Elf: Moritz

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Donnerstag 12.02.2019 07:22 Uhr

Moritz Holin


Moritz wusste nicht, ob er sich freuen oder weinen sollte, als er Sophia alleine in der Klasse sitzen sah.

Sie sah viel kleiner und verletzlicher aus als früher.

Er wusste zwar, dass sie beide sich in den letzten Tagen verändert hatten, doch dass es bei Sophia soweit ging, dass man ihr die Veränderung auch ansah, hatte er nicht erwartet.
Während er sich aus seinem Trotz gekämpft und verstanden hatte, dass er mehr für seine Träume kämpfen musste, hatte Sophia lernen müssen, mit Zurückweisung umzugehen.

Beide hatten gemerkt, dass sie doch mehr füreinander empfanden, als sie ursprünglich angenommen hatten. Und dass erst, als ihre Beziehung bereits zu Ende war.

Beide versuchten gerade, ein besserer Mensch zu werden. Doch die Frage war, ob sie dies besser gemeinsam oder alleine schafften.

„Hey, wie geht es dir?", fragte Moritz, während er sich auf den Platz neben Sophia fallen ließ.

„Ganz gut und dir?", Sophia schenkte ihm ein Lächeln.

„Auch gut". Moritz machte eine kurze Pause, doch dann sagte er mutig: „Ich habe den Eintrag über diesen Instagram-Hater auf mitten-unter-euch gelesen. Doch vorher hatte ich schon ein Kommentar unter deinem neuen Foto entdeckt. Es geht in dem Eintrag um dich, oder? Du hast die E-Mail geschrieben."

Sophia nickte nur, doch ihre Hände hatten sich um den Tisch vor ihr gekrallt. Sie fühlte sich angespannt. Moritz merkte, dass sie nicht sicher war, ob sie es gut oder schlecht fand, dass er darüber Bescheid wusste. Moritz merkte, wie unsicher sie war.

„Ich werde einen Kommentar unter den Post des Blogs schreiben. Dann wird jeder sehen, dass es sich um dich handelt und vielleicht können wir so den Hater ausfindig machen." Moritz merkte, wie verkrampft Sophias Finger auf dem Tisch lagen und legte seine Hand über ihre. Er wollte ihr damit Kraft schenken und er hoffte, dass sie die Geste verstand.

Aufmunternd lächelte er sie an. „Vielleicht schließt sich uns ja auch dieser Hacker an."

Das ließ Sophia lächeln. Sicher würde sich das bankausraubende Superbrain nicht dazu bereit erklären ihren Hater zu finden. Doch Moritz' Wunsch war süß.

„Manchmal denke ich, die beiden Unbekannten sind die gleiche Person. Immerhin lässt sich die Instagramseite nicht blockieren und muss somit auch gehackt worden sein", erklärte Sophia. Dabei entspannte sie ihre Finger und drehte sie um, so dass sie nun statt dem Tisch, Moritz warme Hand an ihrer spürte.

Dieser überlegte laut: „Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Vielleicht hast du recht. Zusammenpassen würde es." Ihre Finger verflochten sich ineinander.

Moritz wusste nicht, was er sonst noch dazu sagen sollte, doch Sophia wieder so nah an sich zu spüren, ließ ihn umdenken.

Er dachte plötzlich nicht mehr an Lügen und Geheimnisse, sondern nur noch an das Mädchen, was da neben ihm saß und endlich wieder seine Hand hielt.

„Es tut mir leid Sophia", flüsterte er leise. Er wartete, bis sie seinen Blick gefunden hatte und ihn durchdringlich ansah, bis er weitersprach: „Es tut mir leid, dass ich etwas mit Zoe angefangen habe." Das war's. Es kam kein: Aber wir waren beide verletzt und verwirrt. Oder: es hat nichts bedeutet.

Moritz bereute es wirklich und ohne aber.

„Mir tut es auch leid." Sophia seufzte. „Ich habe unsere Beziehung nicht ernst genommen, weil ich dachte, dass wir sowieso für immer zusammenbleiben. Ich habe nur die Vorteile gesehen und nicht darüber nachgedacht, dass es auch Schattenseiten in unserer Beziehung gab. Ich habe erst gemerkt, dass ich dich verliere, als es schon zu spät war."

„Du wolltest für immer mit mir zusammenbleiben?", er lächelte verschmitzt.

Sophia biss sich auf die Lippe. „Ja ... Ich dachte, wir wären das perfekte Paar. Dabei haben wir einander nur benutzt. Ich konnte in meiner Rolle als Königin authentischer wirken mit einem König an meiner Seite und du bist so Kapitän im Fußball geworden. Sogar die Einladung zum Valentinsball haben wir nicht für uns auf dem Schulhof wie ein Theaterstück präsentiert, sondern für die Augen der anderen. Es tut mir so leid, dass du dich dazu verpflichtet gefühlt hast, uns so zu präsentieren. Dabei wolltest du doch nur in Ruhe Fußball spielen. Und auch diese Aktivität habe ich dir kaputt gemacht, in dem ich auf dem Platz immer schlechte Stimmung verbreitet habe. Die Co-Trainerin hasst mich und lässt dich deshalb sicher erst mal nicht mehr als Kapitän spielen."

Moritz wollte eigentlich nicht mehr an seine Taten erinnert werden. Da er nun mit seinen Eltern offen über seine Träume sprach, versuchte er nicht mehr in der Vergangenheit, sondern in der Zukunft zu leben.

Das galt auch für Sophia. Nachdem er sich nun endgültig und ehrlich entschuldigt hatte, wollte er es noch einmal mit ihr versuchen.

Doch Moritz hatte Angst. Er hatte Angst davor, dass Sophia zu schnell wieder in ihre alten Muster verfallen würde. Dass sie nur wieder mit ihm zusammen sein wollte, um auf dem Ball eine gute Figur zu machen.

Er war Sophia fremd gegangen und sie hatte ihm das viel zu schnell verziehen. Für die meisten wäre das eine unverzeihliche Tat, die Paare für immer auseinanderbrechen ließ. Doch Sophia war schon ein paar Tage später nicht mehr sauer auf ihn.

Moritz wollte nicht wieder benutzt werden. Und er wollte seine Position in der Mannschaft nicht zurückbekommen, nur weil er wieder mit einem Mädchen ausging. Er wollte sich seine Träume erkämpfen.

Doch dann sagte sie so schöne Dinge wie gerade eben. Sie versuchte ihn aufzubauen und vermittelte das Gefühl, dass sie ihn wirklich brauchte.

„Was denkst du gerade?", fragte Sophia, die ihn noch immer mit ihren großen braunen Augen ansah.

„Ich ... ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist." Schnell entzog er ihr seine Hand.

Sophia sah betroffen aus, als er sich abwandte und zurück auf seinen eigenen Platz ging.

Verwirrt sprach Moritz aus, was er gerade dachte: „Es tut mir leid, ich hätte das nicht tun sollen. Ich bin noch nicht soweit."

„Ist schon in Ordnung. Ich habe verstanden. Du kannst mir noch nicht wieder trauen."
Moritz seufzte. „Ich würde es so gerne. Ich würde zu gerne glauben, dass du dich wirklich geändert hast, doch ich kann es noch nicht."

„Was kann ich tun, um es dir zu beweisen?", bettelte Sophia.

Ja, sie bettelte. Eigentlich war der Beweis dafür, dass sie ihre Worte ernst meinte.

„Gib mir noch ein paar Tage Zeit." Moritz wandte sich ab. Er konnte den zerstörten Gesichtsausdruck seiner Ex-Freundin nicht länger ertragen. Er konnte ihr gerade noch nicht geben, was sie brauchte.

Es klingelt. Sie zuckten beide zusammen, als im nächsten Moment die Tür aufgerissen wurde und einer ihrer Mitschüler hereinkam.

Er begrüßte Moritz und ließ sich neben ihm nieder.

Moritz versuchte, seine Gesichtsmuskeln unter Kontrolle zu haben. Er wollte wirklich nicht, dass sein Freund merkte, dass etwas mit ihm nicht stimmte.

Doch das Gespräch mit Sophia ging ihm einfach nicht aus dem Kopf. Den ganzen Tag noch dachte er darüber nach. 

Dying BeautyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt