Sechszehn: ?

32 9 11
                                    

Samstag 14.02.2019 21:05 Uhr

Sophia Blackwolf


„Dann stimmt es also". Sophia sah Mila genau an. Sie hatte diesem Mädchen in der Schule nie besonders große Beachtung geschenkt, doch nun merkte sie, dass Mila eigentlich ganz hübsch war. Durch die kurzen Haare legte man automatisch den Fokus auf ihre großen, braunen Augen. Das war also die beste Freundin von Isabella Goldbaum.

„Isabella ist wirklich die Gründerin von mitten-unter-euch", sagte Sophia und stieß einen undefinierbaren Laut aus. War es Freude? Witz? Oder doch Mitleid?

„Ja das ist sie. Aber was interessiert dich das. Du kennst sie doch gar nicht."

Sophia lachte: „Ach nein? Ich würde behaupten, dass ich sie besser kenne, als du."

Mila wollte gerade einen Witz darüber reißen und Sophia fragen, was Isabellas Lieblingsfarbe war, da verstand sie, dass es um etwas anderes ging. Sophia meinte nicht, dass sie Isabella persönlich besser kannte. Nein, sie kannte ein Geheimnis von ihr. Und wenn Mila Glück hatte, war es das Geheimnis, auf das sie seit ein paar Minuten eine Antwort suchte.

„Dann schieß los. Ich habe dir eben ein Geheimnis anvertraut, dann musst du mir jetzt deins nennen. Was weißt du über meine beste Freundin, was ich nicht weiß."

Sophia zuckte mit den Schultern. „Da gibt es nicht viel zu erzählen. Sie hat nur eine multiple Persönlichkeitsstörung."

Mila blinzelte. Dann kamen die Worte bei ihr an. „Sie hat WAS?"

„Isabella ist nicht nur Isabella, sondern auch Jacky. Jacky die Fußballtrainerin."

„Aber ... warum? ... wie?" Mila verstand die Welt nicht mehr. Wie hatte Isa das vor ihr verheimlichen können?

„Du weißt ja wahrscheinlich, dass ihr Vater gestorben ist. Das war, als sie fünf Jahre alt war. Er hat sich umgebracht und Isabella konnte das Endergebnis betrachten."

Oh Gott, wie schrecklich! Mila hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht erschrocken aufzuatmen.

„Deine Freundin konnte mit dem Bild ihres toten Vaters nicht gut umgehen und hat sich eine Schutzwand erschaffen. Jacky konnte sie fortwährend vor allem beschützen."
Das ist der Grund, warum Isabella nicht gerne rausgeht. Warum sie nicht viele Freunde hat und warum sie plötzlich Gossip verbreitet, obwohl es so gar nicht zu ihrer Persönlichkeit passte. Sie musste Jacky verstecken. Das alles wurde Mila in diesen Sekunden klar.

Nur eine Sache verstand sie nicht. „Was hast du damit zu tun?"

Sophia lachte: „Ein unglücklicher Zufall."
„Geht das vielleicht ein klein wenig genauer?"

„Willst du es wirklich hören?" Sophia hatte eigentlich keine Lust darauf, die ganze Geschichte zu erzählen. Sie wollte endlich Moritz finden und den Rest das abends mit ihm verbringen, so wie sie es sich eigentlich vorgestellt hatte. Außerdem musste sie Alexander noch eine reinhauen, dafür, dass er sie über Instagram bedroht hatte.

Doch Mila ließ nicht locker. „Ja, ich würde gerne wissen, warum du eine Expertin bist, wenn es um die Persönlichkeitsstörung meiner besten Freundin geht."

„Also gut, du hast es so gewollt. Als ich fünf Jahre alt war, hat mein Vater meine Mutter mit einer anderen Frau betrogen. Meine Mutter war erst verletzt, doch dann hat sie sich gerächt. Sie begann eine Affäre mit Isabellas Vater. Als sich meine Eltern schlussendlich wieder vertragen hatten, machte sie natürlich wieder mit Isabellas Vater Schluss. Doch ihm schien das nicht zu passen. Er hatte sich eine Zukunft mit meiner Mutter gewünscht. Dann ging es auch noch mit der Karriere bergab bei ihm und er begann zu trinken. Es endete im Selbstmord." Sophia machte eine Pause, um Mila das Gesagte verarbeiten zu lassen. Man merkte, dass dieser gar nicht passte, was Sophia ihr da erzählte.

„Isabellas Mutter kam nach dem Tod ihres Vaters oft zu uns, um uns zu beleidigen und zu beschuldigen. Natürlich hatte sie recht, meine Eltern haben ihre Familie zerstört. Trotzdem tat es mir weh mit anzuhören, wie sie in unser Haus kam, um uns anzuschreien. So erzählte sie auch oft von Isabella und davon, dass sie wegen uns eine zweite Persönlichkeit entwickelt hatte. Früher habe ich nicht verstanden, was das war. Doch irgendwann fand ich es heraus. Erst letztens ist mir aber klar geworden, dass Isabella auch Jacky ist. Ihre Tarnung mit der Perücke ist echt gut aufgegangen."

„Das erklärt aber immer noch nicht, warum Isabella so sauer auf dich ist." Mila erwähnte das Messer nicht, doch der Griff um die Tasche verstärkte sich.

„Ich habe ihr gestern geschrieben, dass ich herausgefunden habe, was mit ihr los ist. Sie sollte den Blog löschen, oder ich würde jedem von ihrem Geheimnis erzählen. Wo wir gerade dabei sind fällt mir auf, dass sie den Blog gar nicht gelöscht hat. Es ist also ihre Schuld, dass ich dir das gerade alles erzähle."

Mila verkrampfte sich. „Nichts hiervon ist ihre Schuld! Du hast wirklich kein Herz! Weißt du, wie schlimm es ihr heute wegen dir geht? Sie ist völlig am Ende auf dem Ball aufgetaucht!" Mila schrie. Sie konnte nicht glauben, was sie da eben von Sophia gehört hatte. Sie konnte, und wollte es nicht glauben. Sie hatte schon immer gewusst, dass Sophia herzlos war, doch nun war der Verdacht bestätigt.

„Was hatte ich denn für eine Wahl?" Auch Sophia war aufgebracht. Was dachte Mila eigentlich, wer sie war? Woher nahm sie sich das recht, Sophia zu beschuldigen? Sie wusste doch gar nicht, was in ihrem Leben los war.

„Isabella hat meine Geheimnisse an die Öffentlichkeit getragen. Sie kennt den Begriff Privatsphäre nicht. Sie hat mein Leben zerstört und ich soll mich jetzt bei dir entschuldigen, dass sie aufgrund meiner netten E-Mail durchdreht? Nein, das werde ich nicht tun!"

Mila wollte ihr etwas entgegen schreien, doch dann hielt sie inne. Sirenen heulten durch die Nacht.

Oh nein! Scheiße!

Für Mila konnten diese Töne nur eines bedeuten: Moritz hatte die Polizei verständigt. Er hatte Zoe und sie verraten und nun musste sie eigentlich vor dem Gefängnis flüchten.
Doch Mila hatte vorher noch etwas anderes zu erledigen und vielleicht war dieser Gedanke noch viel schlimmer als ihr Bankhack. Doch sie hatte nichts mehr zu verlieren. Im Endeffekt würde sie sowieso im Gefängnis landen.

„Ich kann nicht fassen, was du meiner besten Freundin angetan hast! Ich habe dich schon immer für deine Oberflächlichkeit und deinen Egoismus gehasst, aber jetzt hasse ich auch den Rest von dir!" Entschlossen griff Mila in Isabellas Tasche und zog das Messer hervor.

Sophias Gesicht wurde kreidebleich. „Das ... das ist nicht dein Ernst ...", stammelte sie.

„Oh doch!" Wie eine Wilde lächelte Mila inmitten der Sirenentöne und in ihrem wunderschönen grünen Kleid. Sie wirkte wir ein Rachengel, entschlüpft aus einem bittersüßen Traum.

„Du kannst mich doch nicht einfach ... umbringen", stammelte Sophia. Sie wollte weglaufen, doch ihre Beine gaben unter ihr nach. 

Dying BeautyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt