16~ Das Rennen 2

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„Sag mal, spinnst du?!“ fauche ich ihn an, während er mich plötzlich hinter einen Baum gezerrt hat. „Was denkst du dir eigentlich dabei?!“ Ich spüre, wie mein Herz vor Wut klopft. Was soll das hier? Ich bin doch diejenige, die sauer auf ihn ist, und jetzt zieht er mich hierher und brüllt mich an, als wäre ich diejenige, die etwas falsch gemacht hat!

„Ich versteh nicht, was du von mir willst! Du zerrst mich hinter diesen blöden Baum und fängst an, mich anzuschreien! Schon vergessen, dass ich sauer auf dich bin?“ Ich beobachte, wie er sich frustriert mit einer Hand durch seine Haare fährt – durch diese schönen Locken… nein, durch seine nervigen, beschissenen Haare! Wütend funkle ich ihn an und verschränke die Arme vor der Brust.

„Was zum Teufel trägst du da?!“ zischt er und mustert mich verärgert. „Alle starren dich an! So wie du aussiehst, könnte dir sonst was passieren!“ Ha! Ich hätte nie gedacht, dass das Outfit Emily tatsächlich einmal so nützlich sein würde. In meinem Kopf danke ich ihr gerade still für den Tipp.

„Vielleicht habe ich es ja auch so gewollt?“ sage ich scharf und funkle ihn an. „Ich habe keine Lust mehr, mit 17 noch als Jungfrau durch die Gegend zu laufen. Vielleicht finde ich heute jemanden, der dafür in Frage kommt. Wer weiß, vielleicht ist eine schnelle Nummer der einfachste Weg, um die Sache hinter mich zu bringen. Scheiß auf Romantik oder Gefühle. Genau so, wie du es doch magst, oder?“

Ich sehe, wie seine Augen sich kurz weiten, und bevor er überhaupt etwas sagen kann, drehe ich mich um und gehe. Manchmal liebe ich es, eine Dramaqueen zu sein, besonders wenn ich sehe, wie seine Augen vor Wut und… Schuldgefühlen funkeln. Ja, fühl dich ruhig schuldig! In schnellen Schritten entferne ich mich von ihm und bahne mir den Weg zurück zu den anderen.

Die Ankündigung eines Jungen, der mit einem Megafon durch die Menge ruft, reißt mich aus meinen Gedanken: „So, als erstes treten Robin und Will gegeneinander an! Wetten könnt ihr hier vorne abgeben!“ Die Menge um uns herum wird lebendig, als die beiden Autos zur Startlinie fahren und die Motoren aufheulen. Das Startsignal ertönt, und sie rasen los, hinterlassen eine gewaltige Staubwolke und verschwinden in der Dunkelheit. Auf einer Leinwand verfolgen wir das Rennen mit, sehen, wie sie am Ende der Strecke herumdriften und wieder zurückrasen. Adrenalin pur.

Ein kurzer Gedanke blitzt auf: Wie gerne würde ich selbst mal fahren. Mein Blick klebt an der Leinwand, während die Autos wieder in Sichtweite kommen. Will erreicht als Erster das Ziel, und Robin bleibt nur noch, seinem Gegner das Auto zu überlassen. Hart, wie schnell hier Stolz, Würde und Besitz verloren gehen können.

Immer wieder treten zwei Fahrer gegeneinander an, aber niemand aus unserer Gang war bisher dabei. „Warum ist noch keiner von uns gefahren, Cole?“ frage ich neugierig den großen Jungen neben mir.

„Wir fahren immer als Letzte,“ erklärt er. „Wir beobachten erst die Konkurrenz und entscheiden dann, welcher unserer Fahrer gegen welchen Gegner antreten soll, um sicher zu gewinnen.“

Ich nicke verstehend. Irgendwie macht das sogar Sinn. „Ich hab Durst. Wo finde ich was zu trinken?“ Cole deutet mit einem vagen Nicken in Richtung der Menschenmenge, ohne den Blick vom Rennen zu lösen. Toll, sehr hilfreich.

Also quetsche ich mich einfach durch die Menge, bis ich endlich auf ein Auto stoße, vor dem ein Schild mit „Getränke“ steht. „Hallo, ich hätte gern ein Bier. Kannst du mir das in einen Becher füllen?“ frage ich höflich. Der Typ hinter dem Tresen nickt und füllt mir das Bier ab. Doch als ich das Geld zücken will, schüttelt er den Kopf und grinst.

„Geht aufs Haus… wenn ich deine Nummer bekomme.“

Oh Gott, nein. Er mag ja vielleicht nett sein, aber Glatze und Bierbauch sind wirklich nicht mein Typ. „Ähm, nein danke, ich zahle lieber.“ Ich lege ihm die zwei Dollar hin, drehe mich um und versuche, mich zurück zur Gruppe zu kämpfen. Gar nicht so leicht, wenn man so klein ist und nichts verschütten will.

Doch plötzlich stolpert jemand, stößt mich von hinten an, und bevor ich reagieren kann, kippt mein Becher und ergießt sich über den Rücken eines Mädchens. Verdammt. „Oh… Entschuldigung,“ sage ich schnell, aber das Mädchen erstarrt nur und dreht sich langsam zu mir um, während sie versucht, ihre Wut im Zaum zu halten. Die Kälte des Bieres scheint sie kurz in einen Schock versetzt zu haben, und ich erkenne sofort, dass sie alles andere als erfreut ist.

„Verpiss dich einfach,“ faucht sie und fixiert mich mit einem durchdringenden Blick. Ich überlege kurz, ob ich etwas sagen soll, entscheide mich dann aber, mich so schnell wie möglich aus dem Staub zu machen, bevor sie mir den Kopf abreißt. Es wäre nicht gut, sich hier noch eine Feindin zu machen, besonders bei diesen Menschenmengen.

Zurück bei Johnny, der mich misstrauisch ansieht, wie ein Vater, der eine Ausrede für das Zuspätkommen seines Kindes erwartet, fange ich an zu lachen. „Ich habe gerade versehentlich ein Mädchen mit meinem Bier geduscht.“ Wir beide brechen in Gelächter aus, und ich blicke verstohlen über die Menge.

„Mason ist da hinten und flirtet gerade mit so einer… na ja, sagen wir mal, einer ‚dankbaren‘ Dame,“ kommentiert Johnny grinsend. „Ich glaube, er sucht sich seine Beschäftigung für die Nacht.“ Natürlich bemerkt Johnny sofort, wen ich eigentlich suche. Warum auch nicht?

Mein Blick folgt seiner Hand, und ich sehe Mason tatsächlich mit dem Mädchen, das ich vorhin versehentlich mit Bier begossen habe. Sie lehnt sich zu ihm, flüstert ihm etwas ins Ohr und lässt ihre Hand kokett über seinen Bauch gleiten. Ich spüre, wie meine Kiefer sich zusammenpressen. Gerade in diesem Moment schaut Mason zu mir rüber und bemerkt, wie ich ihn anstarre. Er lächelt selbstgefällig, als würde er genau wissen, was in mir vorgeht. Toll gemacht, Callie. Jetzt denkt er sicher, dass ich ihn bewundere oder sogar eifersüchtig bin – was ja irgendwie auch stimmt, wenn ich ehrlich bin.

Super hinbekommen, du Genie! Jetzt denkt er, dass du total auf ihn stehst und ihm in Gedanken huldigst. Genau das, was sein Ego noch braucht, meldet sich mein inneres Ich, das mich scheinbar nie wirklich loslässt. Aber ich gebe es zu, tief in mir finde ich ihn toll. Ja, ich bin genauso naiv wie die anderen Mädchen, die in seiner Nähe plötzlich kein Wort mehr herausbekommen. Ich hasse es, aber es ist nun mal die Wahrheit. Er ist so anziehend, dass man ihn einfach toll finden muss.

Aber genau das ist das Problem. Mason ist nicht gut. Er ist falsch, er ist manipulativ, er ist ein hinterhältiger Mistkerl. Und jetzt steht er da, als würde er absichtlich versuchen, mich eifersüchtig zu machen. Glaubt er wirklich, ich würde das einfach so hinnehmen? Da hat er sich geschnitten.

Wenn er denkt, dass er mich mit ein paar flirtenden Blicken oder halbherzigen Avancen beeindrucken kann, dann wird er sich heute Abend noch wundern. Ich werde ihm zeigen, dass ich das Spiel genauso gut beherrsche – und ich weiß genau, wie ich das erreichen kann.

✓Amor de la mafia✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt