Güven | Kapitel 69

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Kennt ihr das Gefühl von Einsamkeit?
Das Gefühl, welches einen Menschen in die Wege führen kann, die dein gesamtes Leben bestimmen können.
Das Gefühl, welches dir aus Verzweiflung jeden Mist machen lassen kann.
Das Gefühl, welches du niemandem offenbaren kannst, aus Angst.

Mit meinem kleinen Koffer in der Hand stand ich an der Haltestelle. Der kalte Wind wehte mir durch die Haare und lies eine Gänsehaut auf meinem Körper entstehen. Meine zusammengebundenen Haare bereiteten mir mehr Kopfschmerzen, als ich sie schon hatte.

Ich lies mich früh am Morgen entlassen, ohne das jemand davon Bescheid wusste.
Als der Bus kam stieg ich ein und setzte mich ganz nach hinten. Ich hatte niemanden, zu dem ich ohne bedenken hin konnte. Ich hatte mein Umfeld von mir abgestoßen. Die einzige Person die mir einfiel war Yasemin, weshalb ich beschloss zu ihr zu fahren.

Nach einer 15 minütigen Fahrt stieg ich aus und bewegte mich in Richtung ihrer Wohnung.
Ich hatte etwas Angst vor ihrer Reaktion. Ob sie mich abstoßen würde? Sogar der Gedanke kam mir etwas absurd, jedoch hatte ich trotzdem Angst.
Total in Gedanke versunken bemerkte ich garnicht, dass ich schon längst vor ihrer Haustüre stand.

Mit zittrigen Händen klingelte ich und wartete darauf, dass mir die Tür geöffnet wird.
„Hallo?" hörte ich ihre Stimme durch die Anlage.
Ich antwortete ihr erstmal nicht jedoch als sie ein weiteres Mal sprach antwortete ich ihr mit einem leisen „Hallo" zurück.
Als ich darauf wartete, dass sie die Tür entriegelt und ich endlich ins warme Gebäude kann, wurde keine Minute später die Tür aufgerissen und eine aufgebrachte Yasemin stand vor der Tür.

„Büsram" sagte sie und umarmte mich feste. Sofort erwiderte ich ihre Umarmung und genoss ihre Nähe und Wärme. Wie sehr ich sie vermisst hatte.
Die ganzen Emotionen kamen hoch und meine Augen füllten sich. Als ich ihr leises Schluchzen wahrnahm konnte ich meine Tränen nicht mehr halten und lies sie frei.

Nachdem sie sich von mir löste hielt sie meine Hände ganz fest und sah mich von oben bis unten an.
„Wie bist du her gekommen? Warst du nicht im Krankenhaus?" fragte sie mich.
„Woher weißt du das?" fragte ich sie heiser.
„... Abi." sagte sie und ich senkte meinen Kopf.
„Ich war bei dir, aber du hast geschlafen." sagte sie und ich hob meinen Kopf direkt wieder.
„Mit ... Abi." fügte sie hinzu und verwirrte mich komplett.
Ich hatte gerade aber keine Zeit dafür, sondern eine andere Sorge.

„Yasemin ich bin momentan in einer komplizierten Phase." fing ich an mit ihr zu reden, wobei sie direkt ihre Stirn runzelte.
„Ich hatte niemandem zu dem ich hinkonnte. Du warst die einzige, bei der ich es mich getraut habe zu versuchen. Es gibt Sachen die ich erledigen muss." wollte ich ihr erzählen, jedoch unterbrach sie mich.
„Tamam ich komme mit."
„Nein." ich atmete einmal tief ein und aus.
„Ich muss das alleine machen. Eine Bitte habe ich nur. Kann ich solange den Koffer bei dir lassen? Ich würde ihn heute Abend abholen kommen." fragte ich sie und sie sah mich nur verwundert an.
„Wohin willst du dann?" fragte sie mich wobei ich selber ins nachdenken kam.
„Ich finde dann schon ein Hotel oder so, das ist nicht so wichtig." versuchte ich mich rauszureden.
Yasemin schüttelte hastig mit dem Kopf.
„Nein das geht nicht du wirst bei uns übernachten. Ich will auch keine Widerworte." Ich seufzte einmal und sie nahm mir den Koffer aus der Hand.
„Bei der kleinsten Sache rufst du mich an." sagte sie als letztes und umarmte mich einmal feste, was ich erwiderte.
„Danke" kam es leise von mir, worauf sie mir mit einem Kuss auf die Wange antwortete.

„12,50€" sprach der Taxifahrer und holte mich somit wieder in die Realität ein. Erst jetzt merkte ich, dass ich die ganze Fahrt lang in Gedanken versunken war und bemerkte auch erst dann die starken Kopfschmerzen die ich hatte.
Ich holte mein Portemonnaie raus um zu zahlen.
Als ich es öffnete sah ich, dass 30€ das letzte Geld war, was ich besaß. Die Rückfahrt müsste ich auf jedenfall mit der Bahn fahren.
Ich bezahlte dem Taxifahrer das Geld und stieg aus dem Wagen. Direkt wurde ich mit einem kalten Windzug empfangen und zog meine Jacke enger an mich. Das Taxi fuhr weg und ich stand alleine vor der Haustür, vor der ich mich einst befand.

Meine Gefühle waren gemischt.
Einerseits empfand ich Hass. Mir wurde leid, angst und sorge zugefügt.
Aber andererseits empfand ich Mitleid, dafür was er selber durchmachen musste.
Meine Nerven spielten verrückt und vor Nervosität fing ich an noch mehr zu zittern.

Ich versuchte mich bereit zu fühlen. Bereit dafür, die ganze Wahrheit ein weiteres Mal zu hören. Ein weiteres Mal, aus einer anderen Perspektive.

Was wollte ich aber nur damit erreichen? Ich kannte die Wahrheit doch schon. Ich hatte sie zu hören bekommen und doch auch schon geglaubt. Ich verstand mich selber für den Moment nicht und konnte es mir selber nicht erklären welche Absicht ich doch hatte.

Bei jedem Schritt, den ich auf die Haustür zu lief stieg meine Angst und die Unsicherheit.
Ich wollte zurück. Nicht in das Haus rein und in das Gesicht sehen. Ich wollte flüchten, aber wie von alleine bewegten sich meine Füße in die Richtung des Hauses.
Wie von alleine geschah alles und ich hatte keine Kontrolle über mich selber.

Genau in dem Moment als ich stehen bleiben konnte und meine Richtung wenden wollte öffnete sich die Haustür und ich sah in die müden, angeschwollenen Augen, die mich überrascht und besorgt ansahen.

Als hätte sich ein Vorhang vor meinen Augen geöffnet konnte ich all den Schmerz und Trauer in seinen Augen sehen und genau in dem Moment wurde mir klar, es gab kein zurück mehr für mich.

Weil ich für das andere Kapitel so lange gebraucht habe, wollte ich heute ein weiteres hochladen.
Ich hoffe es hat euch gefallen.
Frohes neues❣️

Danke fürs lesen🙏🏼

Güven ~ VertrauenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt