- Kapitel 2 -

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Als ich die Haustür aufschloss und die Treppen hinauf zur Wohnungstür stieg, hörte ich aus der Nachbarswohnung Geschrei und auch etwas zu Bruch gehen. Ich verdrehte nur meine Augen darüber und schloss die Wohnungstür auf. Ich wohnte nun schon seit ich adoptiert wurde hier in diesem schäbigen Gebäudekomplex. Die Kriminalitätsrate in meinem Viertel war ziemlich hoch und so war es beinahe schon Alltag bedroht und beschimpft zu werden oder eben solche Situationen mitzubekommen. Ich wusste, dass mein Nachbar seine Frau schlug, doch sie war einfach zu schwach um etwas daran zu ändern.

Wieso ich so hart bin? Einfach aus dem Grund weil man keine andere Wahl hat wenn man hier überleben will.

Meine Eltern hatten mir das früh genug beigebracht. Sie hatten mich zu sich geholt als ich gerade mal zwei Jahre alt war. Meine Erzeuger hatten mich abgegeben, warum wusste ich auch nicht. Es war also von vornherein klar, dass mein Leben nicht glatt laufen würde. Ich wurde auch nicht von normalen Leuten adoptiert, um ehrlich zu sein. Sie hatten mich nur bei sich aufgenommen um das Kindergeld zu kassieren damit sie ihre Monatskasse etwas aufbessern konnten. Ich nahm es ihnen aber nicht übel. Es hätte mich schlimmer treffen können um ehrlich zu sein. Wirkliche Liebe empfanden sie nicht für mich aber auch das war in Ordnung für mich, wie könnten sie auch? Ich war nicht ihr Fleisch und Blut. Ich merkte schnell, dass ich eindeutig stärker werden musste um hier klar zu kommen also bat ich meinen Dad darum mir zu helfen, da ich ja schließlich auch irgendwie Geld ins Haus brachte. Er stimmte dem Deal zu und trainierte mich im Nahkampf. Er war vergleichsweise Jung um ein Vater zu sein. Als ich zu ihnen kam kämpfte er noch aktiv in einigen Underground Fights, weshalb er auch ein ausgezeichneter Trainer war. Meine Mom war ebenfalls ziemlich jung, kaum fünfzehn Jahre älter als ich. Ich wusste, dass die beiden sich schon seit ihrer frühsten Kindheit kannten und sie sich auch auf eine schräge Art und Weise liebten aber mehr wusste ich nicht. Wer war ich auch schon um darüber zu urteilen, nicht wahr? Solange ich ein Dach über dem Kopf hatte und jeden Tag etwas zu essen bekam war ich mehr als zufrieden.

Anders als ich es erwartet hatte legten sie allerdingssehr viel Wert darauf, dass ich sehr gut in der Schule war. Sie drillten mich beinahe schon darauf Einser und Zweier zu schreiben. Ihre Erklärung hierfür war aber weder liebevoll noch selbstlos. Ich könnte mit guten Noten einen anständigen Job bekommen, durch den ich ihre Zukunft absichern würde. Sie meinten es wäre ein fairer Deal, da sie mich zu sich genommen hatten und mich versorgten. Ich stimmte ihnen zu, da sie nicht völlig Unrecht hatten. Ich kostete sie einiges, da meine Schule keine staatliche Einrichtung war sondern eine Art Eliteschule.
Neben dem harten Training mit Dad und dem vielen Lernen hatte ich kaum Zeit für andere Dinge, weshalb ich auch nicht sonderlich viele Freunde besaß. Leah war die einzige, die sich irgendwie immer in meine Umgebung verirrte. Irgendwann habe ich das einfach toleriert und wir begannen eine komische Freundschaft zu entwickeln. Es war mehr eine Art Zweck Gemeinschaft. Gruppenarbeiten und Projekte absolvierten wir immer gemeinsam und auch auf Klassenarbeiten lernten wir zusammen. Leah war, ebenso wie ich, eine der schlausten Schülerinnen der zehnten Schulstufe, was das Arbeiten mit ihr erheblich erleichterte. Auch meine Eltern duldeten sie zu Hause, da sie genauso schlau war, wie ich und mich auf keine schiefe Bahn lenkte. Auch wenn Leah mir sehr ähnlich war so war es ihr Umfeld ganz und gar nicht. Ihre Eltern liebten sie abgöttisch und taten alles dafür, dass sie sich nicht noch weiter von ihnen entfernte, was Leah extrem auf die Nerven ging. Sie beneidete mich um das Desinteresse welches meine Eltern mir gegenüber an den Tag legten. Ich war relativ neutral zu der Sache eingestellt. Ich kannte es schließlich nicht anders und ich fing an zu glauben, dass ich es auch nicht anders wollen würde. Durch die Art, wie ich aufwuchs habe ich einen ganz anderen Blick auf die Welt und meine Umgebung entwickelt, was mir einige Vorteile verschaffte. Ich ließ mich zum Beispiel von nichts aus der Ruhe bringen, von nichts ablenken, war ziemlich diszipliniert und ehrgeizig. Jungs interessierten mich auch absolut nicht, da ich begann zu glauben, dass ich die Fähigkeit zur Liebe nicht besaß. Ich habe nie gelernt, wie das funktioniert und um ehrlich zu sein, konnte ich auf diese Fähigkeit auch gut verzichten. Sie führte zu keinen Vorteilen also war sie ineffizient. Nichts, was ich brauchen könnte um zu überleben.

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