Vier: Isabella

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Montag 09.02.2019    7:31 Uhr

Isabella Goldbaum


Der Regen schlug gegen die Scheibe des Busses. Isabella saß auf einem der vorderen Fensterplätze und beobachtete, wie die Tropfen an der Scheibe hinunterrutschten.

Automatisch fühlte sie sich an den Samstagabend erinnert, an dem sie auch über die Regentropfen nachgedacht hatte. Samstag fühlte sich schon wieder so weit weg an.

Seitdem war so viel passiert.

Isabella seufzte schwer und nahm dann einen Schluck von ihrem Tee, den sie in einer Thermoskanne auf ihrem Schoß abgestellt hatte.

Gestern war echt anstrengend gewesen. Nichtsahnend war sie beim Fußballspiel angekommen und wollte gerade den Trainer begrüßen, als Sophia Blackwolf auf sie zu gerannt kam. Nachdem sie kurze Zeit versucht hatte, sie zu verteidigen, war Moritz Holin aufgetaucht und hatte Sophias Wut auf sich gelenkt. Das war ihr Glück gewesen.

Auch nach dem Streit hing noch lange Zeit schlechte Luft über dem Sportplatz. Kein Team schaffte es, ein Tor zu schießen und so verlor Jackys Mannschaft mit null zu eins.

Isabella wusste, wie aufgewühlt Jacky nach dem Spiel gewesen war. Sie hatte sie auf ein schönes Fußballspiel gefreut und bekommen hatte sie Zickenkrieg und dicke Luft.

Isabella hätte damit sicher besser umgehen können. Sie hätte einfach den Mund zugemacht und sich aus allem rausgehalten. Aber Jacky war nicht so. Sie musste ihre Meinung kundtun und wenn Sophia damit ein Problem hatte, war das ihre Sache.

Wieder nahm Isabella einen Schluck aus ihrer Kanne. Der Tee schmeckte nach warmem Apfelsaft. Süß, mit einem Schuss Honig, den sie zu Hause dazugegeben hatte. In wenigen Minuten würde der Bus ankommen und Isabella konnte endlich mit Mila reden. Natürlich nicht über das Fußballspiel, denn davon durfte Mila nichts erfahren. Doch über den Ball und die üblichen Themen, wie Schule, Bücher, Filme oder Serien konnte sie mit Mila reden.

Wobei Mila daran wohl mehr Interesse hatte, als Isabella selbst. Wenn sie nur an den Ball dachte, wurde ihr schlecht.

Wieder wollte Isabella einen Schluck von ihrem Tee nehmen, doch in diesem Moment hielt der Bus an und Isabella senkte die Kanne wieder. Sie wollte den Tee ja nicht über sich kippen.

Während sich die meisten Schüler sofort auf den Weg nach draußen machten, um der Hitze und dem dichten Aufeinander-Stehen im Bus zu entkommen, blieb Isabella noch eine Zeit sitzen.

Sie packte den Tee zurück in ihren Rucksack und erhob sich dann langsam. Als sie am Busfahrer vorbeilief, schenkte sie ihm ein Lächeln. Dieser erwiderte die Geste.

Es war fast schon ein tägliches Ritual der beiden. Immer, wenn Isabella sah, dass dieser Busfahrer ihren Schulbus fuhr, wartete sie extra lange, um ihm ein Lächeln zu schenken.

Sie wusste, dass er es nötig hatte, dafür hatte sie ihn oft genug beobachtet.

Wobei, wenn man so darüber nachdachte, war es wahrscheinlich eher Jacky gewesen, die ihn da beobachtet hatte. Isabella übernahm dann nur den Part, ihn anzulächeln.

Der Busfahrer sah die meiste Zeit leider sehr griesgrämig drein. Er kontrollierte mit zusammengebissenen Zähnen die Fahrkarten und wenn jemand ein Ticket bei ihm kaufen wollte, war er sofort genervt. Irgendetwas lief in seinem Leben falsch und deshalb lächelte Isabella ihn an. Sie wollte ihm Hoffnung und Mut schenken.

Bis jetzt hatte das zwar leider noch nichts genützt, doch Isabella gab die Hoffnung nicht auf.

Als sie schließlich an ihm vorbeigelaufen und aus dem Bus ausgestiegen war, sah sie sich um. Wo war Mila?

Sie hatten die erste Stunde Mathe montags zusammen und deshalb holte Mila sie meist von ihrem Bus ab. Sie selbst fuhr mit einem anderen. Obwohl die beiden Freundinnen nur etwa fünf Geh-Minuten auseinander wohnten, gab es zwei verschiedene Bushaltestellen mit verschiedenen Buslinien, die sie morgens auf schnellstem Weg zur Schule brachten.

„Nein, du hörst mir jetzt zu!" Laute Rufe rissen Isabella aus ihren Gedanken.

Neben ihr standen Sophia und Moritz, doch statt sich wie üblich abzuschlabbern, standen sie mit verschränkten Armen voreinander und brüllten sich an.

„Ich will mit dir nichts mehr zu tun haben. Du hast mich vor aller Welt gedemütigt!"

„Denkst du, du hast mir einen Gefallen getan, mit dem, was du Jacky erzählt hast. Nein, DU hast MICH gedemütigt."

„Natürlich habe ich dir einen Gefallen getan. Wegen mir wollte Jacky dich wieder spielen lassen."

Isabella kämpfte mit sich. Jacky wollte Sophia anschreien. Erstens hatte sie nie zugestimmt, Moritz wieder spielen zu lassen und zweitens hatte sie ihr das Fußballspiel am Sonntag kaputt gemacht. Die einzigen Stunden in der Woche, in denen Jacky ihren gemeinsamen Körper übernehmen durfte, waren die Stunden beim Fußball.

„Ich habe genug von dir Sophia. Du kannst mich mal!"

„Oh nein, ICH bin diejenige, die genug von dir hat! Das war's! Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben!"

Sophia drehte sich um und ging mit schnellen Schritten davon.

Moritz' Stimme wurde nochmal um einiges lauter, als er ihr hinterherschrie: „Fick dich doch!"

Als Jacky nun doch Isabellas Gedanken übernahm, musste diese grinsen.

Offensichtlich hat unser Traum-Couple es doch nicht geschafft, die Zwei-Monatsgrenze zu überschreiten. 

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