Montag 09.02.2019 09:17 Uhr
Tim Gewan
Vor kurzer Zeit hatte die Pause begonnen. Bis jetzt hatte sich Tim Gewan jedoch noch keinen Zentimeter in Richtung des Ausgangs seines Klassenraums bewegt.
Er saß auf seinem Stuhl, das Pausenbrot lag in einer Dose auf dem Tisch. Nach und nach leerten sich die Reihen der Klassen, doch Tim blieb sitzen.
Er saß, kaute und dachte. Keiner hielt ihn davon ab, denn keiner sprach mit ihm.
Bis jetzt hatte sich Tim in der neuen Schule noch keine Freunde gemacht und auch wenn er es Annika gegenüber nie zugeben würde, machte es ihm zu schaffen. Auf seiner alten Schule war er immer sehr beliebt gewesen. Dort gab es zwar keine Clique, die über die anderen herrschte, doch Tim hatte viele gute Freunde gehabt und auch der Rest seiner Mitschüler war immer freundlich zu ihm gewesen.
Fast hätte er einen melancholischen Seufzer ausgestoßen. Dieser Kindergartenkram an der neuen Schule ging ihm tierisch gegen den Strich.
Die ganze Schule wusste, dass er sich gestern beim Fußballspiel Moritz Holin zum Feind gemacht hatte. Für die Mitläufer dieser Schule bedeutete dies seinen Tod - natürlich nur im übertragenen Sinn -. Moritz war hier schon immer der Coole und Beliebte gewesen. Wenn das Alphatier den Neuen nicht mochte, war dieser auch bei allen anderen unten durch.
„Es tut mir leid Tim, aber könntest du vielleicht die Klasse verlassen? Ich würde gerne den Raum zuschließen." Die Mathe-Lehrerin sah ihn mit einer leicht vorwurfsvollen Miene an, senkte ihren Blick dann jedoch wieder auf das Kursbuch. Offensichtlich war ihr der Augenkontakt zum unbeliebtesten Jungen der Schule unangenehm, das dachte zumindest Tim.
Dieser verschluckte sich fast an einem Brotkrümel, als er viel zu tief Luft holte, um seiner Lehrerin zu antworten.
„Ehm ... natürlich. Ich ... ich werde gehen." Der Brotkrümel ließ ihn Husten. Für kurze Zeit brachte er kein Wort mehr heraus und war auch nicht in der Lage, den Raum zu verlassen. Doch dann fasste er sich, stammelte noch ein knappes „Tschüss", schnappte sich seine Schultasche und ging mit schnellen Schritten davon. Peinlich berührt versuchte er den schnellsten Weg zur Jungentoilette zu finden. Er wollte das Husten unterdrücken, um so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf sich zu ziehen. Gleichzeitig musste er sich darauf konzentrieren, den richtigen Weg zu finden.
„Ist alles in Ordnung?"
Blöde Frage. Nein!
Ein Mädchen war vor ihm stehen geblieben und hatte eine Hand auf seine Schulter gelegt. Wenn er sich richtig erinnerte, war sie eine aus Sophias Clique. Hoffentlich war diese nicht in der Nähe, sonst würde das Mädchen sicher eine Standpauke dafür bekommen, dass sie mit ihm geredet hatte.
Wenn er sich richtig erinnerte war ihr Name Alice ... oder Alicia ... oder Elisa ... oder Elis?
Wieder hüstelte Tim. „Alles ... gut. Ich ... suche nur die ... Toilette."
Das Mädchen lächelte etwas verlegen. „Dann dreh dich doch mal um."
Tim tat, was ihm befohlen wurde und erblickte den Eingang der Toilette. Er spürte, dass er rot anlief.
Auch das noch.
„Vielen Dank", rief er dem Mädchen noch zu, bevor er peinlich berührt in der Toilette verschwand.
Wenig später hatte sich sein Atem beruhigt und das Husten hatte aufgehört. Zu seinem Glück hatte er niemanden in der Toilette getroffen, sodass er mit neuer Energie wieder in den Schulflur trat. Das Hochgefühl hielt aber leider nicht lange an.
Überall wo er hinging, drehten sich die Leute nach ihm um und deuteten mit dem Finger auf ihn.
Niemand sprach ihn an. Es wurde nur heimlich über ihn geredet. Wie er diese Schule und ihre Schüler hasste!
Dabei hatte er sich in seiner alten Heimat so auf diese Schule gefreut. Gemeinsam mit Annika hatte er verschiedene Szenarien entworfen, wie sein erster Schultag ablaufen und die Schule aussehen würde. Annika schwärmte seit Wochen über den Namen Fuchsbach-Gymnasium. Sie hatte ihm weismachen wollen, nachts würden sich hier Füchse herumtreiben und tagsüber würde der kleine Bach hinter der Schule für ein märchenhaftes Ambiente sorgen.
Der Bach! Tim hatte sich diesen ja noch gar nicht angesehen. Angeblich konnte man dort seine Pausen verbringen, besonders an Sommertagen in der Mittagspause sollte es dort sehr schön sein. Es wurden Ballspiele gespielt und Picknickdecken ausgebreitet. Man könnte fast meinen, die Schule hätte einen privaten Park.
Gerade hatte Tim sich dazu entschieden, diesem Bach mal einen Besuch abzustatten, da klingelte es.
Oh wow, heute ist wirklich mein Glückstag.
Statt in Richtung Bach, lief er nun zurück zur Toilette, da sich zwei Räume weiter der Raum für sein nächstes Unterrichtsfach befand.
Da sich nun alle Schüler in diese Richtung drängten, fiel er nicht weiter auf. Kurz hatte er Zeit zum Aufatmen. In der Masse ging er unter. Er war hier kurzzeitig nicht mehr Tim der Außenseiter, sondern einfach ein Mitglied im Strom.
Doch noch bevor er wirklich dazu kam, sich in diesem Gefühl eine Weile auszuruhen, kam er vor seinem Klassenraum an. Sein Lehrer für Geschichte stand davor und begutachtete ihn, als er aus der Masse auf seinen Klassenraum zukam und sich so von den anderen abhob.
„Gut, dass du schon da bist Tim." Offensichtlich war er der Erste. „Ich wollte dich noch etwas fragen."
„Natürlich. Was gibt es?"
„Hattest du heute schon Kontakt zu Moritz Holin?"
Das Thema schon wieder. Tim hatte keine große Lust, über seinen Kapitäns-Rivalen zu reden. Außerdem: Was dachte sich sein Lehrer? Dass die beiden beste Freunde waren und sich vor der Schule unterhielten? Sicher nicht.
„Nein ich habe ihn heute noch nicht gesehen", antwortete Tim. Dies war die Wahrheit. Weder Sophia noch Moritz waren ihm an diesem Morgen über den Weg gelaufen.
„Ich dachte, dass er dir vielleicht eine Nachricht geschrieben hat. Seine Mathelehrerin meinte, er sei heute morgen nicht aufgetaucht. Sie macht sich Sorgen. Moritz hat noch nie gefehlt, ohne vorher von seinen Eltern krank gemeldet worden zu sein."
„Das tut mir leid, aber ich weiß leider wirklich nichts. Wir sind nicht so gut befreundet." Gar nicht, um genau zu sein.
„Verstehe. Na dann, willkommen im 17. Jahrhundert." Der Lehrer öffnete ihm die Tür und somit sein Gefängnis für die nächsten anderthalb Stunden.
Der Raum roch muffig und lediglich ein paar alte Bilder hingen an den Wänden.
Tims (nicht vorhandene) Motivation sank weiter. Geschichte war noch nie sein Lieblingsfach gewesen.
Wenn ich hier drinnen vor Langeweile sterbe, sagt Annika, dass ich sie liebe.
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Hey.
Eigentlich bin ich noch nicht fertig damit, die anderen Kapitel zu verbessern, aber ich dachte mir, hinsichtlich der 500 Aufrufe, dass ich dafür ja einen neuen Abschnitt veröffentlichen könnte. Ich hoffe euch gefällt die Story weiterhin. :)
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Dying Beauty
Mystery / Thriller𝔖𝔭𝔦𝔢𝔤𝔩𝔢𝔦𝔫, 𝔖𝔭𝔦𝔢𝔤𝔩𝔢𝔦𝔫 𝔞𝔫 𝔡𝔢𝔯 𝔚𝔞𝔫𝔡, 𝔴𝔢𝔯 𝔥ä𝔩𝔱 𝔡𝔦𝔢 𝔚𝔞𝔣𝔣𝔢 𝔦𝔫 𝔡𝔢𝔯 ℌ𝔞𝔫𝔡? Ein Mädchen wird sterben ... Doch was passiert, ist noch unklar, denn es dauert noch eine Woche bis zum Valentinsball. Isabella, Morit...