Zwölf: Moritz

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Donnerstag 12.02.2019 11:41 Uhr

Moritz Holin


Moritz saß gelangweilt im Englischunterricht. Unter seinem Tisch lag sein Handy, auf dem er immer mal wieder ein Offline-Spiel öffnete. Seine Lehrerin war zu blind und zu alt, um das zu bemerken.

Momentan hielten sie in Englisch Präsentationen über die Geschichte der USA. Heute waren zwei Mädchen dran, welche man in die stereotypische Kategorie eines Strebers stecken konnte. Die beiden konnten einfach alles, was Moritz zu Weißglut brachte. Er war nie gut in der Schule gewesen.

Leider war die Präsentation deswegen auch nicht zehn Minuten lang, wie sie eigentlich sein sollte, sondern ging nun schon fast zwanzig. Und es war kein Ende in Sicht.

Die beiden Mädchen schafften es, jedes noch so unwichtige Detail zu nennen. Zum Beispiel, dass der ehemalige US-Präsidentschaftskandidat Vermin Supreme mit dem Wahlslogan „Gratis Ponys für alle Amerikaner" warb.

Wenn das so weiterging, würden sie wohl bis in die Pause hinein präsentieren. Dass Moritz dann womöglich ewig in der Schlange der Mensa stehen musste, ließ ihn fast aufseufzen. Wenn man weiter hinten in der Schlange stand, bekam man immer nur das Essen, was kein anderer wollte. Meistens war das der berüchtigte trockene Salat oder der eklige Auflauf.

„Was ist denn jetzt los?", fragte eins der Mädchen plötzlich panisch.

Moritz lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf die beiden und stellte fest, dass die PowerPoint-Präsentation irgendwie kaputt war.

Das eine Mädchen hatte wohl eine Folie weiter klicken wollen, doch stattdessen hatte sich der Bildschirm, auf dem gerade ein Bild und Text zur Unabhängigkeitserklärung abgebildet waren, an mehreren Stellen angefangen zu verabschieden. Statt dem eigentlichen Bild wurden bunte Farbpixel angezeigt.

„Das kann doch nicht wahr sein!" Die Mädchen sahen so aus, als ständen sie kurz vor einem Nervenzusammenbruch.

Moritz hätte fast gelacht. Warum hatten sie so eine Panik? Ihre Noten würden sich sicher nicht verschlechtern, nur weil die Technik in der Schule versagte.

„Keine Panik!", versuchte die Lehrerin sie zu beruhigen. Sie schlich zum Pult und drückte ein paar Knöpfe des Computers. Sicher würde diese Lehrerin das Problem nicht lösen können. Sie war schon steinalt und bekam es normalerweise schon nicht hin, den CD-Player einzuschalten. Bei einer Listening-Comprehension musste sie immer den Hausmeister holen.

Moritz hielt sich zurück und genoss die lustige Situation. Er hatte ja nicht oft einen Grund zum Lachen, da tat so eine bescheuerte Technikpanne richtig gut.

„Was machen wir jetzt?" Die beiden Mädchen waren noch immer völlig am Durchdrehen.

„Wir werden das Referat wohl erst nächste Woche fertig hören können. Tut mir leid." Sie schenkte den beiden ein mitleidiges Lächeln.

„Kann ich noch etwas versuchen?"

Moritz sah sich suchend in der Klasse um. Wer hatte das gefragt? Es konnte doch nicht wirklich ... Lana sein!

Sophias Freundin stand auf und ging nach vorne. Moritz konnte nun weder seinen Ohren noch seinen Augen trauen. Seit wann kannte sich Lana denn mit Technik aus?

„Natürlich. Jede Hilfe ist willkommen." Die Lehrerin machte ihr bereitwillig platz.

Lana tippte nun ebenfalls auf dem Bildschirm herum. Da der Computer an einen Beamer angeschlossen war, konnte die ganze Klasse verfolgen, was Lana tat.

Nachdem sie mithilfe ein paar Klicks die Präsentation geschlossen hatte, erschien ein Feld mit vielen Zahlen und Buchstaben. Moritz wusste nicht, was es war und er verstand ebenso wenig, was Lana darauf eingab.

Scheinbar wahllos tippte sie weitere Zahlen und Buchstaben ein. Immer schneller flitzen ihre Finger über die Tastatur.

Schließlich schloss sie die Seite wieder und schenkte den beiden Präsentatoren ein schiefes Lächeln. „So, jetzt müsste es wieder funktionieren." Da keiner zu verstehen schien, was gerade passiert war, sprach sie weiter: „Bei mir ist einmal das gleiche Problem aufgetreten und meine Mutter hat mir gezeigt, wie ich es löse."

Mit diesen Worten ging sie zurück zu ihrem Platz. Die ganze Klasse starrte ihr nach.

Nur die beiden Mädchen gingen nun zum Laptop und öffneten ihre Präsentation wieder. Dieses Mal ließ sich die Folie wegklicken und eine weitere, vollbepackte Seite erschien.

Oh nein! Moritz gähnte innerlich. Nun würden sie wirklich noch bis in die Mittagspause ihre Präsentation halten. Moritz wäre am liebsten im Boden versunken. Sich die Konsistenz des Untergrund-Belags anzusehen war sicher spannender, als diese Präsentation. Doch dann fiel ihm noch etwas ein ...

Lanas Einsatz konnte kein Zufall gewesen sein. Moritz kaufte ihr keine zwei Sekunden lang ab, dass sie nur wusste, wie man dieses eine Problem bei PowerPoint löste, weil ihre Mutter es ihr gezeigt hatte. Woher sollte diese es denn wissen? Sicher war sie eigentlich gut in allem, was Computer betraf ...

Doch andererseits wollte Moritz gar nicht weiter nachforschen. Er hatte Angst, dass er mit seinen Vermutungen recht hatte und das Lana etwas mit den Hacks zu tun hatte.

Sie war doch eigentlich immer sehr nett gewesen, Moritz konnte sich nicht vorstellen, dass sie ihre Freizeit mit dem Hacken verbrachte.

Doch leider passte der Vorfall viel zu gut in das Bild, dass der Gossip-Blog ihnen vom Hacker vermittelt hatte.

Lana war auf dem Fuchsbachgymnasium definitiv nicht die Person, deren Eltern am meisten verdienten.

Moritz musste sich leider recht geben, Lana zu verdächtigen ergab Sinn. Vielleicht war sie ja wirklich die Hackerin.

Er würde seiner Vermutung nachgehen ...

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