Dying Beauty

Zwei: Sophia

Sonntag 08.02.2019      10.19 Uhr

Sophia Blackwolf

Schon von Weitem sah Sophia Blackwolf ihre Freundinnen am Rand des Fußballplatzes sitzen und von Weitem sahen ihre Freundinnen sie kommen. Dass sie ihr seither winkten, war Sophia alles andere als unangenehm. Sie genoss die Aufmerksamkeit, die sie dadurch erhielt. Alle Zuschauer des Fußballspiels sahen in ihre Richtung, da sie sich fragten, wem die Gruppe Mädchen da zuwinkte.

Als Sophia bei ihren Freundinnen ankam, wurde sie von allen umarmt. Bei Zoe hielt sie kurz inne und flüsterte ihr ein: „Tut mir leid", ins Ohr. Viele dachten, nur weil sie beliebt war und eingebildet rüberkam, war sie auch herzlos, doch das stimmte nicht. Natürlich hatte auch Sophia Gefühle, und dass eine ihrer Freundinnen von ihrem Freund verlassen wurde, machte sie traurig. Auch wenn Zoe eigentlich schuld daran war, da sie Alex betrogen hatte, Sophia musste zu ihr halten.

Zoe bedankte sich mit einem leisen: „Danke, aber ich habe es selbst verbockt", als sich die beiden wieder voneinander lösten.

„Ich habe eine gute Idee, wie wir dich aufheitern können." Sophia lächelte leicht. „Wie wäre es mit einem kleinen Fotoshooting? Wir haben noch etwa zehn Minuten, bis die zweite Halbzeit beginnt. Die Challenge ist, bis dahin ein Bild auf Instagram zu posten. Diejenige mit den meisten Likes gewinnt einen Beauty-Nachmittag mit mir." 
Sophia liebte es, sich Challenges auszudenken, in denen sich ihre Freundinnen messen konnten und die Preise brachten sie enger zusammen. Außerdem gewannen ihre Instagram-Profile an Reichweite und die Welt wurde auf sie aufmerksam gemacht. Denn je häufiger man postete und desto mehr Likes man bekam, desto bekannter wurde man. Das Prinzip war ganz leicht.

„Was ist mit dir Sophia? Machst du auch mit?" 


„Klar. Aber seid nicht traurig, wenn ich dann die meisten Likes bekommen werde." 


„Solange du dann nicht den Nachmittag mit dir selbst verbringst." Mary lachte.

„Natürlich nicht." Sophia hob beschwichtigend die Hände und stimmte in das Lachen mit ein. „Also los."

Sophia freute sich schon jetzt auf den Beauty-Nachmittag. Ihr machte es immer sehr viel Spaß, auch mal nur zu zweit etwas zu unternehmen. Ihr war auch vollkommen egal, wer gewann. Eigentlich gönnte sie den Nachmittag jeder von ihnen. Doch wenn sie sich entscheiden müsste, würde sie Zoe auswählen. Sie war in den letzten Tagen durch eine Trennung gegangen und auch wenn Sophia gar nicht wusste, wie sich dieser Schmerz anfühlte, wollte sie ihrer Freundin Trost spenden.

Natürlich hatte sich Sophia auch schon oft von Jungs getrennt. Moritz war bereits ihr fünfter Freund. Doch bis jetzt war sie immer diejenige gewesen, die sich getrennt hatte, da sie keine Lust mehr auf den Jungen hatte. Somit blieb der Schmerz aus und Sophia konnte stattdessen zusehen, wie der Junge wegen ihr litt. Auch das war natürlich nicht ihre Grundintension gewesen, aber sie musste zugeben, es war ein schöner Nebeneffekt. Sie wirkte stark, während sie den Jungen gebrochen hatte.

Dass Zoe wegen eines Jungens traurig war, konnte sie deswegen nicht akzeptieren. Ihre Freundinnen waren starke Frauen, die sich von nichts und niemandem aufhalten ließen. Schon gar nicht von seichten Romanzen. Die Beziehung der beiden war Sophia die gesamten eineinhalb Monate viel zu blumig vorgekommen. Es gab keine Spannungen, nur Kitsch. So etwas konnte auf Dauer nicht halten. Wo blieb denn der Spaß? Zwischen ihr und Moritz sah es eigentlich nie wirklich rosig aus. Zwar wirkte es von außen so, aber ihre Beziehung war von Anfang an nicht harmonisch gewesen. Eigentlich versuchte Sophia es vergeblich, näher an ihn ranzukommen, während er sie im Dunkeln tappen ließ. Gerade dies zog sie an. Was verbarg er vor ihr? Das galt es herauszufinden!
Doch leider hatte Moritz ihr bis jetzt nicht viel verraten und wenn er sich nicht bald öffnete, würde Sophia mit ihm reden müssen. Denn, auch wenn sie es sich selbst nicht eingestehen wollte, sie liebte ihn. Sie liebte seine braunen, strubbeligen Haare, seine Art, wie er mit Menschen umging und das Geheimnisvolle an ihm. Sie wollte mehr über ihn erfahren und eine richtige Bindung zu ihm aufbauen, doch wie sollte sie das schaffen?

„Kommst du Sophia?" Ihre Freundinnen hatten sich bereits auf dem Platz verteilt, um gute Hintergründe und Requisiten ausfindig zu machen. Nur Mary stand noch einige Meter von ihr entfernt und sah sich zu ihr um.

Sophia legte ein Lächeln auf und ging mit einigen Schritten in Marys Richtung. „Natürlich, bin schon da."

Die Freundinnen organisierten sich Fußbälle und schossen so viele Fotos, bis ihnen die Daumen weh taten.

Auch Sophia war nach Ablauf der Zeit sehr zufrieden mit dem Endergebnis. Sie hatte sich einen Ball unter den Arm geklemmt, auf einen anderen hatte sie ihr linkes Bein gestellt. Das Foto verbreitete durch die beiden Bälle ein Strandfeeling, weshalb sie in ihre Beschreibung auf Instagram schrieb: „Die Fußballspiele von @moritz.holin sind für mich wie Urlaub."

Zeitgleich mit ihren Freundinnen veröffentlichte sie ihr Bild.

Nicht eine Minute später kamen die Spieler aus der Kabine aufs Feld. Sophia sah noch ein letztes Mal auf ihr Handy. Bereits einige Leute hatten das Bild geliket und Kommentare geschrieben. Doch sie hatte auch eine DM-Nachricht bekommen, von einem User, der einen Privataccount besaß. Die Kommentare wollte sie sich nachher in Ruhe durchlesen und auf alle einzeln antworten, doch für die Nachricht müsste noch Zeit sein. Also klickte Sophia auf den neuen Chatverlauf.

Der Name des Accounts war eine Zusammensetzung aus -sicher wahllosen- Zahlen und Buchstaben.

Sophia dachte sich nichts dabei. Sie erwartete nur eine liebe Nachricht oder eine Botschaft eines alten Bekannten. Doch was sie dann las, ließ ihr eine Gänsehaut über die Arme laufen.

Ich wünschte, du wärst endlich tot. So fake und hässlich wie du, kann man eigentlich gar nicht sein. Niemand mag dich, nicht einmal deine Freunde.

Das hatte sie nicht erwartet. Sophia hatte noch nie einen negativen Kommentar bekommen, geschweige denn sowas. Sie wusste, dass sie das nicht so ernst nehmen sollte, es war nur ein Mensch. Eine unbedeutende Meinung. Eine Person, die sie vielleicht gar nicht kannte.

Auf Instagram konnte es zu ganzen Hatewellen kommen, dagegen war ein einzelner, negativer Kommentar doch gar nichts.

Doch leider traf es sie härter als erwartet. Unwillkürlich rückte sie ein Stück von ihren Freundinnen ab. Diese Person war im Unrecht! Ihre Freunde mochte sie!

Oder?

Mary stupste sie am Arm, was sie aus ihren Gedanken fahren ließ. „Hast du schon gesehen? Moritz ist kein Kapitän heute. Er sitzt auf der Ersatzbank." 
Dass hatte ihr gerade noch gefehlt. Ein Hater und ihr Freund, der plötzlich ausgewechselt wurde.

Das würde kein schöner Tag werden.

Doch wie war es dazu gekommen? Warum musste Moritz auf der Bank sitzen?