115.Kapitel

415 21 5
                                    

Jessy:
„Was war das denn jetzt schon wieder?" fragte mich meine Chefin wütend als ich wieder reinging. „Entschuldigung, aber ich kann heute nicht mehr arbeiten. Mein Ex-Freund ist gerade betrunken mit dem Auto losgefahren. Ich muss ganz schnell zu ihm." Ohne noch eine Antwort abzuwarten, schnappte ich mir meine Jacke und rannte los zu meinem Auto. So schnell konnte er doch gar nicht fahren, hoffte ich zumindest... Ich fuhr so schnell es ging in Richtung seines Hauses und machte mir einfach nur schreckliche Sorgen. Fuck, was war das denn dahinten? Krankenwägen und Polizeiautos standen um zwei Autos herum, die mitten auf der Kreuzung ineinander gekracht waren. Bitte nicht... bitte lass das nicht Samu sein. Doch desto näher ich, umso mehr erkannte ich, dass es sein BMW war. Hektisch stoppte ich mein Auto und rannte panisch dorthin. „Samu?" rief ich laut und guckte mich um, bis ich ihn vor dem Auto auf so einer Liege vom Rettungswagen und umringt von Sanitätern sah. „Samu!" „Wer sind Sie denn überhaupt?" „Seine Ex-Freundin." Ich konnte ihn kaum angucken, er blutete überall und war bewusstlos. „Was ist mit ihm?" fragte ich hilflos und kniete mich ebenfalls zu ihm. „Noch können wir Ihnen das nicht sagen, er atmet und hat auch noch einen Pulsschlag, aber die Verletzungen sehen übel aus. Wir bringen ihn jetzt sofort ins Krankenhaus um die Blutungen zu stoppen." „Kann ich mitkommen?" „Ja." Doch gerade als ich mit einsteigen wollte, fing mich ein Polizist ab. „Sie kennen den Herren?" Ich nickte, wollte aber einfach nur noch in den Krankenwagen. „Dann müssten wir Sie kurz zu dem Sachverhalt befragen." „Können Sie das nicht später machen?" fragte ich vollkommen verzweifelt, da das doch jetzt total unpassend war. „Nein, lieber jetzt. Wir fahren Sie danach zum Krankenhaus, ist das in Ordnung?" Anscheinend akzeptierten die ja sowieso keine Widerrede, weshalb ich die Frage bejahte. „Wir bräuchten erstmal ein paar allgemeine Informationen und dann würden wir gerne wissen, ob sie wissen wie es zu dem Unfall kam? Gab es Streit?" Ich zitterte am ganzen Körper und musste erstmal kurz durchatmen. „Das ist mein Ex-Freund, Samu Haber. Er kam schon betrunken mit dem Auto zu meinem Arbeitsort. Wir haben ein wenig diskutiert, es war kein richtiger Streit, aber ich wollte, dass er wieder geht und habe ihn dann rausgeschickt. Ich habe ihm gesagt, er soll sich ein Taxi bestellen und bin dann wieder rein, weil ich von meiner Chefin ermahnt worden bin. Doch als ich wieder rausgeguckt habe, war er schon weg. Ich bin ihm sofort hinterhergefahren, aber es war zu spät. Er konnte kaum reden, ich weiß nicht, was oder wie viel er getrunken hat. Können wir jetzt bitte los?" Ich wollte absolut keine Zeit mehr verlieren und verstand es auch nicht warum ich gerade jetzt diese blöden Fragen beantworten musste. „Ja, das sollte erstmal reichen. Danke für Ihre Geduld, steigen Sie ein." Glücklicherweise war der Weg nicht so lang. Ich informierte noch Riku, Sami und Samu's Schwester, da sie mein einziger Kontakt aus seiner Familie war, den ich auf dem Handy hatte. Beim Krankenhaus angekommen, stieg ich sofort aus und rannte so schnell wie möglich rein. Ich fragte gleich nach Samu und gab mich als seine Frau aus, da ich wusste, dass ich keinerlei Informationen bekommen würde, wenn ich nicht aus seiner Familie war oder eben seine Frau wäre, weshalb ich einfach diese Notlüge benutzte. Er war noch in der Notaufnahme, sodass ich verzweifelt davor wartete. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis ihn die Ärzte rausschoben und er vollkommen benommen aussah. Aber ich war ja schonmal froh, dass er nicht mehr bewusstlos war. „Samu, hey...ich bin hier okay? Alles wird gut, mach dir keine Sorgen." Ich griff nach seiner Hand und lief so mit zu seinem Zimmer auf der Intensivstation. „Was hat er denn?" fragte ich den Arzt besorgt und drückte Samu's Hand noch fester. „Er hatte innere Blutungen, die wir zum Glück stoppen konnten, aber der hohe Blutverlust wird trotzdem seine Folgen haben. Einige Rippen, ein Arm und auch ein Bein sind gebrochen und er hat ein leichtes Schleudertrauma, das bedeutet, dass in den nächsten Tagen Beschwerden wie starke Nacken- und Kopfschmerzen, sowie Schwindel auftreten werden. Mehr können wir hier noch nicht sagen, das müssen wir in den nächsten Tagen beobachten. Das ist aber alles behandelbar, Sie müssen sich also erstmal keine Sorgen machen. Ihr Mann hat wirklich Glück gehabt." Natürlich hörte sich das alles schlimm an, aber ich war erstmal froh, dass er lebte und es keine bleibende Schäden verursacht hatte. „Hast du das gehört Samu?" „Er ist noch nicht ganz ansprechbar. Er bekommt alles mit und ist auch bei Bewusstsein, aber geben Sie ihm Zeit." Ich nickte und lächelte Samu mit Tränen in den Augen an. „Ich liebe dich." Ich dachte gar nicht über meine Worte nach, sie kamen einfach so aus meinem Mund. Samu schaute mich mit leuchtenden Augen an und bekam ein ganz kleines Lächeln hin. Zwar hatten wir monatelang nicht miteinander geredet, aber es fühlte sich alles so vertraut an. Ganz plötzlich machte es Klick in meinem Kopf. Dieser Unfall und diese unglaubliche Sorge um ihn hatten mir bewusst gemacht, wie sehr ich ihn brauchte und dass ich gar nichts anderes brauchte als ihn und seine bedingungslose Liebe. Ich brauchte nicht mehr um glücklich zu sein oder um mich vollständig zu fühlen. Nein, ich brauchte einfach nur Samu, meinen Samu. Egal wie scheiße er war, das hatte ich ihm in diesem Moment alles verziehen.
Nachdem der Arzt noch ein paar Werte gemessen hatte, ließ er uns erstmal kurz alleine. Die anderen müssten gleich eigentlich auch mal reinkommen dürfen, aber jetzt genoss ich es erstmal mit ihm alleine zu sein. Plötzlich kamen einfach alle Emotionen und die ganze Angst von gerade eben hoch, sodass ich zu schluchzen anfing und mich auch kaum wieder beruhigen konnte. Zwar war Samu selber schuld an diesem Unfall, aber wenn ihm etwas Schlimmeres zugestoßen wäre, hätte ich mir für immer die Schuld daran gegeben. Er guckte mich nur mit glasigen Augen an und strich mir immer wieder ganz leicht über meinen Handrücken. Als er versuchte seinen Kopf etwas aufzurichten, verzog er sein Gesicht schmerzerfüllt und ließ sich wieder auf das Kissen fallen. „Beweg dich nicht so viel, du hast ein Schleudertrauma Samu." „Jessy..." krächzte er dann leise, woraufhin mein Herz schon einen Sprung machte. Eine Weile lag er da einfache schweigend und guckte auf unsere verschränkten Hände. Der Arzt hatte gemeint ich sollte ihm etwas Zeit geben, weshalb ich auch mehr als geduldig war und wartete bis er seine Worte wiederfand. „Ich liebe dich... es tut mir so leid... Ich hätte nicht fahren dürfen."

Wer ist der Richtige?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt