Drei: Moritz

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Sonntag 08.02.2019                10.42 Uhr

Moritz Holin


Die zweite Halbzeit des Spiels war mittlerweile im vollen Gange. Dass Moritz' Team mit einem Tor im Rückstand lag, schien die Mannschaft nur noch mehr zu motivieren. Alle spielten super. Sie passten sich gegenseitig, riefen sich Mut zu und unternahmen keine Solo-Aktionen. Sie arbeiteten nicht gegeneinander, sondern miteinander. So gut, wie sie es schon lange nicht mehr geschafft hatten.

Moritz gähnte. Seiner Mannschaft von der Bank aus zuzusehen war leider weniger spannend, als mit auf dem Feld zu stehen. 


Wenn Blicke töten könnten, wäre Tim an diesem Vormittag schon mehrere Male gestorben. Moritz' Blick bohrte sich jedes Mal tief in Tims Haut, wenn dieser ihm den Rücken zuwandte.

Wie konnte man einen Menschen so sehr hassen, den man nicht mal eine Woche kannte? Wobei kennen zu viel gesagt wäre. Moritz wusste nicht einmal seinen Nachnamen.

Er versuchte, trotzdem so auszusehen, als wäre er voll bei der Sache, doch das misslang ihm zutiefst. Während die anderen Teamkameraden, die mit ihm auf der Bank saßen, den Spielern auf dem Feld zujubelten, saß er daneben und schmollte.

Immer wieder wiederholte er dieselben drei Worte in seinem Kopf. Tim muss weg. Tim muss weg. Tim muss weg.

Sein Mantra hallte durch seine Gedanken, doch plötzlich nahm er auch eine weitere Stimme deutlich war. Diese Stimme kannte er nur zu gut, denn sie gehörte zu der einen Person, welche sich wirklich in alle seine Angelegenheiten einmischen musste.

Sophia.

„Aber sehen sie nicht, dass sie ohne Moritz das Spiel verlieren werden?" Sophias Stimme stach wirklich aus der Menge heraus. Sie war lauter, schriller und schnitt durch die Luft wie ein besonders spitzer Pfeil.

Jacky, die Co-Trainerin war nun auch angekommen und so wie es aussah, hatte sie keine Chance gehabt, auch nur ihre Tasche abzustellen. Sophia war wohl sofort zu ihr gekommen, um sie zur Rede zu stellen.

Wieder seufzte Moritz als er sich schließlich von der Bank erhob und auf die Beiden zuging.

Jacky hörte Sophia aufmerksam zu, während diese von Moritz' vielen Vorteilen gegenüber Tim berichtete. Schließlich bekam sie die Gelegenheit zu antworten. „Ich verstehe, dass du für deinen Freund Partei ergreifst, aber ich habe diese Entscheidung wohlüberlegt getroffen. Wir haben Tim nicht nur bei diesem einen Training gesehen, sondern sind auch an den beiden letzten Samstagen auf Spiele seiner alten Mannschaft gefahren. Moritz war in der letzten Zeit nicht gut und deshalb mussten wir ihn austauschen."

Sophias Gesicht verlor alle Farbe. Man sah ihr an, wie wütend sie war.

Moritz ging langsam weiter, doch eigentlich wollte er jetzt noch nicht eingreifen.

Eigentlich war er einmal froh darüber, dass Sophia für ihn Partei ergriff. Wenn er Glück hatte, würde sie Jacky dazu bringen, ihn wieder spielen zu lassen.

„Du verstehst einfach nicht, wie viel Moritz die Position als Kapitän bedeutet." Jetzt legte Sophia einen sanften Gesichtsausdruck auf. Was hatte sie vor? „Moritz hat kein sehr enges Verhältnis zu seinen Eltern. Zu Hause wird er kaum beachtet und deswegen liebt er es so sehr, dass sich beim Fußball alles um ihn dreht."

Ok, das war genug. Sophia sollte ihn verteidigen, aber sie sollte auf keinen Fall so tun, als sei er hilflos. Das verkraftete sein Stolz nicht.

Vielleicht hatte er nicht das engste Verhältnis zu seinen Eltern, aber so schlimm wie Sophia es darstellte, war es nun auch wieder nicht.

„Hey!" Seine Schritte beschleunigten sich, als er auf Sophia und Jacky zuging. „Das reicht."

Sophias Gesicht hellte sich auf, als sie ihn sah. „Siehst du Jacky, Moritz braucht das Rampenlicht. Und dieses wird ihm nur beim Fußballspielen geschenkt. Wenn ein Leben so dunkel ist wie seins, sollte man ihm nicht seine letzte Lichtquelle nehmen."

„Halt doch einfach die Klappe!", schrie Moritz. „Du hast doch keine Ahnung, wie es mir geht. Du interessierst dich nur dafür, wie meine Ausrangierung bei deinen Freundinnen ankommt! Ich war dein Freund, weil ich der Fußballstar war und nun, wo ich es nicht mehr bin, musst du so tun, als sei ich dir wichtig, nur um mich wieder zurück ins Team zu bringen. Alles nur, um deinen guten Ruf zu bewahren."

Sophia lächelte angespannt und stupste Moritz am Arm an. „Was redest du da nur für einen Unsinn. Natürlich bist du meine Priorität. Du bist mir wichtig und ich wollte Jacky nur zeigen, dass du auch wichtig für das Team bist."

„Damit hast du aber leider leicht übertrieben. Das Team braucht mich nicht mehr!"


„Natürlich braucht dich deine Mannschaft. Ihr liegt doch ein Tor hinten. Und außerdem brauche ich dich." Wieder stupste Sophia ihn am Arm. Vielleicht sollte es süß und hilfsbereit wirken, doch Moritz machte es aggressiv.

„Du brauchst mich? Tja, ich brauche dich nicht!"

Damit hatte er vielleicht übertrieben, doch es war ihm in diesem Moment egal. Sophia war ihm egal

Dying BeautyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt