„Ihr habt ja Spaß. Ihr unterhaltet den halben Saal.“ Eine vertraute Stimme unterbricht unser Lachen. Als wir aufblicken, stehen Harry, Ben und Mason vor uns, ihre Gesichter eine Mischung aus Amüsement und Verwirrung. Natürlich, wenn jemand laut ist, dann sind es Gideon und ich. Und genau das scheint die drei zu belustigen. Doch anstatt zu antworten, brechen wir erneut in schallendes Gelächter aus.
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Später am Nachmittag sitzen Mia und ich draußen unter einem großen Baum. Die Sonne wärmt unser Gesicht, und der leichte Wind trägt die Geräusche der anderen Schüler zu uns herüber. Mein Kopf liegt auf ihrem Schoß, während sie gedankenverloren an meinen Haaren herumzupft. Sie redet über Musik, ihre Lieblingsbands und das neueste Album, das sie unbedingt kaufen will. Doch ich höre nur mit einem halben Ohr zu. Unsere Gedanken kreisen beide um das Gleiche: die ersehnten Zusagen der Colleges, die wegen irgendeines bürokratischen Chaos erst Ende des Monats verschickt werden.
„Es ist so schade, dass die Klassenfahrt fast zu Ende ist“, sagt Mia plötzlich. Ihre Stimme klingt ungewohnt traurig. „Ich habe hier so viel Zeit mit Ivan verbringen können. Sobald wir wieder zu Hause sind, wird das nicht mehr so leicht gehen. Er wird dann nur noch mit der Gang beschäftigt sein, und mein Vater wird ihn sowieso nicht mögen. Einfach, weil er kein reiner Koreaner ist.“
Ich richte mich leicht auf und sehe sie an. Der frustrierte Ausdruck auf ihrem Gesicht tut mir weh. „Dann müsst ihr euch die Zeit nehmen“, sage ich schließlich. „In den Pausen oder am Wochenende. Wenn ihr wollt, dass es funktioniert, müsst ihr einen Weg finden. Und außerdem – Ivan ist zur Hälfte Koreaner. Das muss deinem Dad einfach reichen. Heutzutage ist fast niemand mehr ‚rein‘ – ob Russe, Italiener oder Franzose. Und mal ehrlich, du bist auch nicht rein koreanisch. Deine Mom kommt schließlich aus Madrid.“
„Ja, da hast du recht“, murmelt sie und atmet tief durch, bevor sie das Thema wechselt. „Und freust du dich auf die Nachparty heute nach dem Lagerfeuer?“
Mühsam öffne ich meine Augen. „Was denn für eine Nachparty? Ist das überhaupt ein Wort?“
Sie zuckt mit den Schultern und grinst. „Ist doch egal! Ich kann nicht glauben, dass du davon noch nie gehört hast!“ Aufgeregt rüttelt sie an mir, bis ich mich schließlich aufsetze.
„Okay, was ist das für eine Party?“ frage ich neugierig.
„Die Nachparty findet nach dem Lagerfeuer um zwei Uhr nachts im Wald statt. Alle Abschlussfahrten kommen immer hierher, und vor ein paar Jahren haben welche eine Hütte im Wald gefunden. Sie haben beschlossen, dort Spiele zu spielen.“
„Und welche Spiele?“
Mia verdreht die Augen. „Unzüchtige Spiele, natürlich. Es ist wie Flaschendrehen, nur... extremer. Entweder bekommst du eine Frage gestellt, oder du musst eine Aufgabe erfüllen. Die harmloseste Aufgabe ist ein Knutschfleck. Die meisten ‚Pflichten‘ werden in einer Hütte weiter abseits erledigt. Es geht selten eine Klasse nach Hause, ohne dass mindestens einer einen Knutschfleck hat – oder jemand seine Unschuld verloren hat.“
Ich lache laut, doch als ich ihren ernsten Gesichtsausdruck sehe, bleibt mir das Lachen im Hals stecken. „Woher weißt du das alles?“
„Meine Geschwister waren die letzten drei Jahre hier“, erklärt sie. „Meine älteste Schwester Monika hatte danach einen Knutschfleck. Meine andere Schwester Miranda hat einem Jungen... naja, etwas gemacht. Und mein Bruder Mika hat damals seine Unschuld verloren.“
Mit weit aufgerissenen Augen starre ich sie an. „Und da spielen Leute freiwillig mit? Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.“
„Ich werde nur zusehen“, sagt Mia gelassen. „Stiller Beobachter, so wie immer.“
Stiller Beobachter? Das klingt nach einem Plan. Für einen kurzen Moment überlege ich tatsächlich mitzuspielen, in der Hoffnung, dass Mason auch dabei ist. Vielleicht würden wir sogar in die Hütte geschickt werden... Aber das wäre ein viel zu großer Zufall. Am Ende bleibe ich wohl besser im Bett und schlafe.
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Das Lagerfeuer brennt bereits seit einer Stunde, doch ich sitze immer noch eingewickelt in meinen dicken Pullover und friere. Das Feuer wärmt nicht so, wie ich es mir erhofft hatte. Um mich herum lachen und reden die anderen, doch ich bin gedankenversunken. Meine Augen wandern durch die Menge und bleiben schließlich an zwei Personen hängen: Hally Grindor und Quinn Berrero.
Hally ist schön, keine Frage. Ihre makellose Haut, die schlanke Figur und das weiche, lockige Haar ziehen immer die Blicke auf sich. Doch neben Quinn wirkt sie fast unscheinbar. Quinn Berrero ist das Mädchen, das alle bewundern – und beneiden. Lange Beine, volles blondes Haar, eine perfekte Figur und diese unverschämte Art, mit Jungs umzugehen. Sie weiß genau, was sie sagen muss, um jeden um den Finger zu wickeln. Kein Wunder, dass jeder Typ sie „knallen“ will.
Und zu meinem Pech hängt sie schon seit zwei Tagen an Mason. Sie lacht über seine Witze, wirft ihm Blicke zu, die alles sagen, und vermutlich hängen ihre Lippen nicht nur an seinen Worten. Ich könnt kotzen.
„Na, wen stalkst du denn da?“ Eine Stimme reißt mich aus meinen Gedanken.
Als ich aufsehe, steht Quinn direkt vor mir. „Ich dachte nicht, dass du überhaupt weißt, dass ich existiere“, sage ich trocken.
Sie lacht leise und setzt sich neben mich. „Süße, ich kenne dich seit dem ersten Tag, an dem du mit Mason und seiner Gruppe unterwegs warst. Du weißt ja, nichts bleibt mir verborgen.“
Das stimmt. Quinn führt einen inoffiziellen „Block“, in dem sie jedes noch so kleine Gerücht festhält. Wer sich mit den „Coolen“ anlegt, wird zur Zielscheibe ihrer spitzen Bemerkungen und Intrigen. Zum Glück war ich bisher nie betroffen, obwohl mein loses Mundwerk mir schon längst Ärger hätte einbringen können.
„Ich frage mich, warum sich Leute wie Mason mit Leuten wie dir abgeben“, sagt sie schließlich.
„Weiß nicht“, antworte ich mit einem Schulterzucken. Natürlich weiß ich es. Vielleicht hat es etwas mit den Dingen zu tun, die ich gesehen habe und nicht hätte sehen sollen, oder damit, dass Mason mich geküsst hat. Oder damit, dass wir immer wieder miteinander flirten, ohne dass es je wirklich ernst wird. Aber das sage ich ihr natürlich nicht.
Quinn verzieht den Mund. „Du bist so anders als die anderen Mädchen. Weder blond noch brünett, kein angesagter Stil, und du schläfst nicht mit einem von ihnen. Was hast du, was die anderen nicht haben?“
Ich lächle sie falschsüß an. „Charakter, Ehrlichkeit, ein Rückgrat? Such dir was aus.“
Ihre Augen blitzen wütend auf, doch sie zwingt sich, ruhig zu bleiben. „Wie du sicher schon gemerkt hast, gehört Mason seit Neuestem mir. Also halte dich zurück.“
Ich verdrehe die Augen. Langsam sollte ich Buch führen, wie oft ich diese Ansage schon gehört habe. „Keine Sorge, Quinn. Wenn du in den Spiegel schaust, wirst du sehen, dass ich keine Konkurrenz für dich bin. Also spar dir deine Sprüche für jemand anderen.“
Mit hochrotem Kopf rauscht sie ab. Ich schüttle den Kopf. Wieso kann Mason seinen neuen Eroberungen nicht einfach klarmachen, dass zwischen uns nichts läuft? Das würde mir mindestens 50 solcher Gespräche ersparen.
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Quinn ist gerade gegangen, und ich bleibe allein am Feuer zurück. Der Abend zieht sich, doch ich spüre, wie die Spannung um mich herum wächst. Bald ist es Zeit für die „Nachparty“, von der Mia erzählt hat. Doch statt Vorfreude spüre ich nur eine Mischung aus Nervosität und Widerwillen. Ob Mason wirklich mit Quinn dorthin geht? Der Gedanke macht mich unerwartet traurig.
Vielleicht bleibe ich doch einfach hier sitzen und schaue den Flammen zu. Es wäre sicher besser, als in diese absurde Welt von „unzüchtigen Spielen“ hineingezogen zu werden. Aber ein Teil von mir will wissen, was passieren wird. Vielleicht... bleibe ich einfach stiller Beobachter, wie Mia gesagt hat.
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✓Amor de la mafia✓
RomanceCallie: „Du bist wirklich ein wandelndes Klischee, weißt du das? Der große, gefährliche Bad Boy mit der geheimnisvollen, philosophischen Ader." Mason: „Und du bist die reiche, hübsche Prinzessin, die vom ausbruch aus ihrem goldenen Käfig träumt mit...