Vierzehn: Mila

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Samstag 14.02.2019 18:44 Uhr

Mila Fossile


Die Bäume flogen am Fenster des Autos vorbei, genau wie die letzten Tage an Mila vorbeigeflogen waren. Sie konnte sich noch viel zu gut daran erinnern, wie sie am Samstag ihren ersten Hackauftrag angenommen hatte. Seitdem hatte sich so vieles verändert.

„Bist du schon aufgeregt?", fragte Lena, die vorne auf dem Beifahrersitz saß. Gemeinsam mit Maik fuhr sie Mila zum Ball. Eigentlich wollte ihr Vater diese Aufgabe übernehmen, doch sie hatten Lena nicht von ihrer Idee abbringen können. Sie war der festen Überzeugung gewesen, dass der heutige Abend der beste in Milas ganzem Leben werden würde, nur weil es bei ihr der Fall gewesen war.

In der Zeit, als Lena auf dem Fuchsbachgymnasium gewesen war, hatte ebenfalls ein Valentinsball stattgefunden. Lena war ohne große Hoffnung, und ohne Tanzpartner aufgebrochen. Mila konnte sich noch genau daran erinnern, wie schlecht gelaunt sie gewesen war.

Doch als sie wiederkam, strahlte Lena durchgängig. Sie hatte an diesem Abend Maik kennengelernt und sich sofort in ihn verliebt. Mila verstand, dass ihre Schwester hoffte, dass dieses Märchen auch für sie wahr wurde, doch Mila war sich da nicht so sicher. Sie hatte eigentlich vor, die Zeit mit Isabella zu verbringen. Zum einen wollte sie ihre Freundin um sich haben, aber andererseits musste sie sie auch unterstützen. Denn sicher würde der ein oder andere Mitschüler versuchen herauszufinden, wer den neuen Gossip-Blog leitete.

Mila fiel auf, dass sie ihrer Schwester noch immer nicht geantwortet hatte. Lena wollte wissen, ob sie aufgeregt war. „Geht so."

Dann sah sie wieder aus dem Fenster. Milas Finger schlugen jedoch unkontrolliert gegeneinander. Es war eine leichte Form des Zitterns, weshalb Lena annahm, dass ihre Schwester wohl doch aufgeregt war. „Aha", kommentierte sie deshalb.

„Stress doch deine kleine Schwester nicht so". Maik sah Mila durch den Rückspiegel an und schenkte ihr ein Lächeln. „Nur weil du in ihrer Situation den attraktivsten Mann der Welt kennengelernt hast, muss bei ihr nicht das Gleiche passieren.

„Vielen Dank Maik", pflichtete Mila ihm bei.

Während der gesamten Autofahrt lief das Radio. Bis eben wurde nur Musik gespielt, doch nun verkündete eine Sprecherin, dass es Zeit für die Nachrichten war.

In den neusten Ermittlungen im Fall des Bankhackers, der zurzeit sein Unwesen treibt, fand die Polizei nun etwas Entscheidendes heraus.

„Oh, stell das lauter", forderte Maik seine Freundin auf. Lena drehte an dem kleinen Knopf, der die Lautstärke regelte.

Zufolge der Polizei soll nun klar sein, dass der Hack aus der näheren Umgebung erfolgte. Der Computer des Täters konnte noch nicht geortet werden, doch anhand der IP-Adresse konnte ein Bereich eingedämmt werden, der sich im Umkreis von zehn Kilometer um unser bescheidenes Städtchen zieht.

Fast hätte Mila laut aufgeflucht. Im Gegensatz zur ganzen Welt, die ihr bis eben als Schutzschild diente, waren zehn Kilometer nicht mehr viel. Wenn die Polizei es schaffte, den Bereich weiter einzudämmen, würden sie Mila womöglich bald schnappen.

Schnell rutschte sie in ihrem Sitz weiter nach unten. Plötzlich fühlte sie sich beobachtet. Innerhalb des zehn Kilometer-Radius war sie nicht sicher!

„Ich hoffe, sie schnappen den Hacker bald", sagte Maik.

„Oh ja."
Mila gefror das Blut in den Adern. Natürlich wusste ihre Schwester von nichts, doch von einer Person, die ihr Nahe stand, zu hören, dass sie im Gefängnis landen sollte, traf Mila.

Sie wusste, dass sie den beiden eigentlich antworten musste. Dass sie ebenfalls bekanntgeben musste, dass der Hacker hinter Gitter gehörte. Doch sie konnte es nicht. Sonst wäre sie in Tränen ausgebrochen.

Diese Nachricht zu hören, hatte ihr den Rest gegeben. Nun wollte sie auf keinen Fall mehr auf den Ball, sondern wieder nach Hause, und sich in ihrem Bett verkriechen. Doch sie wusste, dass sie das nicht machen konnte. Sie konnte ihrer Schwester keinen Grund liefern, warum sie plötzlich wieder nach Hause wollte. Leider konnte sie nicht sagen, dass sie Angst vor dem Hacker hatte, denn er lief nicht wie ein Serienmörder bewaffnet auf der Straße herum.

„Ist alles in Ordnung?"

Mist! Ihre Schwester hatte leider bemerkt, dass etwas nicht stimmte.

„Ich ...", Mila suchte nach den richtigen Worten. Außerdem versuchte sie noch immer, nicht gleich in Tränen auszubrechen. „Ich fühle mich gerade nicht so gut." Das war immerhin die Wahrheit.

„Doch aufgeregt?", Lena neigte ihren Kopf und sah sie mitfühlend an.

Mila nickte nur.

„Es wird sicher alles gut werden. Du musst ja nicht deinen Seelenverwandten finden. Hauptsache du hast Spaß mit Isabella und deinen anderen Freunden."

Mila schenkte ihr ein dankendes Lächeln.

Als sie ein paar Minuten später aus dem Auto ausstieg, hatte sie sich zumindest oberflächlich wieder beruhigt. Sie würde den heutigen Tag überleben, in dem sie eine gleichgültige Mine aufsetzte und auf keine Kommentare zu ihren Hacks einging. Das war nun ihre Devise. 

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