- Kapitel 1 -

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Die Schulglocke klingelte und ich hörte, wie ein synchrones Stöhnen der Erleichterung durch die Reihen ging. Alle packten ihre Sachen in Höchstgeschwindigkeit zusammen und stürzten fast zeitgleich zum Ausgang des Klassenzimmers. Der Lehrer kam kaum dazu seinen letzten Satz zu vollenden, da war das Zimmer bereits wie leer gefegt. Bis auf mich und vereinzelt andere Schüler war niemand mehr übrig geblieben, der seinen Worten lauschen konnte.
„Wie pathetisch findest du nicht?" Hörte ich Leah neben mir Fragen, die ebenfalls ihr Zeug einpackte. „Hast du etwas anderes erwartet?" Stellte ich ihr die Gegenfrage und wir beide fingen zu grinsen an. Wir liefen gemeinsam zum Ausgang des Klassenzimmers und hörten noch, wie unser Lehrer fluchte. „Es ist immer das Gleiche mit diesen undankbaren Gören!" Wir schlenderten raus in den bereits leeren Gang und schmunzelten nur über die offensichtliche Verzweiflung unseres Lehrers. „Augen auf beim Eier kauf." Meinte Leah schulterzuckend dazu, während ich wegen ihrer Worte grinste.

Wir liefen schweigend weiter in Richtung des Hauptausgangs. Als wir die Stufen hinunterstiegen kniff ich meine Augen zusammen, da ich mich an den Helligkeitsunterschied noch nicht gewöhnt hatte. Die Sonne brannte erbarmungslos auf uns nieder an diesem letzten Schultag. „Wann fliegst du eigentlich?" Fragte Leah mich plötzlich, weshalb ich ihr einen Blick von der Seite zuwarf. „In zwei Wochen." Antwortete ich ihr, während wir weiter liefen. Sie nickte und schulterte ihren Rucksack enger. „Und wie fühlst du dich?" Fragte sie.
Ich dachte über ihre Frage nach.

Wie fühlte ich mich? Wie sollte ich mich denn fühlen? Sollte ich mich freuen? Sollte ich ein schlechtes Gewissen haben, das ich diejenige war, die die Chance des Schüleraustausches gewonnen hat?

„Gelangweilt. Und du?" Entgegnete ich ihr ehrlich und sah aus dem Augenwinkel, wie sie grinste. „Ebenso." Wir fingen an zu kichern und verabschiedeten uns kurz. „Es wird aber definitiv langweiliger ohne dich." Meinte sie bevor wir unseren Handschlag durchführten, den wir irgendwann einmal aus Langeweile im Sportunterricht kreiert hatten. „Stell dich nicht so an." Lachte ich und schlug den Heimweg ein. Ich musste noch einiges regeln und vorbereiten bevor es in zwei Wochen ernst wurde.
Für ein ganzes Schuljahr würde ich unsere Partnerschule in Japan besuchen. Die Plätze waren begrenzt und aus jeder Klassenstufe war nur ein Schüler zugelassen. Man kann sich also vorstellen, wie hart umstritten diese Plätze waren. Doch wer letztendlich grünes Licht bekam entschied nicht unsere Schule. Die Leiter unserer Partnerschule waren extra für die Auswahl der Glücklichen eingereist. Ryo Asano, der Direktor der Oberschule, die ich demnächst persönlich zu sehen bekommen würde, hat sich jeden einzelnen von uns angesehen und uns mit äußerst speziellen Fragen gelöchert. Nicht nur das, jeder von uns musste eines seiner besten Talente vorführen. Viele haben sich dabei völlig zum Affen gemacht, was ich zugegebenermaßen ziemlich amüsant fand. Wie auch immer, ich konnte ihn anscheinend überzeugen. Nicht, dass es eine große Überraschung für mich gewesen wäre, jedoch waren einige meiner Gegner eine echte Konkurrenz für mich gewesen.

Ich entschied mich dazu gleich zum Rathaus zu gehen um die wichtigsten Dinge zu klären. Ich wartete nun schon viel zu lange auf mein Visum und ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass ich viel Wert auf Pünktlichkeit und Struktur legte.
Wenn diese möchtegern Bürotipsen das nicht schneller auf die Reihe bekamen würde ich mich selbst darum kümmern.

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