PoV Leon
"Also Leon, weißt du, wie man einen Drachen tötet?" fragte Alice, während sie sich die Finger lackierte.
"Ich hatte es bisher nie mit Reptilien zu tun, die größer als die Blindschleichen bei uns im Garten waren. Also nein." Alice verdrehte die Augen und drehte sich zu mir nach hinten um.
"Du bist schon genauso schnippisch wie Ronald. Na gut, also hör zu. Drachenschuppen sind sehr dick und für Klingen fast unmöglich zu durchstoßen. Manche Drachen haben Gift an Krallen und Zähnen, aber das kann ich dir erst sagen, wenn ich den Drachen sehe. Allerings sind auch bei ungiftigen Drachen die Krallen so stark, dass sie nahezu jedes Material kinderleicht zerstören können. Mal ganz davon abgesehen, dass der Schrei eines Drachen so laut sein kann, dass Menschen ohnmächtig werden." Alice sah mich mit ihren großen Augen an und erwartete offensichtlich eine Reaktion, also nickte ich langsam.
"Also kämpfen wir gegen eine möglichsterweise giftige, gegen Waffen geschützte, mit alles zerstörenden Krallen ausgestattete, fliegende Riesenechse, die mich mit ihrem Schrei außer Kraft setzten kann?" fragte ich sarkastisch nach und Alice nickte zustimmend.
"Ja, so kann man es sagen. Aber keine Sorge, der Drache ist unsere Baustelle. Du kümmerst dich darum, unsere Brüder zu finden." Ich seuftzte und schloss einen Moment die Augen, während mir alles nochmal durch den Kopf ging. Eine Weile war ich so sehr in meinem Gedanken versunken, dass ich nicht bemerkte, wie sich ein mir bekannter Druck in meinem Kopf aufbaute.
Alles um mich herum war dunkel. Keine angenehme Dunkelheit, welche man in der Nacht erwartete, sondern abgrundtiefe Schwärze, die jegliche Freude und Liebe einfach verschlang und nichts zurückließ außer klaffender Leere. Und ich war in ihr gefangen.
Ich blinzelte ein paar Mal hektisch und unterdrückte das ungute Gefühl in meinem Magen. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um sich um noch mehr Dinge zu sorgen. Als hätten wir nicht schon genug um die Ohren.
"Hier." Alice drückte mir eine kleine Phiole mit einer roten Flüssigkeit.
"Das ist ein bisschen von Ronalds Blut. Er hat es uns für dich mitgegeben, falls dir etwas passieren sollte. Wir haben auch noch eine, für den Fall, dass du selbst nicht mehr in der Lage sein solltest das Blut einzunehmen." Mit mulmigen Gefühl steckte ich das kleine Flässchen ein. Immerhin würde ich jetzt wahrscheinlich nicht mehr draufgehen. Esseiden jemand drehte mir den Hals um.
"Sei nicht so negativ. Es wird schon nichts passieren." versuchte Leonard mich aufzumuntern, klang dabei aber so motiviert, wie ein überfahrenes Tier.
Also auch nicht wirklich hilfreich.
Wir hatten kaum auf dem Gelände gehalten, da ertönte auch schon ein erschütterndes Schreien, welches ich mittlerweile ganz gut kannte.
"Hier ist die Karte von der Anlage." Leonard drückte mir ein Stück Papier in die Hand.
"Beeil dich." Er riss einen Gullideckel vom Boden und genervt sah ich hinunter. Das würde unangenehm werden, aber was hatte ich auch anderes erwartet.
Kaum kletterte ich die rostige Leiter runter, schloss Leonard den Gulli wieder und im letzten Moment sah ich noch eine Feuerfontäne über mich hinweg fegen.
Jetzt konnte ich nicht mehr zurück, sondern musste durch die Kanalisation bis ich zu den unterirdischen Gängen kam. Dort warteten wahrscheinlich schon Leonie und Alex.
Der Gestank war grässlich und ich zog mir den Pullover über die Nase, damit sie nicht noch abstarb. Es roch, als würden hier hunderte von Tierkadavern verfaulen.
Die schwache Beleuchtung tauchte das ganze zusätzlich noch in eine unangenehme Atmosphäre.
Gerade als ich un die Ecke kam, stieß ich mit jemanden zusammen und erschrak, sodass ich zusammenzuckte und wahrscheinlich aufgeschrien hätte, wenn mir nicht jemand den Mund zugehalten hätte.
"Mein Gott, bist du schreckhaft." kam es belustigt von Leonie und ich erkannte sie und Alex.
"Von wo kommt ihr denn jetzt?" fragte ich, als Leonie die Hand von meinem Mund genommen hatte.
"Von der anderen Seite der Anlage. Und wir haben den Eingang schon gefunden. Komm mit." Mit Alex und Leonie an meiner Seite fühlte ich mich gleich besser. Aber das Gefühl, dass nicht alles nach Plan laufen würde, ließ mich nicht los.
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Der Bruder des Sehers
FantasyTEIL 3 Leon ist erwachsen und wie sein älterer Bruder Erik, hat auch er übermenschliche Fähigkeiten. Schon als kleines Kind konnte Leon die Zukunft sehen, als Erwachsener sind seinen Fähigkeiten kaum noch Grenzen gesetzt, selbst die alte Wahrsage...