44. Leonardo Balerdi [4/4]

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Die Monate waren vergangen und von Leonardo war weit und breit keine Spur zu sehen. Tagelang hatte Michelle Stunden am Fenster verbracht und das Treiben der Straßen beobachtet, mit der Hoffnung Leonardo wäre unter diesem. Nach zwei Wochen hatte es Michelle aufgegeben und sich mit der Situation auseinander gesetzt. Sie würde das Kind alleine großziehen müssen.
Mittlerweile war sie schon im dritten Monat schwanger, ihr Bauch war ein wenig gewachsen und allmählich bekam sie Bauchschmerzen und Kopfschmerzen. Die Ultraschallbilder behielt sie versteckt im Portmonee und sah sie sich Abend für Abend an. Kim war ihr eine große Stütze, sie verbrachte jede freie Minute mit Michelle und hatte es irgendwie gemeistert Michelle für die neun Monate aus der Uni frei zu schreiben. Zwar müsste Michelle das Jahr wiederholen, aber so wie es aussah, war es mit dem Studieren so oder so eine abgebrochene Sache. Zwar hatten ihre Eltern ihr geholfen und Angebot näher zu ihr zu ziehen, aber Michelle wollte unbedingt eine 24 Stunden Mama sein, zumindest in den ersten Jahren. Ihre Eltern hatten die Info über ein Enkel Kind nicht auf die leichte Schulter genommen, aber nach einigen Tagen doch eingesehen, dass man nichts mehr ändern konnte und mit der neuen Situation leben müsste. Anders als Leonardo.

Heute saß Michelle wieder bei sich zu Hause und durchforstete verschiedenste Kinderbetten beim Ikea online Shop. Sie hatte vor umzuziehen und schon einige Wohnungen unter Betrachtung, dennoch fing sie jetzt schon an Kindersachen zu suchen. Manchmal war es auch das einzige, was sie auf andere Gedanken brachte, wenn sie um Leo trauerte. Michelle war gerade dabei ein weiteres Bett in den Warenkorb zu klicken, als es auf einmal an der Tür klingelte. Sie legte ihren Laptop weg und erhob sich, wenn auch mir Mühe, vom Bett. Sie schlürfte durchs Schlafzimmer zur Tür, bevor sie diese einen Spalt öffnete. Die Person, die sie dadurch sah, brachte ihre Atmung zum Stocken.
„L....Leo?", hauchte sie überrascht. Vor ihr stand Leonardo in Trainingsklamotten und verschwitzen Haaren.
„H...Hey", stammelte er unsicher und klemmte sich eine Strähne hinters Ohr.
„Darf ich rein kommen?", fragte er in viel besserem Deutsch als noch vor drei Monaten. Michelle überlegte kurz, aber nickte dann. Sie ließ ihren Freund oder Ex Freund, wer weiß was Leo war, eintreten.
„Es tut mir leid, dass ich so aussehe, ich bin geradewegs vom Trai...", begann er, doch Michelle schnitt ihm das Wort ab.
„Was willst du?", fragte sie mit strenger Miene. Leo sah an ihr herunter, auf den kleinen Bauch. Sein Herz fing an zu klopfen und zugleich bekam er Angstschweiß.
„Marco hat heute ein Gespräch mit mir geführt, nachdem ich ihm vom
Baby erzählt habe. Er hat mir einiges klar gemacht und mir die Augen geöffnet: Ich habe einen Fehler gemacht, die letzten drei Monate waren ein Fehler. Ich hätte nicht einfach weglaufen dürfen und schon gar nicht hätte ich dir einreden dürfen, das Kind abzutreiben. Es ist ein Kind, ein Lebewesen wie du und ich und es ist mein Kind, genauso wie deines"
Michelle sah ihn abwartend an.
„Ich werde Vater, das kann ich nicht ändern. Natürlich hätte ich mir gewünscht, es wäre erst in ein paar Jahren so weit, aber jetzt ist es so. Ich weiß nicht, wie wir es mit deinem Studium, meinem Fußball und allem unter einen Hut kriegen, aber das wird schon. Denn wie du sagtest, Neymar wurde auch jung Vater. Notfalls beende ich den Fußball sogar. Ich habe Tagelang geweint, war völlig überfordert mit dem ganzen, aber bin zum Entschluss gekommen, dass ich dich damit nicht alleine lassen darf und auch nicht will. Da wächst etwas wunderschönes in Dir getan und ich möchte Teil von dem ganzen werden. Ich möchte Vater werden. Ich muss es noch lernen, aber das schaffe ich. Ich werde Freunde und Kollegen fragen, ich werde diese Kurse belegen und mich über Babys schlau machen. Ich besuche auch diese Geburts Dingsda Sachen mit dir, unter der Bedingung, dass du mir verzeihst. Ich weiß ich habe Mist gebaut, doch drei Monate alleine zu lassen, waren drei Monate zu viel, aber ich hoffe, dass du mir die Chance gibst, es in den nächsten sechs Monaten besser zu machen"
Michelle sah gerührt zu Leo. Wortlos trat sie einen Schritt auf ihn zu und legte ihre Hände an seine Wangen.
„Weißt du, dass du dir viel zu viele Gedanken machst?", flüsterte sie dem Fußballer leise zu. Leo sah sie aus großen, schuldbewussten Augen.
„Du musst doch keine Daddy Kurse belegen und auch nicht den Fußball beenden.", sie fing leise an zu Lachen und auch Leo schmunzelte nervös.
„Verzeihst du mir?", murmelte er dann. Michelle seufzte, strich ihm durch die Haare, bevor sie ihn zärtlich küsste.
„Natürlich", murmelte sie leise und lehnte ihre Stirn an die ihres Freundes.
„Es tut mir leid", wiederholte er: „Ich mache es die nächsten sechs Monate besser"
Und genau das tat er dann auch. Er nahm Michelle in sein größeres Apartment auf und durchlief mit ihr jede Station in Richtung Eltern werden. Er brachte die Schüssel ans Bett, wenn Michelle sich übergab und er holte Essen vom Chinesen, wenn Michelle zum kochen nicht in der Lage war. Die Gefühlsausbrüche waren manchmal schwer zu bändigen, weil zwischen weinen und brüllen manchmal nur der Bruchteil der Sekunde lag, aber auch das schaffte Leonardo irgendwie.
Als es dann an einem Morgen so weit war, die Fruchtblase platzte und die Wehen kamen, stand Leo ihr bei und ließ das Spiel ausfallen.

Und als das Kind dann das Licht der Welt erblickte, dann verstand Leonardo gar nicht mehr, warum er nie Vater werden wollte. Denn Benicio, wie sie den Jungen genannt hatten, war einfach perfekt.

Sport One Shots || boyxgirl [✓]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt