- Kapitel 65 -

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Als er kurze Zeit später wieder zurück kam hatte ich mich keinen Zentimeter bewegt und starrte noch immer an die hohe Decke des Gebäudes. „Kommst du?" Hörte ich ihn fragen als er mit seiner Tasche neben mir stand. „Wohin?" Stellte ich die Gegenfrage. „Das soll eine Überraschung sein." Flüsterte er verschwörerisch und legte dabei einen Finger auf seine Lippen. Ich stöhnte und erhob mich unelegant von meinem Stuhl. Er griff nach meiner Hand und schleppte mich nach draußen quer über den Campus. „Asano, nicht so schnell!" Nörgelte ich, doch er äffte mich nur spottend nach weshalb ich wütend meine Augen verdrehte.

Als wir endlich unser Tempo verlangsamten liefen wir auf ein Gebäude zu, das ich bisher noch nie gesehen hatte. „Was ist das für ein Gebäude?" Fragte ich verwundert, doch bevor ich meine Frage fertig aussprechen konnte zog er mich schon wieder weiter. Er öffnete mir die Tür und ließ mich eintreten. Ich kniff angestrengt meine Augen zusammen, da kein Licht brannte und ich nicht sah wo ich hinlief. Ich hörte lediglich, wie meine Schritte an den Wänden hallten. „Bleib hier stehen." Wies er mich an und entfernte sich schnellen Schrittes. Plötzlich ging das Licht an und blendete mich durch die weißen Wände. Der gesamte Raum erstrahlte in einem kühlen weiß Ton, da sogar der Boden aus weißem Marmor bestand. Ich sah mich blinzelnd um und erkannte verschiedene Instrumente der Reihe nach aufgestellt. Asano lief auf das schwarze Klavier zu, das in der hinteren Ecke des Raumes stand. Verwirrt sah ich zu ihm, doch er winkte mich nur zu sich. Langsam schritt ich auf ihn und das Klavier zu und sah mich dabei staunend um. Wie viel Geld das alles wohl gekostet haben musste?

Asano öffnete die Schutzklappe der Klaviertasten und glitt vorsichtig über sie. Die Töne hallten von den Wänden herab, ebenso wie meine Schritte. Er stimmte eine Melodie an, die mir bekannt war, doch ich konnte mich nicht an den Titel des Songs erinnern. Nach den ersten Takten begann er leise mitzusingen.

This night is cold in the kingdom
I can feel you fade away
From the kitchen to the bathroom sink and
Your steps keep me awake.

Don't cut me down, throw me out, leave me here to waste
I once was a man with dignity and grace
Now I'm slipping through the cracks of your cold embrace
So please, please."

Ich lief langsam weiter auf ihn zu und lauschte seiner Stimme, die leise zur Melodie erklang. Ich hatte völlig vergessen was für ein guter Sänger er war.

„Could you find a way to let me down slowly?
A little sympathy, I hope you can show me
If you wanna go then I'll be so lonely
If you're leaving baby let me down slowly

Let me down, down
Let me down, down
Let me down, let me down
Down, let me down, down
Let me down

If you wanna go then I'll be so lonely
If you're leaving baby let me down slowly."

Als ich ihn erreichte blieb ich direkt vor dem Flügel stehen und sah ihm beim spielen zu. Er steckte so viel Hingabe und Gefühl in sein Spiel, das ich den Schmerz des Songs beinahe greifen konnte. Hin und wieder schloss er seine Augen und ließ seine Finger blind über die Tasten gleiten. Beeindruckt lehnte ich mich ans Klavier und sah, wie sich die Seiten im inneren im Takt bewegten.

„Cold skin, drag my feet on the tile
As I'm walking down the corridor
And I know we haven't talked in a while
So I'm looking for an open door

Don't cut me down, throw me out, leave me here to waste
I once was a man with dignity and grace
Now I'm slipping through the cracks of your cold embrace
So please, please

Could you find a way to let me down slowly?
A little sympathy, I hope you can show me
If you wanna go then I'll be so lonely
If you're leaving baby let me down slowly."

Eindrucksvoll wanderten seine Finger immer weiter über die Tasten und zum ersten Mal überhaupt fielen mir seine unglaublich schön geformten Hände auf. Sie sahen so filigran aus, wie sie so über die Tasten flogen. Lange dünne Finger spielten die Melodie zu Let me down slowly. Mein Blick wanderte von seinen Fingern zu seinen breiten Schultern. Er trug noch den Blazer der Schuluniform, welcher sich um seinen Bizeps herum spannte. Sein Hemd lugte unter seinem Blazer heraus und zeigte nur einen Teil davon. Seine Krawatte verschwand ebenfalls zur Hälfte unter seinem Blazer, da er einen der Knöpfe geschlossen hatte. Sein Hemd war bis oben hin zugeknöpft und spannte ebenfalls wenn er sich bewegte. Meine Augen blieben an seinen schmal geformten Lippen hängen und sahen ihnen zu, wie sie sich bewegten als er sang. Mittlerweile war seine Stimme lauter geworden und hallte zusammen mit der Musik an den Wänden entlang.

„And I can't stop myself from falling down
And I can't stop myself from falling down."

Ich sah, wie er seine Augenbrauen immer wieder zusammenzog, fast so als würde ihn das Singen dieses Songs schmerzen. Seine Augen waren so voller Emotionen, wie ich es noch nie bei ihm sah.

„If you wanna go then I'll be so lonely
If you're leaving baby, let me down slowly."

Die letzten Töne der Melodie erklangen und hallten noch eine Weile nach bevor es schließlich still um uns herum wurde. „Wow.." Brachte ich staunend raus, als ich mich wieder gefangen hatte. Ich war so beeindruckt gewesen, dass es mir anfangs die Sprache verschlagen hatte. Er lächelte mir traurig zu und deutete mir an mich neben ihn zu setzen. Da der Platz eigentlich nur für eine Person ausgelegt war rutschten wir eng zusammen. „Würdest du mit mir zusammen singen?" Fragte er mich aufrichtig lächelnd. Verdutzt sah ich ihm ins Gesicht, welches mir plötzlich so nah vorkam. Mein Puls raste auf einmal und ich atmete schwer. „Du willst mit mir singen?" Entkam es mir überrascht. „Ja." Entgegnete er mir knapp. Ich nickte langsam und überlegte mir einen Titel.

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