PoV Leon
Das erste was ich spürte, waren Schmerzen. Mein Kopf schien zu explodieren und ich konnte mich kaum bewegen, weil jeder Knochen so schwer war wie Blei.
"Entschuldige. Unangekündigte Teleportation kann unangenehme Konsequenzen haben, vor allem wenn man es nicht gewöhnt ist." Ich vernahm die Stimme, sie kam mir bekannt vor, aber ich konnte sie nicht zuordnen.
Plötzlich spürte ich etwas Warmes an meinen Schläfen und langsam ließ der Schmerz nach und ich konnte die Augen öffnen.
Ich lag auf einem Bett in einem kleinen Raum. Es roch nach Holz und Desinfektionsmittel. Links und rechts von mir waren Vorhänge, hinter denen sich wohl auch andere Krankenbetten befanden.
Auf einem Stuhl neben meinem Bett saß Ronald und musterte mich.
"Wie fühlst du dich?" Ich brummte nur und kniff noch ein paar Mal die Augen zusammen.
"Wo sind die Anderen? Wo ist mein Bruder?" fragte ich und meine Stimme kratzte, da mein Hals furchtbar trocken war.
"Du solltest dich ausruhen." wich Ronald aus und wollte gehen, aber ich packte seinen Arm.
"Wo sind sie?" fragte ich jetzt etwas eindringlicher und Ronald wandte den Blick ab und leckte sich kurz über die Lippe.
"Leon, ich glaube nicht, dass-" Er unterbrach, als ich verärgert versuchte aufzustehen, aber das Gleichgewicht nicht halten konnte. Somit fiel ich direkt in die Arme des Dämons, der mich mit einer gezielten Bewegung wieder ins Bett beförderte.
"Ich konnte nur einen von euch retten. Für mehr hatte ich keinen Zauber dabei." Langsam beschlich mich ein sehr ungutes Gefühl und es schnürte mir die Luft ab. Hektisch atmete ich ein und aus, aber es half nichts. Das Gefühl zu Ersticken blieb.
Es war Jahre her, das ich meine letzte Panikattacke hatte, also wieso jetzt?
Ronald legte beide Hände um mein Gesicht und zwang mich ihn anzusehen.
"Hey, du musst dich beruhigen. Versuche langsam zu atmen. Komm, wir zählen zusammen bis zehn. Eins." Ich spürte, wie eine Träne meine Wange hinablief, ich bekam kaum noch Luft und langsam sah ich schon schwarze Punkte durch den Raum tanzen.
Mit leiser und zittriger Stimme brachte ich ein gehauchtes "Eins." hervor und Ronald nickte.
"Gut. Zwei." Ich nahm wieder ein paar hektische Atemzüge.
"Zwei." So ging es weiter, bis wir bei zehn angekommen waren und mit jeder Zahl wurde ich etwas ruhiger.
"Sehr gut." flüsterte Ronald und strich mir eine Haarsträhne aus dem verschwitzten Gesicht.
"Wenn sich jemand mit Kontrollverlust auskennt, dann ich. Also zögere nicht mich zu fragen. Okay?" fragte er und sah mir eindringlich in die Augen bis ich nickte.
"Wo ist Erik?" kam ich wieder auf das Thema zurück und Ronald seufzte.
"Sie werden noch leben. Der Angriff war nicht zum töten gedachte, sondern zum Entführen." Jetzt verstand ich.
"Sie wurden alle entführt?" Ronald nickte und drückte mich zurück ins Bett, da ich wieder aufstehen wollte.
"Jeremie?" fragte ich weiter und Ronald reichte mir ein Glas Wasser.
"Er hat es wahrscheinlich beauftragt." Es. Was war es gewesen? Was hatte uns da angegriffen? Diese Frage stellte ich auch Ronald, nachdem ich getrunken hatte.
"Du solltest dich wirklich ausruhen. Ich muss noch was klären."
"Ronald, ich bin nicht schwach. Ich kann das vertragen." Jetzt sah ich etwas in Ronalds Augen aufblitzen, konnte es aber nicht beschreiben.
"Ich weiß." Scheinbar hatte er jetzt beschlossen mit mir zu reden, denn er ließ sich wieder auf den Stuhl sinken.
"Das was euch da angegriffen hat, war ein Drache." Mir klappte der Mund auf. Ein echter Drache? Mit scharfen Zähnen, Schuppen, Flügel, mit allem Drum und dran?
"Es gibt weltweit vielleicht noch zehn von ihnen. Vor dreitausend Jahren hat meine Familie jagt auf sie gemacht. Sie waren zu mächtig." Das musste ich erst mal verdauen.
"Wieso sollte ein Drache Jeremie helfen uns zu entführen? Wenn er es überhaupt war." Ronald lehnte sich zurück und zögerte einen Moment bevor er sprach.
"Drachen sind ähnlich wie Dämonen. Man kann sie beschwören und einen Handel mit ihnen schließen. Wenn die Bezahlung stimmt, tun sie fast alles." Plötzlich klingelte etwas und Ronald zog sein Handy aus der Hosentasche.
"Das ist Leonie. Ich muss wirklich kurz los. Aber keine Sorge, du bist hier absolut sicher." Wieder packte ich Ronald am Arm und diesmal verzog er kurz genervt das Gesicht.
"Ich lass dich gleich ruhig stellen." drohte er, aber eine Frage hatte ich noch.
"Du hast gesagt, du kannst nur einen retten. Wieso mich? Wieso nicht Erik oder Crispin? Sie sind stärker als ich." Ronald zögerte keine Sekunde mit seiner Antwort, weswegen ich ihm sofort glaubte.
"Erik und Crispin sind mächtig. Aber jedes übernatürliche Wesen kann sich im Laufe der Zeit Macht aneignen, ohne das es etwas zu bedeuten hat. Ebenso theoretisches Wissen. Aber das was du hast, ist viel wertvoller. Du kannst die Zukunft sehen, Leon. Was könnte es besseres geben in einem Kampf? Dank dir werden wir genau wissen, wie wir vorgehen und wie nicht, was als nächstes passiert und wie wir uns davor schützen können. Wissen, wahres Wissen, ist die eigentliche Macht. Und über diese verfügst du." Ronald löste meine Hand von seinem Arm und trat einige Schritte zurück. Bevor er ging, drehte er sich nochmal um und sah mich direkt an.
"Jeremie hat uns herausgefordert. Sein Zug war der Drache. Jetzt sind wir dran. Wir spielen Schach und du, mein Freund, bist die Dame. Die mächtigste und bedrohlichsten Figur auf dem Feld."
Wieso war Ronald so versessen darauf, Jeremie zu schnappen?
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Der Bruder des Sehers
FantasyTEIL 3 Leon ist erwachsen und wie sein älterer Bruder Erik, hat auch er übermenschliche Fähigkeiten. Schon als kleines Kind konnte Leon die Zukunft sehen, als Erwachsener sind seinen Fähigkeiten kaum noch Grenzen gesetzt, selbst die alte Wahrsage...