PoV Leon
Ich wartete in der Küche auf Ronald. Mit jeder Minute, die verging wurde ich nervöser. Ron war menschlich, er war verwundbar. Gerade als ich die, schon von mir genervte Leonie ansprechen wollte, hörte ich, wie sich der klapprige Fahrstuhl öffnete und sofort sprang ich auf. Ron kam mir entgegen und bevor er etwas sagen konnte, schubste ich ihn an der Brust leicht nach hinten.
"Ich weiß gar nicht, worüber ich mich mehr aufregen soll, du Idiot. Das du dich nicht meldest oder wegen der Kette." Ron verzog das Gesicht, offenbar hatte er nicht gewollt, dass ich Bescheid wusste.
"Das ich mich nicht melde, daran solltest du dich gewöhnen. Was die Kette angeht, ich wusste genau welches Beziehungsdrama du veranstalten würdest, wenn du es wüsstest, aber scheinbar hatte Leonie da weniger Bedenken." Seine Stimme klang ausdruckslos, keine Emotionen. War irgendwas passiert? Ich musterte ihn prüfend. Verletzt schien er nicht zu sein, also war etwas anders? Oder hatte er einfach nur schlechte Laune?
Während ich noch nachdachte, drückte Ron sich an mir vorbei und ging gezielt auf eine Tür am Ende des Flures zu. Mürrisch folgte ich ihm. Ich konnte es nicht leiden, wenn man mir nicht antwortete.
Gerade wollte Ron die Türe aufmachen, da merkte er wohl, dass ich ihm folgte und drehte sich zu mir um.
"Du solltest nicht mitkommen." Misstrauisch kniff ich die Augen zusammen. Hatte er schon wieder Geheimnisse?
"Was ist da unten?" fragte ich gereizt und Ronald seufzte genervt.
"Deine Freundin." Ich zuckte zusammen. Mia war also da unten. Was hatte er wohl mit ihr vor? Würde er sie verletzten? Würde ich das wollen? Sie hatte versucht mich umzubringen, wieso machte ich mir trotzdem sorgen?
Wir waren drei Jahre zusammen gewesen, war das alles nur gelogen?
"Ich will mit Mia sprechen." beschloss ich und Ronald atemte geräuschvoll aus, wahrscheinlich wusste er, dass es keinen Sinn hatte, mit mir zu diskutieren. Also drehte er sich wieder um und ging die Stufen runter. Also folgte ich ihm und war fest entschlossen mit Mia zu reden.
Ob ich das später noch bereuen würde, sollte sich noch zeigen.
Als wir unten ankamen, sah ich mich kurz um. Es war ein stinknormaler Keller mit Steinwänden und schwachen Licht. Aber wenn man die Hand an die kalten, feuchten Steine legte, spürte man ein leichtes Kribbeln. Hier unten war alles verzaubert.
"Ich habe Mia nichts getan. Noch nicht. Hängt davon ab, wie gesprächig sie heute ist." informierte Ronald mich und ich verzog leicht den Mund. Ich wollte mir nicht ausmalen, wie Ron auf das Schweigen von Mia reagieren würde.
Vor einer schweren Metalltüre blieben wir stehen und Ronald schloss sie auf. Der Raum dahinter war komplett dunkel und ohne Fenster. In der Dunkelheit konnte man ein paar Augen gelb leuchten sehen und als Ron das Licht anschaltete, sah man, dass Mia sich teilweise verwandelt hatte.
Anstelle von Händen hatte sie schuppige Pranken, mit spitzen Fingern, ihre Augen leuchteten gelb und ihre Eckzähne waren verlängert.
"Verwandel dich zurück." forderte Ron sie kalt auf, aber Mia knurrte nur. Erschrocken sah ich sie an. So hatte ich sie noch nie gesehen.
Mia wusste, dass Ron nicht in ihre Nähe kommen würde, trotz das sie an einem Stuhl festgebunden war, ihre Klauen konnten einen sofort ausweiden, wenn Mia es wollte.
Aber auch dafür hatte Ron eine Lösung.
Er bestätigte einen Knopf an der Wand und ich hörte ein kurzes Zischen. Strom wurde durchs Mias kleinen Körper gejagt und sie warf den Kopf in den Nacken, während sich ihr ganzer Körper versteifte. Als Ron den Strom wieder abstellte, keuchte Mia erleichtert auf. Es tat mir einerseits weh sie so zu sehen, andererseits gefiel es mir gewissermaßen Rache zu üben. Ich hatte diese Frau jahrelang geliebt und jetzt verriet sie mich und versuchte mich umzubringen.
Ich sah, wie Mia sich langsam zurück verwandelte und ging auf sie zu. Müde hob sie den Kopf und eine Weile sahen wir uns nur an.
"Wieso? Und seit wann? War alles nur gespielt?" fragte ich gerade heraus, obwohl ich Angst vor der Antwort hatte. Aber Mia schüttelte sofort den Kopf.
"Nein, natürlich nicht. Natürlich habe ich dich geliebt, du bist ein wundervoller Mensch. Aber wenn du wüsstest, was Jeremie plant... Meine Angst vor dem Tod war wohl größer als meine Liebe. Tut mir leid. Aber bereuen tue ich es nicht." Ihre Worte verirrten mich nur mehr. Wie konnte man jemanden umbringen, den man liebte? Tränen traten mir in die Augen aber verärgert blinzelte ich sie weg.
Leider wurden sie schon gesehen.
"Du hast etwas besseres verdient, Leon. Sie ist und war es nie wert." Ronald Versuch mich aufzumuntern war nur halbherzig, aber selbst dafür war ich dankbar. Für seine Verhältnisse war es viel gewesen.
"Ach ja? Jemanden wie dich?" knurrte Mia und Ron baute sich auf.
"Jemanden, der ihn zu dem macht, was er wirklich ist." Mia schnaufte und riss an ihren Fesseln.
"Egal auf welcher Seite ich stehe, eines weiß ich. Leon ist viel besser als du es jemals sein wirst. Er ist kein bisschen so wie du. Du bist ein herzloses Monster, dass keine Ahnung von Liebe oder ähnlichen hat!" Ein wenig ironisch war es schon, dass ausgerechnet Mia das sagte, aber ich wollte mich nicht einmischen. Allerdings antwortete Ronald auch nicht mehr. Als ich ihn ansah, bemerkte ich auch den Grund dafür. Wenn Ronalds Gesichtsausdruck eben kalt gewesen war, dann hatte er jetzt den Tiefpunkt ereicht. Kein Funken Wärme war mehr in seinem Gesicht zu sehen, es war als würde ich einer leblosen Puppe ins Gesicht schauen.
"Leon, raus." Ich runzelte die Stirn und wollte widersprechen, aber noch bevor ich den ersten Ton hervorbringen konnte, packte Ronald mich grob am Arm und zog mich aus dem Raum.
Als ich draußen war, hörte ich wie er die Tür zuknallte und abschloss. Fassunglos sah ich auf das verschlossene Stück Metall und fragte mich, was Ronald wohl vorhatte.
Meine Frage beantwortete sich, als ich gedämpft schmerzenslaute aus dem Raum hören konnte.
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Der Bruder des Sehers
FantasiaTEIL 3 Leon ist erwachsen und wie sein älterer Bruder Erik, hat auch er übermenschliche Fähigkeiten. Schon als kleines Kind konnte Leon die Zukunft sehen, als Erwachsener sind seinen Fähigkeiten kaum noch Grenzen gesetzt, selbst die alte Wahrsage...