Güven | Kapitel 73

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Lied: Eskimiş senelere yak ~ Aspova (Remix)

Vielleicht erleben wir Verluste um den Wert dieser Sachen wirklich zu verstehen. Aber was bringt es denn einem, eine Sache erst dann zu schätzen, wenn man es nicht mehr hat?

Seit Stunden sitze ich am Straßenrand auf dem kalten Asphaltboden. Mein Körper hat sich schon so sehr an die Kälte gewöhnt, dass ich schon kaum mehr was davon verspüre. Jedes Körperteil fühlt sich taub an und jeder Atemzug schmerzt.

Mit jeder vergehenden Stunde wird der Himmel ein Stückchen dunkler und die Lichter, die aus den einzelnen Fenstern strahlen fangen an die Straßen zu beleuchten.

Jedesmal scheitert der Versuch meinen Mut zu sammeln und die Klingel, von dem schräg gegenüber von mir stehenden Haus zu betätigen.

Müde verberge ich mein Gesicht in meine angewinkelten Knien und nehme tiefe Atemzüge.

Ein Gefühlschaos herrscht in mir, welches mich jede Minute einwenig schlechter fühlen lässt. Welches mir das klare Denken erschwert und mir meine Nerven raubt.

Das Geräusch von einem laufenden Motor gewinnt meine Aufmerksamkeit und ich höre wie sich das Auto in meine Richtung bewegt. Langsam hebe ich meinen Kopf an und in der Sekunde treffen meine Augen auf das grelle Licht der Scheinwerfer, weshalb ich meinen angehobenen Kopf direkt wieder in meinen Armen versinken lasse.

Als der Motor ausgeht erhebe ich erneut meinen Kopf. Das Auto hält ein Stückchen weiter entfernt von mir.

Die Fahrertür geht auf und ein Junge steigt aus dem Wagen, weshalb ich mir vorsichtig die Kapuze meiner Sportjacke aufziehe. Ich versuche zu erkennen, wer die Person ist, die ausgerechnet vor der Haustür hält, die ich seit Stunden beobachte.

Der mir noch unbekannte Typ läuft einmal um sein Auto rum und öffnet sein Kofferraum. Da ich ein Stückchen weiter entfernt bin und er mit dem Rücken zu mir steht kann ich weder sehen wer er sein könnte, noch was er tut.

Neugier macht sich in mir breit und ich möchte wissen wer die Person ist. Genauso sehr wie die Neugier in mir steigt, verbreitet sich auch eine Angst in mir.

Es ist die Ungewissheit, welches die Angst in mir hervorruft.

Das Klingeln eines Handys reißt mich aus meinen Gedanken. Panik durchfließt meinen Körper und ich suche hastig nach meinem Handy. Als ich es dann endlich finde, sehe ich, dass es garnicht meins war und realisiere erst in dem Moment, dass es das Handy von dem Jungen ist.

Schnell blicke ich zu ihm rauf und merke, dass ich ihm aufgefallen bin. Unsere Blicke treffen sich und erst dann erkenne ich wer er ist. Unbewusst halte ich den Atem an und versuche alles zueinander zuzuordnen. Ich merke wie sich jeder Muskel meines Körpers anspannt.

Durch die Straßenlaterne, die perfekt auf ihn leuchtet erkenne ich, dass er seine Augenbrauen zusammengezogen hat. Vermutlich versucht er gerade zu verstehen wer ich bin und was ich hier mache. Da ich aber an einer unbeleuchteten Stelle sitze und auch meine Kapuze trage, ist es umso schwerer für ihn.

Mein Körper fängt an zu zittern und eine merkwürdige Art von Angst unhüllt mich. Tausend fragen schießen mir durch den Kopf und es fühlt sich alles so falsch an. Wozu ist er hier?

Ich kann seinen Blicken nicht entkommen, sitze wie angewurzelt noch auf dem selben Punkt und weiß selber nicht einmal worauf ich warte.

Wo er merkt, dass nichts von mir kommen wird wagt er einzelne Schritte auf mich zu, die mein Herz schneller schlagen lassen.

Als die Haustür plötzlich aufgeht blicken wir beide in die Richtung und mir eine zu bekannte Person verlässt das Haus. Ich bekomme das Gefühl, als würde sich alles um mich herum drehen und mir wird schlecht. Die Sehnsucht aber auch die Enttäuschung steigt in mir.

Augenblicklich stehe ich vom Bordstein auf, auf dem ich jetzt eine gefühlte halbe Ewigkeit saß. Ich streiche mir den Dreck von der Hose und verschwinde zügig in den Gebüschen hinter mir, noch bevor sie aufmerksam auf mich werden.

Nachdem ich einen kurzen Weg gelaufen bin komme ich am kleinen See an und bleibe dort erstmal stehen.

Meine Beine fühlen sich so weich an und ich bewundere mich gerade dafür, auf ihnen stehen zu können. Mit der einen Hand halte ich mich an der Straßenlaterne fest, die neben mir steht und die andere führe ich langsam zu meinem Brustkorb, der sich unregelmäßig schnell hebt und senkt.

Die 2 Begegnungen waren mir gerade zu viel und ich muss mich erstmal beruhigen. Ich versuche paar Schritte zu laufen und setzte mich auf die Wiese mit dem Ausblick auf den See.

Egal wie sehr mir die ruhige und dunkle Gegend gerade Angst macht, kann ich mich nicht von hier bewegen. Viel zu groß ist gerade der Schock von dem, was ich gerade mitbekommen hatte und viel zu sehr hatten mich die Begegnungen verwirrt.

Mein Bruder, den ich nach einer für mich langen Zeit wieder gesehen hatte sah so kaputt aus. Auch wenn ich ihn nur für einen Augenblick gesehen hatte, konnte ich erkennen, wie sehr auch ihn die Sache mitnahm. Als ich ihn gesehen hatte verdoppelte sich die Sehnsucht in mir, aber auch die Wut und Enttäuschung gegenüber ihm vermehrte sich.

Was mich so sehr verwirren lies war das Treffen der 2 Personen. Kaan und mein Bruder. Der Mensch, der die Ursache für meine momentane Lage war und mein eigener Bruder. Die Fragen stauen sich aber mal wieder kann mir keiner keine einzige davon beantworten.

Das Vibrieren meines Handys erlöst mich von meinen Gedanken. Yasemin ruft mich an, doch ich habe gerade weder die Lust noch die Kraft mit ihr zu sprechen.

Ich schalte mein Flugmodus ein und stehe auf um mich langsam auf den Weg nachhause zu machen. Naja eher gesagt zu meiner Freundin nachhause.

Ich setzte meine Kapuze auf und verstecke meine Hände in meiner Jackentasche. Mit leicht gesenktem Kopf laufe ich den Weg zur Straße hoch, den ich vorher runtergelaufen bin. Die Äste und Büsche machen mir den Weg umso schwerer, trotzdem erblicke ich kurze Zeit später die Häuser.

Vorsichtig betrete ich die Straße um sicher gehen zu können, dass weder Kaan noch mein Bruder noch da sind. Keinem der beiden will ich gerade begegnen.

Ich fange an die leere Straße entlang zu laufen, doch bleibe genauso schnell wieder stehen, als ich meinen Namen höre.

„Büsra?"

Hoffe das Kapitel hat euch gefallen, auch wenn es wieder etwas länger gedauert hat.

Danke fürs lesen❣️

Güven ~ VertrauenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt