Drei: Isabella

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Sonntag 08.02.2019     10.32 Uhr

Isabella Goldbaum


Es dauerte keine fünf Minuten. Mila war weg und nun machte sich auch Isabella auf den Weg. Doch so, wie sie aussah, erkannte man sie gar nicht wieder.

Statt den langen, braunen Haaren trug sie eine rote Perücke. Ihre Augen waren mit tiefschwarzem Eyeliner umrandet und üppig mit Wimperntusche geschminkt und statt ihrem viel zu großen Kapuzenpulli zierten ein enges T-Shirt und eine Trainingsjacke ihren dünnen Körper.

Was hatte Isabella in diesem Aufzug vor? Nun, ich kann es euch sagen. Aber ich kann euch nicht versprechen, dass ihr es glauben werdet.

Seit sie drei Jahre alt war, trainierte Isabella mit dem Fußballteam ihrer Stadt. Früher war sie dort als Isabella Goldbaum angemeldet gewesen, doch sie bevorzugte ihren Zweitnamen: Jaqueline oder kurz Jacky.

Sie fand, dass dieser Spitzname weitaus besser klang. Bella klang zu sehr nach einem Hund, oder der Bella aus Twillight.

Seit sie denken konnte war Jacky auch der einzige Name, den sie ihren Teamkollegen ans Herz gelegt hatte. Viele von ihnen wussten gar nicht mehr, dass sie nicht Jacky, sondern Isabella hieß.

Das war ihr Glück, denn so konnte sie während des Trainings eine völlig andere Person sein.

Ihr fragt euch sicher, wie die Jungs sie nicht wiedererkannten. Nun, seit sie gemerkt hatte, dass sie mit vielen in die gleiche Schule ging, hatte Isabella sich für das Training verändert.

Sie trug die rote Perücke, hatte den Jungs aber erzählt, sich die Haare gefärbt zu haben. Sie fing an sich zu schminken, jedoch nur für das Training. Und sie trug Klamotten, die ihr anderes Ich schnellstmöglich verbrannt hätte.

Nun hatte sie sogar die gleichen Kurse wie viele ihrer Teamkollegen, doch keiner schien das zu bemerken, denn im Unterricht sprach sie nicht. Isabella war eine stille Mitschülerin. Dafür hallte Jackys Stimme oft genug über den Sportplatz.

Isabella sah auf die Uhr. Sie würde zu spät zur zweiten Halbzeit kommen. So ein Mist!

Der Trainer war schon jetzt sauer auf sie. Seit sie nicht mehr in der Mannschaft spielen durfte, war sie seine Co-Trainerin. Neben der sportlichen Aktivität hatte ihre Mitgliedschaft in der Mannschaft noch einen weiteren Vorteil.

Der Tratsch war nie weit entfernt.

Vor, nach und auch während des Trainings redeten die Jungs unumgänglich über Geheimnisse und Vergehen ihrer Mitschüler. Isabella hörte sie alle. Doch statt sie gegen jemanden zu verwenden, schrieb sie sie einfach in ihr Tagebuch.

Einen zweiten Blick auf die Uhr ließ Jacky ihren Lauf beschleunigen. Wenn sie sich nicht beeilte, brauchte sie auch gar nicht mehr kommen.

Sicher brauchte das Team sie. Sie standen einem harten Gegner gegenüber und von Jackys Vorschlag, den Kapitän zu wechseln, hatte sie den Trainer noch nicht restlos überzeugen können. Hoffentlich hatte Tim sein Bestes gegeben.

Jacky war schon lange kein Freund mehr von Moritz' Spielverhalten gewesen. Ja, er arbeitete zielstrebig, aber in letzter Zeit wurde sein Spiel zu verbissen. Er passte kaum noch, sondern kümmerte sich immer nur um sich selbst. So jemand sollte kein Kapitän sein.

Jackys rote Haare wehten im Wind, während sich Isabellas braune Mähne eng an ihren Kopf schmiegte.

Die zwei hatten nicht viel gemeinsam und doch waren sie ein und dieselbe Person.

Während sich Jacky auf den Sport und den Tratsch freute, ging Isabella das Bild von ihrem Bett, einem guten Buch und einem Tee durch den Kopf.

Es war fast schon gruselig, wie diese zwei Persönlichkeiten in den gleichen, stark geschminkten Kopf passten.

Doch sie kamen gut miteinander aus. Isabella übernahm die Schule und das Lernen, also die Programmpunkte, auf die Jacky sowieso keine Lust hatte. Diese konnte wiederum auf dem Sportplatz ihren Traum ausleben und abends die neuen Intrigen in ihr Tagebuch schreiben. Dafür, dass Isabella für sie in die Schule ging, machte sie dann nach diesen beiden Aktivitäten auch wieder Platz und überließ Isabella für den Rest des Tages den Körper. So konnte diese Lesen und sich mit Mila treffen, wann immer sie wollte. Es war ein Pakt, den sie nun schon seit Jahren aufrecht erhielten und auch nie vorhatten, zu brechen. So war das Leben einfach und so ließ sich verstecken, was sie angreifbar machte. Es befanden sich zwei Personen in ein und demselben Körper.

Die beiden wussten nicht, was passieren würde, wenn das jemand herausfand. Sie wollten auch gar nicht darüber nachdenken. Der Pakt war dazu da, sie zu beschützen. Er war für all die Leute, die sie, wenn sie über sie herausfänden, als Freak abstempeln würden.

Jacky keuchte. Der Körper raste zum Spiel, während sich auf dem Sportplatz schon Einiges abgespielt hatte.

Sie hatte bereits viele wichtige Augenblicke verpasst ...


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Hey  :) Ich habe ja seit Längerem nichts mehr gepostet, was einfach daran lag, dass ich mir mehr Zeit für das Planen der Geschichte nehmen wollte. Nun habe ich ein grobes Gerüst, weshalb es hier hoffentlich bald weitergehen wird. 

Wir man diesem Kapitel entnehmen kann, hat Isabella eine leichte Persönlichkeitsstörung. Ich habe mich zu diesem Thema informiert und kann es hoffentlich gut rüberbringen, da ich schon lange darüber schreiben wollte. :)

Wenn man sich selbst schon mit der DIS beschäftigt hat, weiß man vielleicht, dass sie durch besonders schlimme, wiederkehrende Momente hervortritt. Welche dies bei Isabella sind, verrate ich noch nicht. Auch weitere Details werden sich erst im Laufe der Geschichte klären.

Nur so viel: Isabella hat Glück, dass sie relativ gut steuern kann, wann Jacky hervorkommt. Auch ihre Trigger sind gut zu umgehen. 

Falls ich jemals etwas schreiben sollte, was in jedmöglicher Hinsicht Menschen mit einer DIS beleidigen sollte, tut mir das sehr leid, denn dies ist nicht meine Absicht. Wenn euch etwas so vorkommt, schreibt es mir einfach und ich werde mich um eine Verbesserung kümmern. 

Bis hoffentlich bald!

Dying BeautyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt