Zehn: Moritz

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Mittwoch 11.02.2019     19:54 Uhr

Moritz Holin


Moritz hatte an diesem Abend ein ähnliches Gespräch wie seine Exfreundin Sophia Blackwolf.

Zusammen mit seinen Eltern saß er am Essenstisch und starrte in seine Suppe, während seine Eltern ihm erklären wollten, dass in seinem Leben einiges falsch lief.

Bis jetzt hatte er noch kein Wort gesagt. Er hatte auch keine Chance dazu. Seit zehn Minuten äußerte seine Mutter durchgängig Vorwürfe. Auch sein Vater hatte bisher nur ein paar Mal mit dem Kopf genickt und sich sonst bedeckt im Hintergrund gehalten.

Nun war es Moritz aber langsam genug. Seine Mutter wusste ja gar nicht, was in seinem Privatleben so los war. Sie sah nur die vielen Vieren auf seinem Zeugnis.

Nun war sie an einem Punkt angekommen, an dem sie ihre Argumente nur noch wiederholen konnte. „Du wirst doch niemals einen Job finden mit so einem schlechten Abitur! Ach, was denke ich da. Du wirst es erst gar nicht bestehen mit deinen Noten! Weißt du, wie erniedrigend das für unsere Familie ist?"

Nun war es Moritz endgültig genug. Er stand auf und brüllte: „Ich habe es verstanden. Ihr seid enttäuscht von mir."
Seine Mutter verengte die Augen zu Schlitzen. „Du schreist mich nicht an!"

„Doch, ich schreie dich an! Weil du ja sonst nicht aufhört mir Mist zu erzählen!"

„Es ist die Wahrheit."
„Ja, vielleicht ist es die Wahrheit, aber weißt du was? Es ist mir egal!"

Sein Vater äußerte sich nun auch endlich mal. „Also ist dir deine Zukunft egal?"
„Nein, aber ich kann an meiner Situation gerade nichts ändern! Ihr wisst, was ich in meiner Zukunft machen möchte. Ich will Fußball spielen! Und da helfen mir gute Noten auch nicht weiter."
Seine Mutter war mittlerweile rot angelaufen. „Du weißt, was ich von diesem Traum halte."
„Ja, und es ist mir egal!" Moritz war kurz davor, einfach den Tisch umzuschmeißen, um seinen Eltern eine Demonstration davon zu geben, wie wütend er war.
Doch auch seine Mutter hielt es nun nicht mehr aus. „Dieser Traum wird für immer ein Traum bleiben!"

Das brachte das Fass zum überlaufen. Plötzlich war Moritz nicht mehr wütend.

Nein, er war traurig.

Denn die Worte seiner Mutter waren die gleichen bösen Gedanken, die ihn die letzten Wochen über heimgesucht hatten.

Dieser Traum wird für immer ein Traum bleiben!

Moritz wollte Fußballer werden, doch nun saß er nur noch auf der Ersatzbank. Statt nach den Sommerferien von seinem Team in eine noch bessere Mannschaft zu wechseln, würde er sich nun erst wieder einen Platz in der Stammelf erkämpfen müssen.

Sein Traum rückte damit in weite Ferne ...

Seine Eltern führten ihm sein Scheitern vor Augen und das schmerzte so sehr! Gefühle fluteten seine Gedanken und er zeigte plötzlich eine Reaktion auf all seinen Schmerz.

Moritz fing an zu weinen. Es waren keine Tränen, die sanft über deine Wange kullerten. Nein. Aus seinen Augen löste sich ein ganzer heißer Wasserfall, der sich über seinem Gesicht und dann auch über seinem Pulli ergoss.

Es weinte nicht leise. Nein. Er weinte laut. Schluchzer und Beben erschütterten seinen Körper.

Seine Mutter hatte verdammt noch mal recht! Er würde es niemals schaffen, ein Fußballstar zu werden!

Plötzlich landeten seine Tränen nicht mehr auf seinem eigenen Oberteil, sondern auf dem seiner Mutter. Sie hatte ihn in eine Umarmung gezogen und hielt ihn nun ganz fest.

Und Moritz ließ sich fallen.

Er weinte um seine Beziehung mit Sophia, die er durch seine Aktion mit Zoe kaputt gemacht hatte. Er weinte um seine Noten, die momentan wirklich in den Keller sanken, aber vor allem weinte er um den Traum, etwas im Fußball erreichen zu können. Denn das war schon immer das wichtigste gewesen.

„Es tut mir leid", flüsterte seine Mutter heiser, „Ich wollte dir nicht wehtun. Wir schaffen das schon."

„Nein." Moritz schüttelte den Kopf. „Ich schaffe das nicht mehr. Es ist zu spät!"

Sein Vater hatte sich nun ebenfalls nach vorne gelehnt um über den Tisch nach Moritz' Hand zu greifen. „Soll ich nochmal mit dem Trainer reden? Ihm sagen, was dir der Fußball bedeutet?"
Moritz wischte sich über die Augen. „Nein, den anderen geht es doch genauso. Tim, also der neue Kapitän, kam extra zu uns, um eine bessere Chance auf eine Karriere zu bekommen."
Seine Mutter begann nun damit, ihm die Tränen zu trocknen. „Was können wir dann tun?"

„Seid einfach das nächste Mal für mich da, wenn ich euch brauche." Er sagte es nicht strafend. Er konfrontierte seine Eltern nicht damit, dass sie in letzter Zeit nicht für ihn da waren, aber er bat sie, es in Zukunft zu sein.

Beide nickten. „Aber natürlich."

Moritz erhob sich. „Danke."
„Wo gehst du jetzt hin?", seine Mutter blickte zu ihm auf. „Du hast deine Suppe noch gar nicht aufgegessen."

„Ich brauche kurz Zeit für mich. Ich komme gleich wieder", versprach er.

Das war nicht gelogen. Moritz wollte jetzt kurz alleine sein, um die Situation zu verarbeiten. Er konnte noch immer nicht glauben, dass sich seine Eltern bei ihm entschuldigt hatten.

Würden sie sich nun wirklich daran halten, und ihn bei allem unterstützen? Würden sie sich endlich seine Fußballspiele ansehen und ihn anfeuern?

Das klang viel zu gut, um wahr zu sein.

Während sich Moritz das fragte, ging er ins Bad, wischte sich die restlichen Tränen aus dem Gesicht, schnäuzte einmal in ein Taschentuch und kam dann wieder in die Küche.

Daraufhin aß er zuversichtlich seine Suppe auf. Jetzt würde endlich alles gut werden. 

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