine Wut.
Meiner Meinung nach hatte ich es nicht verdient so behandelt zu werden.
"Wir halten am nächsten Motel und bleiben die Nacht dort." informierte Ronald uns, was wir still zur Kenntnis nahmen.
Ich war nicht müde. Ich wollte nicht schlafen. Eigentlich wollte ich nur, dass das alles vorbei war, ich Erik und Crispin wieder in den Armen halten konnte und dann würde ich umziehen. Wahrscheinlich in ein anderes Land. Natürlich würde ich alle vermissen, aber ich hatte Fernweh. Wenn man in Amerika aufwuchs war es einfach irgendwann nicht mehr interessant.
England wäre schön. Irgendwo an der Küste. Oder Norwegen. Vielleicht auch Australien. Wahrscheinlich würde ich einfach die Welt bereisen.
Auch alleine.
"Kommst du?" Alex berührte mich leicht am Arm und riss mich aus meinen Gedanken. Wir parkten auf einem kleinen Parkplatz, viel los zu sein schien es nicht, aber das Motel war auch nicht sonderlich groß. Nebenan war noch eine kleine Kneipe.
Es regnete und die leichte Dämmerung ließ das ganze ziemlich düster wirken.
Ronald schien da weniger bedenken zu haben. Er ging einfach in das unseriös wirkende Lokal. Seufzend drehte ich mich zu Alex um.
"Dann müssen wir uns wohl um die Zimmer kümmern, während der Herr sein Geld für Alkohl ausgibt." Alex Mundwinkel zuckte leicht nach oben und zusammen betraten wir das Motel. Die Luft war stickig und unter normalen Umständen würde ich jetzt wieder umdrehen. Links in dem kleinen Raum war die Rezeption, gebaut aus Holz, welches bei jedem Schritt knarrte und aussah, als würde es jeden Moment brechen. Ein älterer Mann mit grauem Vollbart saß dort hinter und rauchte Pfeife, sodass es leicht nebelig im Raum war. In dem brennenden Kamin wurde sicher nicht nur Holz verbrannt, dem Geruch nach zu urteilen.
"Ein Zimmer für drei. Eine Nacht." Weder Alex noch der Mann beschäftigen sich mit Smalltalk. Alex bekam einen Schlüssel gereicht, der Mann das Geld. Ohne eine Verabschiedung oder sonst irgendwas drehte sich Alex um und ich folgte ihm ins Zimmer.
Das Zimmer war klein, aber sah nicht ganz so heruntergekommen aus. Links an der Wand befand sich ein Etagenbett, rechts gegenüber ein drittes Bett. An einer Wand war ein Fenster, welches ich sofort aufriss und die kühle, frische Luft einatmete.
"Ich glaube Ronald braucht einfach Zeit, um sich an die Sache zu gewöhnen. Ewig wird er sich nicht dem Drang dir nahe sein zu wollen entziehen können." Alex Worte beruhigten mich nicht. Ronald wollte es nicht und ich wollte und würde ihn nicht zwingen.
Wenn er uns trennen wollte, dann würde ich es ihn tun lassen. Niemals würde ich etwas zwanghaft bei mir behalten, was nicht bei mir sein wollte.
"Reden wir über etwas anderes. Kennst du Leonie?" Überraschte sah Alex auf, während er seinen Rucksack in den kleinen Schrank neben dem Bett legte.
"Ja, natürlich. Immerhin kenne ich auch Ronald schon eine Weile. Ich habe ihm eine Weile geholfen, Leonie zu verstecken." Ich runzelte die Stirn und lehnte mich gegen die Fenstersims.
"Wieso musste Leonie denn versteckt werden? Vor wem?" Alex zögerte und wusste offenbar nicht, wie viel er mir verraten durfte.
"Leonies Mutter hatte nach ihr gesucht. Sie wollte sie umbringen lassen, weil Leonie eigentlich nie hätte exestieren sollen. Eigentlich ist es unmöglich. Dämonen und Vampire können keine Kinder kriegen. Dachten wir." Mir klappte der Mund auf. Ich wollte etwas sagen, aber kein Ton verließ meinen Mund. Alex hob belustigt eine Augenbraue.
"So habe ich auch reagiert. Aber egal was Ron die über Leonies und seine Begegnung erzählt haben, wahrscheinlich war es gelogen. Leonie ist der einzige Dämonen-Vampir Hybrid der je exestiert hat. Und sie ist Ronalds Tochter."

Der Bruder des SehersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt