3~ scheiß, blöder Badboy

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„Mach deine Haare hoch", meint meine „Mutter" Emily streng und mustert mich mit diesem kritischen Blick, den sie immer aufsetzt, wenn irgendetwas an mir nicht in ihre perfekte Vorstellung passt. Ich glaube, sie mag meine Haare nicht. Früher waren sie bräunlich und nur leicht wellig, doch im Laufe der letzten zehn Jahre haben sie sich in leuchtend rote Locken verwandelt, die wild und frei über meine Schultern fallen. Ein Erbstück von meiner leiblichen Mutter, wie ich manchmal hoffe. Doch Emily betrachtet sie wohl eher als Makel, etwas, das sich nicht leicht kontrollieren lässt - so wie mich.

„Calliope, leg die Serviette auf den Schoß", sagt sie nun in ihrem typischen, belehrenden Tonfall. Ich tue, was sie sagt, obwohl es mir schwerfällt, ihre ständigen Anweisungen nicht einfach zu ignorieren. „Wie läuft es in der Schule?" fragt sie und mustert mich erneut, diesmal mit einem kühlen Lächeln, das mehr Pflicht als echtes Interesse zeigt.

„Es war heute erst der erste Tag", antworte ich, „wir haben ein paar Teamwork-Übungen gemacht." Neben mir schüttelt Tom, mein „Vater", verächtlich den Kopf. „Wir zahlen so viel Geld für diese Schule, und ihr macht Teamwork-Übungen? Erbärmlich." Ich nicke nur, sage „Ja", weil es das ist, was er hören will. Es gibt keine Diskussionen mit Emily und Tom - es gibt nur ihren Willen. Alles andere endet in Streit und lautstarken Vorwürfen.

„Habt ihr gehört, was die 32er wieder angestellt haben?" fragt Tom und sorgt damit für einen plötzlichen Themenwechsel. Emily und ich schütteln die Köpfe, und ich werde aufmerksam, auch wenn ich versuche, mir nichts anmerken zu lassen.

„Anscheinend haben sie einen Typen ins Krankenhaus geprügelt, weil er seine Schulden nicht bezahlt hat", berichtet Tom, während er beiläufig einen Schluck Wein nimmt. „Der Anführer selbst soll dabei gewesen sein. Sonst hält er sich ja eher zurück, kümmert sich um die Finanzen und bildet seine Leute im Kampf aus." Seine Worte lassen mich unwillkürlich aufhorchen, und ich runzle die Stirn. „Woher weißt du das alles?" frage ich vorsichtig. Er lächelt nur wissend. „Ich weiß eine Menge, mein Kind. So, was wollt ihr essen?"

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Erleichtert und erschöpft gleichzeitig schließe ich die Tür zu meinem Zimmer hinter mir und ziehe das Kleid aus, das ich so sehr hasse. Ich muss raus, weg von dieser Atmosphäre, weg von Emily und Tom, die glauben, alles unter Kontrolle zu haben, einschließlich meines Lebens. Aber heimlich natürlich - durch die Vordertür geht gar nicht. Meine Eltern würden mich nie allein in die Stadt lassen, schon gar nicht abends, wo die Straßen von den „32ern" unsicher gemacht werden. Ich habe die Gang schon ein paar Mal heimlich aus der Ferne beobachtet - ihre Taten mag man verachten, doch das Adrenalin, die Spannung, die Gefahr, die sie mit sich bringen... das zieht mich fast magisch an.

Nachdem ich mich in eine Jeans und einen bequemen grauen Pullover geworfen habe, schlüpfe ich aus dem Fenster auf den Balkon, stecke die Kopfhörer in die Ohren und schwinge mich leise hinunter. Vorsichtshalber habe ich meine Zimmertür abgeschlossen - nicht, dass eines der Dienstmädchen reinplatzt und Alarm schlägt, weil ich nicht da bin. Einmal, als ich dreizehn war und einen nächtlichen Ausflug gewagt hatte, schickten Emily und Tom tatsächlich die Hunde, um mich zu suchen. Das war der Abend, an dem ich endgültig verstand, dass ihr Bedürfnis nach Kontrolle weit über das Normale hinausgeht.

Mit klopfendem Herzen laufe ich durch die kühlen Straßen und schlüpfe in eine der dunklen Seitengassen. Hier und da sehe ich flüchtige Gestalten, die schnell in die Schatten tauchen, um Geschäfte abzuwickeln, die eindeutig illegal sind. Ich frage mich, ob einige von ihnen wohl zu den 32ern gehören und wie es wohl wäre, wenn ich für einen Tag so leben könnte - frei, gefürchtet, ohne Verpflichtungen und ohne Grenzen.

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PIEPPIEPPIEP!

Der schrille Wecker reißt mich aus dem Schlaf, und ich brumme müde vor mich hin. „Noch fünf Minuten..." Doch aus den geplanten fünf Minuten werden schnell 25, und ich schrecke panisch hoch. Ich habe heute eine Chemieklausur! Hastig schlüpfe ich in meine Boyfriend-Jeans und ein schlichtes weißes Shirt, kämme mir im Schnelldurchgang die Haare, putze die Zähne, ziehe die Schuhe an, greife mir einen Apfel und bin in Rekordzeit draußen.

„Los, Johnny! Drück aufs Gas, wir schreiben Chemie!" rufe ich meinem besten Freund zu, als ich ins Auto springe. Zum Glück schafft er es noch rechtzeitig, und wir stürmen ins Klassenzimmer, gerade bevor der Lehrer die Tür schließt. Mit einem tiefen Atemzug lasse ich mich auf meinen Stuhl sinken, während Johnny mich festhält, bevor ich das Gleichgewicht verliere und der Stuhl kippt. Das ist unser Teamwork - ich finde die Gefahr, und er rettet mich.

Nach der Klausur sehe ich zu ihm rüber. „Und? Wie lief's?" frage ich, als wir auf dem Flur stehen. Er zieht eine Grimasse. „Mies. Ich hasse Chemie..." Ich tätschle ihm tröstend die Schulter. „Ach, Hauptsache, du fällst nicht durch." Er nickt leicht gequält. „Hoffentlich..."

Dann die Erleichterung des Tages: Englisch entfällt! Ein Glück, und ich mache mich schon auf den Weg nach Hause, beschließe aber, eine Abkürzung durch die kleinen Gassen zu nehmen, die von der Schule wegführen. Ich schlüpfe in eine der engen Straßen, die in den Pausen als Raucherplatz dient - die Zigarettenstummel überall sprechen für sich.

Plötzlich bleibe ich wie angewurzelt stehen. Etwa zehn Meter vor mir stehen Mason und ein Freund, Cole, über einem blutenden Mann, der am Boden liegt. Mein Herz setzt einen Schlag aus. Der Freund packt den Verletzten auf die Schultern, und ich beschließe instinktiv, mich leise zurückzuziehen, doch wie immer treibt mich meine Tollpatschigkeit ins Unglück: Ich stolpere und lande mit einem lauten „Aua!" auf dem Hosenboden.

Mason und Cole drehen sich gleichzeitig zu mir um, ihre Blicke stechend und wachsam. „Ich habe nichts gesehen, macht nur weiter", stammele ich nervös, drehe mich schnell um und gehe Richtung Parkplatz, in der Hoffnung, unbemerkt entkommen zu können. Doch plötzlich ist Mason neben mir und drückt mir fest eine Hand auf den Rücken. „Mitkommen."

Seine Stimme hat einen scharfen Ton, und ich spüre, wie mir ein kalter Schauer den Rücken hinunterläuft. „Ich gehe nirgendwo mit dir hin!" fauche ich, drehe mich um und mache einen Schritt in die entgegengesetzte Richtung. Doch so schnell kann ich gar nicht gucken, da liege ich schon wie ein Mehlsack über seiner Schulter. „Lass mich runter, du Gorilla!"

„Wenn du so weiterschreist, dann hören dich noch alle", zischt er mir ins Ohr. „Sollen sie doch!", entgegne ich trotzig, doch er unterbricht mich mit einem Klaps auf den Hintern. „Aua! Fühlst du dich toll dabei? Fass mich nicht an!"

Er lacht leise, ohne sich von meinem Protest beeindrucken zu lassen. „Du hast einen ziemlich knackigen Hintern, Prinzessin." Er haut erneut drauf, und ich spüre, wie mein Gesicht vor Wut errötet.

„Das reicht jetzt!" Wütend schlage ich mit meinen Fäusten gegen seinen muskulösen Rücken. Ich schüttele den Gedanken ab in Panik zu verfallen. Doch Mason bleibt völlig unbeeindruckt. „Mit den süßen, kleinen Fäusten kannst du nichts ausrichten, Prinzessin", sagt er amüsiert, und ich spüre, wie die Wut langsam durch Resignation ersetzt wird. Widerstand scheint zwecklos.

Endlich lässt er mich herunter und setzt mich vor seinem Auto ab. Kaum auf den Beinen, wittere ich eine Gelegenheit und versuche wegzurennen. Doch er packt mich am Arm, und bevor ich es mich versehe, pralle ich direkt gegen seine Brust. „Schlechter Versuch. Du kommst jetzt mit. Du hast etwas gesehen, was du besser nicht hättest sehen sollen, also müssen wir das klären."

Ein Hauch von Panik steigt in mir auf. Was hat er vor? Will er mir Angst einjagen? „Ich steige nicht in dein Auto, und ich gehe auch nirgendwo mit dir hin!" Seine Miene verfinstert sich leicht. „Das war keine Frage, Prinzessin." Er hebt mich entschlossen ins Auto. Ich versuche, mich loszureißen, doch er greift nach dem Gurt, und ich schnappe ihn mir wütend aus seiner Hand.

„Danke, ich kann mich selbst anschnallen! Eine Gehirnzelle weniger und du wärst eine Zimmerpflanze!" fauche ich ihn an, doch er lächelt nur leicht spöttisch und geht um das Auto herum, um auf der Fahrerseite einzusteigen. Ich rüttle verzweifelt am türgriff, doch lässt diese sich nicht öffnen. Mist. Ich sitze steif wie ein Brett auf dem Beifahrersitz und schaue stur geradeaus, während er den Motor startet.

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