Güven | Kapitel 60

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Die hellen Sonnenstrahlen die durch meine Gardinen schienen verdeutlichten mir, dass wir schon den nächsten morgen hatten. Ich hatte keine Sekunden geschlafen, stattdessen die ganze Nacht nachgedacht, weshalb ich höllische Kopfschmerzen hatte. Ich war mir sicher, das ganze nachdenken würde mich noch krank machen.

War ich ein schlechter Mensch? Die Frage hatte ich mir die vergangene Zeit zu oft gestellt. Zu oft, dass ich anfing an meiner Menschlichkeit zu zweifeln.
War es ein Fehler zu lieben? War es wirklich ein Fehler sich an einen Menschen zu binden?
Sollten die ganzen Nachteile mich wirklich an Can zweifeln lassen? Mich daran zweifeln lassen, ob ich richtig handle. Gibt es in der Liebe überhaupt ein richtig und falsch?
Fragen über fragen aber keine einzige Antwort.

Bitte enttäusche mich nicht Can.

Langsam stand ich von meinem Bett auf, worauf ich mich keine Sekunde später wieder drauf setzte, da mir schwindelig wurde. Alles um mich herum drehte sich und mir wurde irgendwie schlecht.
Langsam atmete ich tief ein und aus und schloss meine Augen.
Als ich mich ein wenig besser fühlte stand ich auf und lief langsam raus.

Ich verschwand direkt im Bad, wo ich mich am Waschbecken festhielt und mich im Spiegel betrachtete. Mein Spiegelbild erschreckte mich selber. Meine Augenringe waren tief und Meine Wangen waren rot.
Mit kaltem Wasser wusch ich mir das Gesicht paar mal und putzte mir anschließend die Zähne.
Nachdem ich mich etwas frischer fühlte stellte ich mich aufrecht hin und sah mir mein Spiegelbild ein letztes Mal an. Ich tat mir selber leid.

Als ich aus dem Bad ging schaute ich mir im Flur die ganzen verschlossenen Türen an.
Als erstes schweifte mein Blick zu der Tür meines Bruders. Ich war enttäuscht von ihm. Er kann ja wütend sein oder enttäuscht, aber so eine Reaktion habe ich nicht verdient. Nicht von ihm.

Als nächstes blickte ich an die Tür meiner Eltern. Die Blicke meines Vaters erscheinen mir immer und immer wieder vor den Augen und mein inneres engt sich ein. Die hilflosen Blicke meiner Mutter und die enttäuschten Blicke meines Vaters. Alles Emotionen, die mich noch mehr kränken.
Ich hätte ehrlich gesagt mit einer anderen Reaktion von meinem Vater gerechnet und nicht mit dieser Ruhe. Alles wäre mir lieber als seine Ruhe mir gegenüber.

In meinem Zimmer zog ich mich um und packte meine Schultasche. Ich fühlte mich kaputt und hatte oft mit dem Gedanken gespielt die Schule hängen zu lassen, aber wie lange sollte dies so weitergehen.
Mit der Hoffnung abgelenkt werden zu können nahm ich mir noch meine Jacke und lief langsam die Treppen runter. Ich hatte noch eine Stunde bis Schulbeginn, wollte aber das Haus so schnell wie möglich verlassen, da jede Sekunde hier mir ein Stückchen mehr die Luft zum Atmen raubte.

Gerade als ich dabei war mir meine Schuhe anzuziehen hielt mich die raue Stimme meines Bruders auf.
„Du hast noch ne Stunde" sagte er und kam auf mich zu. Langsam lies ich meinen Schuh los und richtete mich.
„Ich brauche Luft." sagte ich mir kratziger Stimme.
„Luft?" fragte er mich und grinste falsch.
„Brauchst du Luft oder deinen ach so tollen Geliebten?" stellte er mir die Frage und ich schloss meine Augen indem ich tief ein atmete. Mein Atem zitterte und ich war dem weinen nahe.

Ich ging nicht auf seine Frage ein sondern bückte mich erneut zu meinen Schuhen um sie anzuziehen.
„Meine Antwort?!" brüllte er und lies mich aufzucken. Ich verzog mein Gesicht und lies mein Schuh auf den Boden fallen.
„Ich gehe zur Schule" antwortete ich ihm und er nickte mit einem schrägen Lächeln.
Er nahm sich seine Lederjacke und öffnete anschließen die Tür.
„Raus" sagte er kalt und sah mich auffordernd an.
Ich zog mir meinen Schuh schnell an und lief raus.

Unsicher lief ich die Treppen runter, dicht gefolgt von meinem Bruder.
Unten angekommen lief er auf sein Auto zu und entriegelte dieses. Ich blieb an der Tür stehen und beobachtete das ganze.
„Was guckst du so blöd? Steig ein." sagte mein Bruder.
Ich wollte nicht mit ihm fahren. Ich wollte keine Sekunde mehr in seiner Nähe verbringen aber hatte nicht den Mut dazu ihm gerade zu widersprechen, bzw. Ich wusste es würde nichts bringen.
Ungewollt lief ich auf sein Auto zu und setzte mich nach hinten.

Er ignorierte mich auf eine Art und Weise, auf die es mir weh tat. An der Schule angekommen atmete ich einmal laut aus, als hätte ich den ganzen Weg lang meine Luft angehalten.
Langsam stieg ich Aus und blickte ein letztes Mal zu meinem Bruder der sein Blick geradeaus gerichtet hatte und angespannt am Lenkrad saß.
Ohne weiter auf ihn zu achten lief ich einfach ins Schulgebäude rein.

Lass mich diesen Tag ohne weitere Probleme überstehen Allahim.

Als ich durch die Eingangstür in die Schule ging bemerkte ich dass eher wenige da waren.
Was anderes hab ich aber auch nicht erwartet, schließlich haben wir noch ne halbe Stunde bis der Unterricht anfängt.

Langsam lief ich in die Klasse in der ich jetzt Unterricht habe und bemerke zu meinem Glück, dass die Tür schon offen ist.
Ich gehe rein und setze mich an meinen Platz in der letzten Reihe hin.

Mein Kopf auf meinen Händen auf dem Tisch wartete ich darauf bis der Unterricht beginnt. Ein paar Schüler kamen nach und nach rein und sprachen miteinander. Mein Kopf war in Richtung Fenster gedreht, sodass ich nicht sah wer kam und ging.

Als die Tür ins Schloss fiel öffnete ich schlagartig meine Augen und hob meinen Kopf.
Ich war eingeschlafen.
Müde rieb ich mir die Augen und sah einmal durch die Klasse. Mein Blick blieb bei meinen Mädels hängen, die sich weiter vorne gesetzt hatten und monoton nach vorne blickten.

Diese Menschen hatte ich auch zerstört, mit meinem egoistischen Verhalten.
Ich brauchte sie, ich brauchte sie mehr Als jeden anderen, aber konnte es einfach nicht von ihnen erwarten mir immer zu helfen, weswegen ich sie komplett ausließ.

Die ganze Stunde hörte ich nicht anständig zu und bekam nur teilweise paar Sachen mit.

Die Stunde endete und ich blieb in der Klasse sitzen. Ich hatte keine Kraft aufzustehen und mich zu bewegen. Die Mädels waren mit die ersten die den Raum verließen und raus gingen. Irgendwie verletzte es mich aber mir war bewusst das Recht dazu hatte ich nichtmal.

Mein Griff ging zu meiner Tasche, in der sich unter anderem auch mein Handy befand, welches ich seit gestern Abend ausgeschaltet lies.
Mal wieder eine egoistische Handlung. Ekelhaft

Meine Gedanken schwirrten wieder einmal um Can. Seit gestern hörte weder er was von mir, noch ich was von ihm.
Ich schaltete mein Handy an und entsperrte es. Kurze Zeit später häuften sich die Anrufe und Nachrichten mehrerer Menschen.

Paar Nachrichten von meiner Mutter, eine von meinem Vater und paar von meinem Bruder noch von gestern. Und zig Nachrichten von Can. Ich ging auf seinen Chat und lies mir jede Nachricht durch. Er hatte Angst, um mich, wegen mir.
Meine Tränen stiegen bei seinen Wörtern und ich fühlte mich erneut einfach nur scheisse.
Ich hatte hunderte verpasster Anrufe jedoch interessierten mich nur die von can.

Irgendwie hatte ich diesen Tag überstanden und wollte jetzt einfach nur noch nachhause.
Als ich aus der Schule lief sah ich von weitem can an seinem Auto angelehnt dort stehen. Sein Blick war gesenkt jedoch konnte ich erkennen wie kaputt er war. Schonwieder ein Mensch der leidet, wegen mir. Ich schüttelte schnell den Kopf und hielt die Tränen auf die langsam stiegen. Nein nicht jetzt.

Als ich dann den mut dazu hatte langsam auf ihn zu zulaufen atmete ich tief ein und aus und wagte den ersten Schritt, wonach ich durch eine mir all zu bekannte Stimme unterbrochen wurde, die meinen Namen laut rief und mich aufzucken lies.

Bei meinem Namen hob Can seinen Kopf direkt und blickte in meine Richtung. Seine Augen trafen auf meine und eine Träne floss meine Wange entlang.
Er hatte tiefe Augenringe, sah müde und kaputt aus, jedoch sah ich das funkeln, welches entstand als er mir in Gesicht sah. Die Erleichterung war zu erkennen und es sah so aus, als wäre all die müdigkeit verflogen.

Als ich mich von seinen Blicken lösen konnte drehte ich mich in die Richtung und sah meinen Bruder, der unregelmäßig schnell atmete und seine Hände zu Fäusten geballt hatte.

Allahim hilf mir.

Hoffe das Kapitel hat euch gefallen.

Danke fürs lesen

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