Dying Beauty

Sieben: Tim

Dienstag 10.02.2019    18:37 Uhr

Tim Gewan

Tim trottete, seinen neugekauften Anzug und passende Schuhe in einer Shoppingtüte, durch das fast leere Einkaufszentrum.

Er war auf der Suche nach einem kleinen Geschenk für Annika. Auch wenn sie sich nur zwei Tage nicht gesehen hatten, vermisste er sie und freute sich schon auf den Freitagabend, wenn sie endlich wieder bei ihm war.

Immerhin war einen Tag später Valentinstag, was natürlich auch der Grund war, warum der Schulball seinen Namen trug.

Doch was konnte er seiner Freundin schenken?

Etwas klassisches, wie eine Kette oder einen Blumenstrauß, oder lieber etwas Persönliches wie ein Fotoalbum oder einen romantischen Abend?

Wenn Tim an Annika dachte, fiel ihm die Entscheidung nur noch schwerer. Er kannte seine Freundin und er wusste, dass sie sich über alles freuen würde. Ihr war es nur wichtig, dass es von Herzen kam.

Tim seufzte. Von Herzen. Jetzt lief er schon ein paar Minuten ziellos durch das Einkaufszentrum. Er musste sich irgendeinen Anhaltspunkt suchen. Auch wenn es nur eine Farbe war, die Annika besonders gerne mochte.

Oder ihr Lieblingstier? Lieblingsblume?

Plötzlich kam ihm die Idee. Er könnte ihr eine Kiste zusammenstellen, in der verschiedene Gegenstände in ihrer Lieblingsfarbe enthalten waren.

Das war eine völlig neue – und hoffentlich auch süße – Idee.

Jetzt musste Tim nur noch ganz viele türkisene Kleinigkeiten auftreiben.

Wo sollte er anfangen?

Er sah sich um. Gerade befand er sich vor einer Bäckerei, links war ein Schuhladen, rechts ein Schmuckladen.

Vielleicht würde er im Schmuckladen ein paar Ohrringe, oder einen Ring finden. Es war kein Laden mit teurem Silber- und Goldschmuck, es gab dort Modeschmuck in allen erdenklichen Farben. Das war Annika aber sicher lieber. Sie mochte es, sich die verschiedensten, ausgefallensten Ringe und Ketten zu kaufen.

Mit neuer Energie lief er auf den Laden zu. Seine Idee gefiel ihm, das musste er zugeben.

„Kann ich ihnen helfen?" Im Schmuckladen wurde er von einer Verkäuferin begrüßt. Diese war gerade dabei, ein Paket mit neu angekommenen Sonnenbrillen auszupacken und die Brillen auf einem Ständer zu platzieren.

Tim nickte. „Ich suche nach etwas Türkisenem."

„Egal was?"

Er lächelte. „Ja, Hauptsache Türkis."

„Gestern kamen ein paar neue geflochtene Armbänder bei uns an, da war sicher auch eins in Türkis dabei. Soll ich sie Ihnen zeigen?"
„Das wäre super."

Die Verkäuferin legte ihre Schere zur Seite, mit der sie eben die Schutzhülle um eine Sonnenbrille entfernt hatte. „Eine Sekunde, ich werde es aus dem Lager holen."

„Vielen Dank."

Nachdem die Verkäuferin gegangen war, sah Tim sich weiter um. Er stand gerade bei den Ringen, als zwei neue Personen den Laden betraten.

Tim sah sich zu ihnen um und erkannte, dass es zwei Mädchen aus seiner Schule waren. Mit der einen hatte er Physik und Englisch, mit der anderen Deutsch.

„Hast du schon den neusten Post des Gossip-Blogs gelesen?", fragte Mädchen Nummer eins und setze sich währenddessen eine der neuen Sonnenbrillen auf. Offensichtlich gefiel sie ihr nicht, weshalb sie sie kopfschüttelnd wieder zurückhängte.

„Welchen meinst du? Den über den Bankhack?"

„Nein. Der hier ging erst vor ein paar Minuten online. Ich habe ihn mir durchgelesen, während ich auf dich gewartet habe." Mädchen Nummer zwei nahm das Handy von Nummer eins und begann zu lesen.

Eine Minute herrschte Stille. Tim versuchte möglichst unauffällig weiterhin die Ringe durchzuschauen. Hoffentlich sahen ihn die Mädchen nicht, sonst würden sie ihr spannendes Gespräch womöglich beenden.

Doch leider fingen sie trotzdem nicht wieder an zu sprechen, denn die Verkäuferin kam mit Tims Armband zurück. Die Mädchen sahen ihn an, als die Verkäuferin auf ihn zuging.

„Hier ist das Armband." Sie hielt es ihm hin.

Tim nahm, und betrachtete es. In das gewebte Türkis waren kleine Perlen eingeflochten. Das würde Annika sicher gefallen!

„Super, das nehme ich. Kann ich mich noch kurz bei den Ringen umsehen?"

„Natürlich. Ich lege das Armband schon mal an die Kasse."

Mit diesen Worten verschwand die Verkäuferin wieder bei ihren Sonnenbrillen.

Tim sah sich unauffällig zu den Mädchen um. Sie hatten wieder angefangen, sich zu unterhalten, doch leider konnte er nicht hören, was sie sagten.

Ich will wissen, von was für einem Blog sie da reden. Und was hat es mit diesem Bankhack auf sich?

Tim hatte keine Ahnung wovon die zwei Mädchen gesprochen hatten, doch er wollte es herausfinden. Also ging er die Regalreihen entlang und tat möglichst interessiert an all dem Schmuck.

Endlich hörte er wieder die Stimmen der Mädchen.

„Denkst du wirklich, dass Moritz das getan hat? Er kam mir nie vor wie ein Rebell. Aber von Zoe hätte ich nichts anderes erwartet, nach der Aktion, die sie am Montag gebracht hat."
Und schon wieder ging es um Moritz. Tim wäre am liebsten gegangen, über seinen „besten Freund" hatte er erst einmal genug gehört. Am Morgen hatte Tim versucht, sich bei ihm zu entschuldigen, doch Moritz war mehrfach vor ihm abgehauen.

Mädchen zwei seufzte. „Die arme Sophia. Sowas wünscht man keinem."
„Stimmt. Dass dich deine beste Freundin mit deinem Freund betrügt ist wirklich die schlimmste Form der Hintergehung."
„Oh Gott! Wenn ich nur daran denke! Versprich mir bitte, dass du dich niemals an meinen Freund ranmachst!"

Mädchen Nummer eins lachte über den Gesichtsausdruck ihrer Freundin. „Natürlich nicht. Aber soweit kann es eh nie kommen, da du nie einen Freund finden wirst!", neckte sie.

Mädchen Nummer zwei stieß sie an. „Ey. Du aber auch nicht."
Sie lachten, und gemeinsam verließen sie den Laden.

Tim blieb ratlos zurück.

Was war das denn gerade?

Noch immer hatte er keine Ahnung, von was für einem Blog die zwei Mädchen gesprochen hatten.

Nun würde seine erste Tat zuhause sein, sich an den PC zu setzten, und diesen Blog zu googlen.

Tim schüttelte den Kopf. Das würde Annika sicher gefallen.

Ein Gossip-Blog.

Obwohl sie gesagt hatte, dass sie heute keine Zeit hatte, würde er sie wohl doch noch anrufen müssen, denn diese Information durfte er ihr nicht vorenthalten.

Tim fand schlussendlich noch einen passenden Ring und bezahlte diesen mit dem Armband. Die Kassiererin wünschte ihm noch viel Glück, da er sich mit ihr kurz über seinen Plan mit der farbigen Box unterhielt. Sie riet ihm, die Box gegenüber im Bastelladen zu kaufen. Dort würde sie auch immer ihre Geschenkekisten bestellen.

Tim bedankte sich und ging weiter. Er hatte noch viel vor.