Zwölf: Mila

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Donnerstag 12.02.2019 13:38 Uhr

Mila Fossile


Lass sie reden, lass sie reden, lass sie reden!

Mila schlich durch die Schule, auf der Suche nach Isabella. Sie hatte ihre beste Freundin heute noch gar nicht gesehen, da sie keinen Kurs zusammen gehabt hatten. Doch auch in der Mittagspause war Isabella nicht aufgetaucht, auch wenn sie sich sonst immer im Aufenthaltsraum trafen und sich dort in eine Ecke setzten.

Wo war sie nur?
Ging es ihr gut?

Lebte sie noch?

Mila hatte nun schon unzählige WhatsApp-Nachrichten an Isabella geschrieben, doch eine Antwort hatte sie bis jetzt noch nicht erhalten.

Irgendetwas lief hier falsch. Mila spürte es.

„Hast du schon gehört? Es soll ein zweiter Hack stattgefunden haben." Sie drehte sich aprubt um und ein kleines Mädchen stand hinter ihr. Erst auf den zweiten Blick konnte sie es als Maiks kleinste Schwester identifizieren. Insgesamt hatte er vier. Diese hier war letztes Jahr in die fünfte Klasse gekommen und tippte Mila jedes Mal an, wenn sie sie sah. 

Maiks Familie war vor zwei Jahren aus der Stadt gezogen, weil seine Mutter in der größeren Stadt bessere Jobaussichten gehabt hatte. Jedoch hatte die Familie schnell festgestellt, dass das Großstadtleben nichts für sie war. Und zu Lena Fossiles Glück waren ihr Freund und seine Familie vor ein paar Monaten wieder zurückgekommen.

Dass Laura ebenfalls über die Hacks Bescheid wusste, fand Mila alles andere als gut.

„Ja, echt gruselig!", antwortete sie verspätet.

„Ach was, ich finde es super! Das ist doch mega aufregend!", quietschte das kleine Mädchen.

„Findest du? Ich hätte Angst, wenn ich du wäre. Stell dir vor, als nächstes werden deine Eltern gehackt. Dann hast du kein Geld mehr, um dir coole Sachen zu kaufen."

Maiks Schwester riss die Augen weit auf, als sie verstand, was Mila da sagte.

„Kein Geld für Süßigkeiten?"

Mila schüttelte den Kopf.

Das kleine Mädchen wirkte traurig und Mila hatte sofort ein schlechtes Gewissen. Das hätte sie nicht sagen sollen! Aber andererseits gingen ihr die vielen Kommentare zu den Hacks langsam auf die Nerven. Sie konnte nicht mehr hören, wie die Leute hinter ihrem Rücken flüsterten und dabei nicht einmal wussten, dass Mila die Schuldige war.

„Tut mir leid Laura, das war gemein. Keine Sorge, deine Eltern werden sicher nicht gehackt werden."

Die Kleine schenkte ihr ein Lächeln. „Weil sie nicht reich genug sind?"

Mila hätte fast gelacht, und mit „ja" geantwortet. Doch sie konnte sich im letzten Moment davon abhalten. Das hätte noch gefehlt! Sie hatte die Schwester des Freundes ihrer Schwester nun schon einmal beleidigt, da wollte sie nicht auch noch ihre Eltern mit reinziehen.

„Hab keine Angst, deine Eltern haben genug Geld", antwortete Mila deshalb in einem ruhigen Tonfall.

Das schien Laura fürs Erste zufrieden zu stellen. Sie verabschiedete sich und ging zurück zu ihren Freundinnen, die an einem Tisch im Aufenthaltsraum saßen.

Mila sah ihr hinterher und konnte nur lächeln. Sie freute sich schon jetzt auf den Tag, an dem Lena endlich Maik heiratete und sie Laura in ihrer Familie begrüßen konnte.

Sie wollte sich gerade wieder zum Gehen wenden, um Isabella zu suchen, als sie noch einmal genauer zu Laura herüber sah. Eine neue Person war an den Tisch der Fünftklässlerinnen getreten und winkte Laura kurz. Dann drehte sich die Person um und lief auf Mila zu.

Ihr stockte der Atem. Es war Alex!

Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott! Auf diesen Moment hatte Mila so lange gewartet. In den letzten Tagen war ihr Schwarm zwischen all dem Trubel untergegangen, aber jetzt schlugen Milas Gefühle mit einem Mal über ihr ein. Alex sah einfach toll aus, mit seinen kurzen schwarzen Haaren und dem verschmitzten Lächeln. Wie hatte sie das vergessen können? Jede seiner sich ständig ändernden Mimiken ließ Mila das Herz aufgehen. Sie hatte sich schon lange nicht mehr genug Zeit genommen, ihn einfach anzustarren. Doch nun nahm sie sich sie.

„Hey Mila!", begrüßte Alex sie und zeigte dabei sein wunderschönes Lächeln, was seine Gesprächspartnerin zum Dahinschmelzen brachte. Bis jetzt hatte sie angenommen, dass er nicht einmal ihren Namen kannte. Doch nun kam er immer näher.

„Hi." Der sonst so wortgewandten Mila fiel plötzlich nicht mehr ein, was sie sagen könnte und so war ihr Moment mit Alex schon wieder vorbei, bevor sie Zeit hatte, es zu realisieren. Er ging an ihr vorbei und verschwand im Schulflur.

Mila blieb der Mund offen stehen. Sie wusste nicht, was eben passiert war. Hatte sie wirklich angenommen, Alex würde sich mit ihr unterhalten wollen? Gott, sie war ja so blöd gewesen. Natürlich war er nur vorbeigegangen, um zu seinen Freunden zurückzugehen, die sich in der Cafeteria am anderen Ende des Ganges befanden.

Wortlos klappte sie ihren Mund wieder zu und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Was hatte sie eigentlich ursprünglich vorgehabt?

Ah, sie wollte Isabella finden. Wo konnte ihre Freundin nur sein? Mila hatte bereits überall gesucht. Sie wollte sich gerade nochmal auf dem Schulhof umsehen, als es klingelte.

Das war's wohl. Heute würde sie Isabella nicht mehr zu Gesicht bekommen, denn auch das letzte Fach hatten sie in getrennten Kursen.

Dabei hatte Mila mit ihr mal wieder über den Ball reden wollen. Sie waren in den letzten Tagen nicht dazu gekommen und als Mila endlich wieder einen Gedanken daran verschwendet hatte, war ihr aufgefallen, dass sie immer noch keine Kleider gekauft hatten. Sie waren für morgen im Einkaufzentrum verabredet, doch würde das nicht ein bisschen knapp werden? Sollten sie etwas an ihren Kleidern ändern wollen, müsste ein Schneider dies in nur einer Nacht erledigen. Mila war sich nicht sicher, ob das so hinhaute.

Aber andererseits hatte sie auch nichts zu verlieren. Anfänglich hatte sie sich zwar auf den Ball gefreut, doch je mehr Zeit verstrich, desto unmotivierter wurde sie. Weder Isabella noch sie selbst hatte einen Tanzpartner und sicher würden sich auch in der prächtigen Location des Balles alle über die Hacks und den Gossip-Blog unterhalten. Vielleicht würden manche sogar nach der Erstellerin des Blogs suchen.

Und dann würden Isabella und sie den Tag damit verbringen, vor ihren Mitschülern zu flüchten. Es war doch verständlich, dass sie darauf keine Lust hatte, oder?

Mila lächelte. Oh Mann. Isabella und sie waren wirklich das perfekte Paar Freundinnen. Gemeinsam steckten sie in der größtmöglichen Scheiße und fanden keinen Ausweg. Sie waren wirklich Seelenverwandte. 

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