Güven | Kapitel 58

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Sehr lange wollte ich an den Blicken der Menschen erkennen, was sie dachten.
Ich fand es immer besonders wenn Menschen, nur durch die Augen erkennen konnten wie es einem wirklich geht. Mit der Zeit lernte ich das. Unbewusst.
Jetzt wünsche ich mir, sowas nie gelernt zu haben. Zwar geschieht dies unbewusst, durch die Erfahrung die man mit Menschen macht, welche ich ja zu gut gemacht habe, dennoch ist es das schlimmste Gefühl.

Jetzt blicke ich in die Augen, in denen ich gewohnt bin liebe zu sehen, doch dies gerade das letzte ist.
Seine Blicke zeigten mir viel. Einerseits war es die Wut, die zu erkennen war, gemischt mit der Enttäuschung die stärker war. Andererseits war Erleichterung abzulesen, wobei mir der Schimmer von Erschöpfung nicht entging.

Die scheiss Schuldgefühle wurden von Sekunde zu Sekunde stärker. Der starke, sonst gut gelaunte Can stand nun vor mir und war am Ende mit seiner Kraft, wie ich es war. Ich allein bin dafür verantwortlich ihm mehr Last hinzuzufügen, als er die schon hat.

Er sprach nicht sondern sah mir stumm in die Augen. Seine Arme hingen runter, die seine Schultern noch mehr runterzogen. Müde blickte er mir in die Augen, aus denen ständig Tränen flossen.
„Özür Dilerim." sprach ich leise mit zittriger Stimme und lief auf ihn zu, wobei ich meine Tasche fallen lies. (Entschuldigung)
Ich umschling Meine arme feste um sein Nacken und zog seinen Duft ein. Dieser Duft, der mir einzig und allein das Gefühl gibt zuhause zu sein. Zuerst spürte ich seine Arme nicht um mich, ich öffnete Meine Augen und wollte mich ganz langsam von ihm lösen, doch im nächsten Moment umschlingen seine Arme meinen Körper wie nie zuvor. Er drückte mich feste an sich und inhalierte meinen Duft, wie ich seinen. Durch seine Arme gab er mir das Langersehnte Gefühl von Sicherheit.
„Neden?" fragte er mich dann leise. (Warum?)
Ich wollte und konnte indem Moment nicht antworten. Das weinen führte zu kurzen Leisen Schluchzern, die ungewollt meinen Mund Verließen. Mein Mund war wie zugeschnürt. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals.

Die Antwort auf seine Frage war mehr als nur kompliziert. Wie sollte ich ihm das erklären?
Langsam löste ich mich ungewollt von ihm und blickte direkt auf den Boden. Ich kann ihm gerade einfach nicht in die Augen sehen. Langsam packte er mich sanft an meinem Kinn und sorgte dafür, dass ich meine Blicke vom Boden hob und ihm direkt in die Augen sah, während ich nach den richtigen Ansätzen zu einer Antwort suchte. Beim Blick in seine Augen verlor ich schon direkt jeglichen Ansatz für eine sinnvolle Erklärung.
Mir kam gerade die Frage in den Sinn, was er denn mit seiner Frage meinen könnte. Fragte er mich weshalb ich hier war, oder warum ich das in der Schule gemacht hatte? Wusste er es überhaupt?

Langsam lies er mein Kinn los, wobei ich mich direkt wieder nach seinen Berührungen sehnte. Die Wärme die er mir gab war weg und eine Kälte umhüllte mich. Er saß sich auf die Bank, was ich ihm nach tat. Seine Augen waren geschlossen und er atmete tief ein und aus.
„Beides." sprach er leise und heiser.
Er hatte es aus meinen blicken ablesen können.

Genauso wie ich das ablesen der Gefühle durch die Augen hasste, hasste ich es auch, wenn man mir die Gefühle aus den Augen ablesen konnte. Es machte mich durchschaubar und als könnte ich mich nichtmal wehren. Ich verriet mich in einer Hinsicht selber.

„Ich weiß es nicht" antwortete ich ihm ehrlich und schüchtern. Meine Stimme war kratzig, was mich selber etwas aufschrecken lies. Ich hörte mich krank an, genauso, wie ich mich auch fühlte.
Ich war müde, erschöpft und kraftlos.
Meine Gedanken hatten nie einen Stopp, nichtmal eine Sekunde.

„Was hat sie dir angetan?" fragte er mich und drehte sich zu mir. Ich hob meine Blicke einmal vom Boden und sah dann wieder runter.
„Nichts." gab ich trocken von mir.
Laut atmete er tief ein und aus, sodass ich seine Anspannung mehr als nur spüren konnte.

„Ok." gab er am Ende von sich und ich nickte nur.
„Warum tust du mir das an?" sprach er fragend zu mir. Diese Enttäuschung für die ich mich mehr als nur hasste war sogar aus seiner Stimme zu hören.
„Ben Sana ne yaptim?" fragte er dann verzweifelt. (Was habe ich dir angetan?)
„Ich bin innerlich vor Sorge und Angst gestorben Büsram. Überall habe ich dich wie ein verrückter gesucht." fügte er hinzu und ich drückte meine bereits zugekniffenen Augen noch weiter zu und hörte jedem einzelnen Wort zu.
„Gefällt es dir mich so kaputt zu sehen?" fragte er dann am Ende und meine zugekniffenen Augen öffneten sich wie auf Knopfdruck. Mein Kopf schellte in seine Richtung und ich runzelte die Stirn.
„Denkst du wirklich so?" fragte ich um sicher zu gehen, ob er seine letzte Aussage ernst meinte.
„Ich will nicht so denken." gab er zu und schaute mir traurig in die Augen.
„Darfst du auch nicht." sagte ich wütend. Seine Behauptung hatte mich traurig gemacht. Irgendwie enttäuscht.
Mir war bewusst, ich hatte mit der Aktion nicht das richtigste getan, aber ihn leiden sehen? Das wäre und war das letzte überhaupt was ich sehen wollte.

„Ich wollte das nicht. Mir ist es in den Sinn gekommen, was du tun könntest, wie du dich fühlen könntest, aber ich habe in dem Moment egoistisch gehandelt." sprach ich ehrlich und sah ihm dabei in die Augen.
„Keiner sieht meine Hilflosigkeit. Jeder sieht mich mit dem Auge an, falsch zu handeln, dabei weiß ich doch garnicht wie ich zu handeln habe. Ich kann richtig und falsch nicht mehr auseinandersetzten. Ich kann nicht mehr klar denken. Ich kann mich nicht mehr wiedererkennen." wurde ich gegen Ende leiser und hörte dem was ich gesagt hatte selber zu.
Das bin ich nicht. Wo ist die lebensfrohe, lustige, verrückte Büsra? Die Liebe hatte mein eigentliches ich getötet. Die Liebe hatte mir seine schlechte Seite gezeigt. Durch die Liebe lernte ich, dass nicht alles immer wie es doch in Geschichten sein mag, schön ist, sondern dass jedes Leben seine Schwierigkeiten hat.
Liebe hieß für mich Angst, Sorge, Enttäuschung, Verzweiflung und Leiden.
Bei dem Gedanken musste ich selber nachdenken. Ich runzelte die Stirn und schloss die Augen. Warum vergaß ich dabei das gute was mir die Liebe zeigte?
Das Gefühl von Geborgenheit. Das Gefühl sicher zu sein egal wie die Situation ist. Das grundlose Lächeln auch nur bei dem Gedanken an die Person die man liebt. An das kribbeln im Bauch und die Glücksgefühle wenn die Person einem nahe stand. Momentan mag es sein, dass die Liebe mir seine schlechte Seite zeigte und mich leiden ließ, aber würde es denn auch für immer so bleiben? Nein das würde es nicht. Das glaube und hoffte ich.

Momentan war die Liebe meine Prüfung. Ich musste diese bestehen.

„Büsra Bana söz ver." sprach Can fest entschlossen und gewann meine Aufmerksamkeit. (Büsra versprich mir)
Ich drehte mich zu ihm. Er nahm beide meiner Hände in seine und die allbekannte Wärme machte sich in mir breit, die ich bei seinen Berührungen bekam.
„Elimi hic birakmicana söz ver." bittete er mich. (Versprich mir, dass du meine Hände nie los lassen wirst.)
„Bitte gib uns nicht auf." flüsterte er mir zu und lehnte seine Stirn an meine. Einzelne Tränen flossen meine Wange runter und eine Gänsehaut hatte sich auf meinem gesamten Körper breit gemacht bei seinen Wörtern.
„Nc" kam es leise aus meinem Mund.
Meine Hand führte ich zu seiner Wange und streichelte diese.
„Ich gebe uns nicht auf." sagte ich und versuchte die Tränen zu stoppen.
„Sen beni birakmadikca Ben Seni birakmicam." sprach ich zuletzt flüsternd und er schüttelte sofort den Kopf. (Solange du mich nicht loslässt lasse ich dich nicht los.)
„Birakmam. Birakamam." sagte er und nahm meine Hand, die an seiner Wange war in die Hand und küsste meine handinnenfläche.

Habt Ihr Verbesserungsvorschläge ?❤️

Danke fürs lesen

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