Epilog

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Samstag 14.02.2019 22.00 Uhr

Alexander Wolf


Mila liegt still da. Zu still, um lebendig zu sein. Ihr Leben ist fast vorbei.

Der Teer der Straße, auf der sie liegt, hat sich tief in ihre Handflächen gebohrt. Auf ihrer Stirn klafft eine riesige Platzwunde, ihr Körper ist übersät mit blauen Flecken.

Alexander findet, dass ihre Wunden sie umso schöner machen. Alex, der hier steht, und mit ihr wartet. Wartet, bis sie ihren letzten Atemzug tut, um ihr für immer Lebewohl zu sagen.

Leise schleicht er um sie herum und betrachtet ihren verwundeten Körper, der im Mondlicht glitzert. Sie ist schön. Sehr schön.

So hätte sie nicht sterben sollen. Sie hatte einen besseren Tod verdient. Aber es musste sein. Sie musste sterben.

Noch vor wenigen Stunden tanzte sie durch den Ballsaal (dachte Alex zumindest ...) und fühlte sich frei, doch jetzt war ihr Leben vorbei. Ihr letzter Tanz war getanzt, ihr letztes Lachen war gelacht. Er hatte sie abgefangen, als sie den Ball verließ. Natürlich hatte er nicht den Mut aufgebracht, sie anzusprechen, doch er hatte sie beobachtet. Sie war nicht mehr gut gelaunt gewesen, sie weinte. So hatte sie noch keiner gesehen.

Er hatte ihr eine Nachricht geschrieben, um mit ihr zu reden. Er wusste, dass sie das Banknetzwerk gehackt hatte. Er hatte ihr die Nachricht geschrieben, um ihr die Wahrheit über Zoe zu erzählen.

Auch wenn Alex Mila nicht gut kannte, hatte er sie schon immer bewundert. Er hatte schon immer etwas Besonderes in ihr gesehen.

Als er sie eben weinend den Ball verlassen sah, war er bedrückt. Seine Mila sollte nicht weinen.

Doch er ahnte schon immer, dass es diese Seite an ihr gibt. Er liebt sie sogar noch viel mehr. Dieses Gefühlschaos und ihr gebrochener Blick.

Sie atmet nur noch einmal die Minute. Gleich wird es vorbei sein. Gleich ist sie tot.

Er beobachtet, wie ihr Brustkorb sich immer unregelmäßiger hebt und senkt.

Und dann hört es auf. Kein Heben und Senken, nur Stille.

Sie ist tot.

Er dreht noch eine Runde um ihren Körper, bis er sich schließlich abwendet und davonläuft.

Sie bleibt alleine zurück. Sie, und die Erinnerung an diesen Abend.

Alex weiß nicht genau, wohin mit sich. Er hat noch so vieles zu erledigen. Doch zurück zum Ball kann er nicht. Dafür hat er zu viel gesehen. Außerdem fragt er sich noch immer, ob die Sirene der Polizei bis zu ihnen kommen würden. Seit fast einer Stunde hallten sie laut durch die Nacht.

Es fängt an zu regnen und Milas wunderschönes, reines Kleid saugt das Wasser auf. Auch ihre weißen Haare, die ihr offen über ihr verwundetes Gesicht fallen, werden klatschnass. Doch es ist egal, denn Mila ist sowieso schon tot.

Der Regen wäscht das Blut ab, was ihren Körper zuvor rot tränkte. Es fließt fort von ihr, hinein in die Abwasserkanäle der Stadt. Dort wird es für immer bleiben. Sie kann es nicht mehr aufhalten, ihr Blut wird sie für immer verlassen.

Sie ist schon tot. Sie braucht es nicht mehr.

Irgendwann später taucht die Polizei auf, macht Fotos von der Leiche und nimmt Mila für immer mit sich. Nun ist die Stelle, auf der sie noch kurz zuvor gelegen hatte, leer. Sie ist weg, ihr Blut ist weg. Auch die Tatwaffe, ist weg. Alex hatte sie mitgenommen, als er ging.

Alles ist weg. Man könnte meinen, der Mord wäre nie passiert.

Doch die Erinnerungen an diese Nacht bleiben für immer ... 

Dying BeautyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt