Kapitel 19 ~ Ein schönes Gefühl?

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PoV Erik

Als ich aufwachte, dröhnte mir der Kopf und Schmerz breitete sich in meinem Körper aus. Langsam öffnete ich die Augen und sah mich um.
Überraschte kniff ich die Augen zusammen. Ich hatte fest mit etwas gerechnet, was einem Kerker ähnlich war. Mit kalten Steinen, Fesseln an den Wänden und Skeletten in den Ecken. Stattdessen war ich in einem schön eingerichteten kleinen Zimmer, mit einem Bett, einem Schrank, ein Schreibtisch, alles was man eigentlich brauchte.
Auf dem Nachttisch stand ein Glas Wasser, aber das würde ich nicht anrühren.
Wo war Crispin? Oder mein Bruder?
Hatte es sie alle auch erwischt? Ging es ihnen gut?
Ich ging mit wackligen Beinen zur Zimmertür, aber sie war abgeschlossen. Natürlich. Trotz des schönen Zimmers war ich immer noch ein Gefangener. Wer hatte den Drachen befehligt? Ronald? Einer der Räte?
Ich rüttelte ein paar Mal an der Tür, aber sie wackelte nicht mal, bis ich frustriert dagegen schlug.
Der Raum war scheinbar mit einem Zauber belegt, denn zaubern konnte ich auch nicht. Fenster gab es keine, also musste ich wohl warten.
Aber glücklicherweise nicht lange. Jemand öffnete die Tür und kam rein. Mein Kiefer klappte auf und fassunglos sah ich die Person an.
"Du hast uns verraten?" fragte ich geschockt und sie nickte.
"Ein wenig leid tut es mir schon. Aber ich konnte sein Angebot nicht abschlagen." Sie lachte leise und ich kniff die Faust zusammen. Wie hatte ich das nicht merken können?
"Wessen Angebot? Wo ist Crispin?" fragte ich und hoffte auf eine Antwort.
"Crispin lebt, falls du dir darum sorgen machst. Er ist eine Etage tiefer. In Keller." Ein unangenehmer Schauer lief mir über den Rücken. Crispin konnte nicht schwer verletzt sein, dass würde ich spüren, aber das hieß nicht, dass sie ihm nichts antun würden.
"Was soll das Ganze hier? Für wen arbeitest du?" knurrte ich sie an, während sie sich zur Tür wandte und sie öffnete.
"Schöne Grüße von Jeremie." sagte sie mit einem Lächeln im Gesicht und schloss die Tür hinter sich.
Damit ließ sie mich fassunglos zurück.

PoV Leon

Andreas war bestimmt an die zwei Meter groß. Auf dem Bett hatte er nicht so riesig gewirkt, aber jetzt sah ich es. Als er sich auf mich stürzte, drückte er mich gegen die Wand sodass mir die Luft aus den Lungen gepresst wurde und mein Kopf gegen die Wand schlug. Kurz sah ich Sterne.
Andreas drückte mir das Messer in die Hand.
"Tue ich. Es kann es nicht selber tun, du musst es tun. Er wird es auch nicht tun, also tue du es!" schrie er mich an während er mich weiter gegen die Wand drückte. Ronald stand nur da und tat nichts. Er sah einfach nur zu. Würde er einschreiten, wenn ich langsam ersticken würde? Oder wäre es ihm egal?
"Wenn du es nicht tust, werde ich dir jeden Knochen brechen!" Jetzt sah ich was Ronald meinte. Jegliche Vernunft war aus seinem Blick gewichen, der Wahnsinn stand ihm ins Gesicht geschrieben. Ich zweifelte keinen Moment an seiner Drohung.
Andreas packte meinen Arm und drückte meine Hand mit dem Messer gegen seinen Hals.
"Siehst du? Du musst nur zudrücken. Dann fließt das Blut von ganz alleine aus mir heraus. Zusammen mit meinem Leben. Wenn du es nicht tust, werde ich dich zerquetschen!" Er erhöhte den Druck an meinem Hals etwas und langsam wurde das Atmen schwer. Mein Blick fiel wieder auf Ronald. Er schaute immer noch gleichgültig drein, hatte sich aber etwas aufgerichtet. Und dadurch wusste ich, dass er mir helfen würde. Er würde nicht zulassen, dass Andreas mich umbrachte. Aber wie weit würde er ihn gehen lassen?
Ich hatte schon so viele Vampire gefangen, aber noch nie hatte ich jemanden getötet. Das hatte immer Crispin übernommen. Oder Jerom.
Und trotz der unangenehmen Situation gerade, fühlte ich etwas, was ich nicht fühlen wollte, nicht fühlen sollte. Ich fand es aufregend.
Als ich mir das eingestand war es, als würde etwas in mir aussetzten. Wie in einem Traum, bemerkte ich nur vernebelt, wie ich den Griff um das Messer verstärkte.
Und letztendlich einmal kräftig am Hals des Mannes vor mir entlang zog und damit sein Todesurteil unterschrieb. Einen Moment lang fühlte ich nichts anderes, als die Aufregung, das Adrenalin kribbelte in meinen Fingern und es fühlte ich gut an. Ich mochte das Gefühl.
Und dann bemerkte ich, was ich getan hatte. Nur langsam sickerte die Erkenntnis zu mir durch und ich sah auf das dunkelrote Blut auf meinen Händen. Plötzlich fiel mir das Atmen noch schwerer als eben und ich sank an der Wand zu Boden.
"Keine Sorge." riss Ronalds Stimme mich aus meinem Schock.
"Der Schock danach bleibt irgendwann aus. Und dann fühlt man nur noch das Adrenalin. Ein schönes Gefühl, nicht wahr?" Ich konnte nicht antworten, aber er hatte recht.
Es war ein schönes Gefühl.
Aber das sollte es nicht sein.

Der Bruder des SehersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt