Kapitel 19

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"Hast du das schon gehört?"
Meine Mutter saß mir gegenüber am Frühstückstisch und drückte mir die Zeitung in die Hand.

Auf einer Seite war groß das Bild von dem Unterarm einer Person abgebildet, deren Clansymbol total verstümmelt war.

Bei dem Bild wurde mir schlagartig schlecht und ich hielt die Zeitung meiner Mutter wieder hin:" Was ist das?"
Sie seufzte traurig:" Das ist ein zweites Opfer. Nach dem Mann, den wir vor zwei Wochen gefunden haben, ist vor einigen Tagen eine Frau aufgetaucht. Sie war aus dem Robbenclan."
"Das ist aber ein komplett anderer Clan als eine Eule?", überlegte ich verwirrt.

Ich hatte seit dem Gespräch am Wochenende mit den anderen die ganze Woche versucht etwas über den Mann herauszufinden.
Außer einem Interview aus einer Zeitung und einem Bericht über ihn als Trainer einer Jugendfußballmannschaft hatte ich aber leider nichts entdeckt.

"Was ist diesesmal passiert?", hakte ich nach und sah interessiert meine Mutter an.
Während das Bild dieses verunstalteten Unterarms mir die ganze Zeit wie ein großes, rotes Warnsignal ins Augen stechen würde, würde ich den Artikel nicht lesen können.

"Es war ähnlich wie bei dem Mann auch," begann sie zu erklären," die Frau wurde morgens von einem Jogger in den Büschen an der Straßenseite entdeckt. Sie wurde ebenfalls in einem normalen Wohngebiet einfach abgeladen. Zum Glück ging es ihr etwas besser als dem Mann. Man erwartet, dass sie bald schon wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden kann."
"Wahrscheinlich hat niemand etwas gesehen, oder?"
Sie schüttelte den Kopf:" Sie lag morgens einfach so da."
Ich knurrte leise:" Hat die Polizei bereits weitere Informationen über die Täter?"
"In dem Artikel steht zumindest nichts neues," meine Mutter zuckte mit den Schultern," da steht nur, dass die Polizei dank zweier Zeugen weiß, dass es sich bei den Tätern um Männer mit einem weißen Van und roten Roben handelt. Habt ihr denn schon etwas herausgefunden?"

Ich verschluckte mich an meiner Spucke und musste laut husten:" W-was? Was sollten wir denn herausgefunden haben?"
"Ach Mauri, verkauf mich doch nicht für dumm. Ich habe deinen Blick gesehen als du den Mann gesehen hast," erklärte meine Mutter ernst.
"Es ist so," begann ich langsam," wir haben tatsächlich etwas nachgeforscht. Michael und ich haben den Van und die beiden Männer gesehen, zumindest glauben wir, dass es die beiden waren. Sie sind bei einem Bürogebäude in der Innenstadt ausgestiegen und haben über ihren Boss geredet. Sie haben ihn Fuchs genannt."
"Ihr seid damit noch nicht zu Polizei gegangen?"
"Die kennen uns doch schon von dieser anderen Geschichte mit Patricks Mutter und werden uns kaum glauben wenn wir erzählen wir hätten sie gesehen."
"Verrenn dich da bitte ins nichts," sagte meine Mutte sanft und legte mir eine Hand auf die Schulter.
"Keine Sorge, wir sind vorsichtig," versicherte ich ihr und stand dann von meinem Stuhl auf.

"Ich muss los!" Kurz drückte ich ihr einen Kuss auf die Wange und griff dann nach meiner Schultasche.

Ich verließ das Haus und ging Richtung Schule. Unterwegs traf ich auf Noah, der mich anlächelte:" Guten Morgen."
Ich erwiderte sein Lächeln:" Morgen."

Gemeinsam gingen wir weiter. "Wie steht es mit Michael?", fragte Noah und strich sich einmal durchs Haar.
"Ganz gut," antwortete ich," er meldet sich hin und wieder."
"Kann er wirklich einfach so zwei Wochen Zuhause bleiben ohne krank zu sein?"
Ich zuckte mit den Schultern:" Ich habe schon lange aufgehört zu versuchen die Wölfe zu verstehen."

Noah lachte auf und ich lächelte ebenfalls.
Der blondhaarige Junge verzog nachdenklich das Gesicht und schlug dann vor:" Heute ist Freitag, lass uns doch noch einmal was unternehmen?"
"Und was?"
"Es gibt hier ganz in der Nähe ein Schwimmnad. Mit dem Bus ist man in zehn Minuten da. Wie wäre es wenn wir dort heute Nachmittag hinfahren?"
Ich dachte kurz nach. Mit den anderen wollte ich mich morgen treffen also hatte ich heute den Tag frei.
Schließlich nickte ich:" Gerne. Etwas Ablenkung würde bestimmt nicht schaden."
"Da hast du recht. Aber immerhin geht es dir besser als letzte Woche."
"Immerhin." Ich lächelte matt.

Mir ging es tatsächlich besser, aber Zombey spukte immer noch täglich in meinen Gedanken herum.
Das einzige Gute daran war, dass er mir täglich kurz schrieb und ich so wenigstens etwas ruhiger werden konnte.

Noah und ich kamen an der Schule an und unsere Wege trennten sich.
Ich ging durchs Treppenhaus nach oben in den Klassensaal.
Manu und Patrick saßen nebeneinander an unserem Tisch und redeten.

Als ich mich zu den beiden gesellte stand Palle von meinem Stuhl auf und setzte sich auf den Tisch.

"Über was redet ihr schönes?", fragte ich und holte mein Schulzeug heraus.
Manu zuckte mit den Schultern:" Unnötiges Zeug."
"Das hört sich aber spannend an," ich lachte kurz auf," ich hätte aber etwas zu erzählen."
Patrick richtete sich interessiert auf:" Schieß los."

Kurz räusperte ich mich und begann dann zu erklären:" Heute morgen hat mir meine Mutter von einem Zeitungsbericht erzählt in dem es um ein weiteres Opfer von Fuchs ging. Eine junge Robbe wurde irgendwo im anderen Stadtteil in den Büschen eines Vorgartens gefunden, ihr Clansymbol war ebenfalls total verstümmelt."
"Also hat ein weiterer Rekrut Fuchs' Test nicht bestanden," überlegte Patrick düster," was müssen diese Leute machen, dass sie so bestraft werden wenn sie versagen?"
"Wer weiß welche kranke Sekte das ist?", brummte Manu," wir kennen ihre Ziele nicht. Das könnte alles mögliche sein."
"Es macht mich verrückt, dass wir so gar nichts wissen," murmelte ich und fuhr mir einmal durchs Haar.
"Aber bald werden wir etwas wissen," munterte Manu mich auf," Patrick und ich gehen heute Mittag mal in die Innenstadt und sehen und das alles genau an."
"Hoffentlich findet ihr etwas."
"Bestimmt," meinte Patrick zuversichtlich.

Es klingelte und sofort trat Herr Wynter herein. Er legte seine Tasche aufs Pult und begann laut zu erklären:" Ich komme direkt zum Punkt, ich will dass ihr in Kleingruppen Präsentationen zu bereits ausgestorbenen Clans macht. Dafür habt ihr bis zu zwei Wochen, also noch mehr als genug Zeit. Ob ihr das ganze mit einem Plakat oder einer Powerpoint macht ist mir egal. Sucht euch eine Gruppe und sagt mir dann Bescheid was ihr machen wollt."

Während die anderen Schüler bereits aufgeregt begannen Gruppen einzuteilen und laut zu plappern beugte ich mich zu Manu und flüsterte leise:" Sollten wir Herr Wynter wegen Fuchs fragen?"
Manu nickte unauffällig:" Das wäre wohl das Beste. Lass uns heute nach dem Unterricht kurz bei ihm vorbei gehen."

Bevor ich etwas erwidern konnte stellte sich jemand vor uns.
Patrick klatschte seine Hände auf den Tisch und beugte sich ein Stück zu uns herunter:" Wir drei? Vier, sobald Zombey da ist?"
Ich nickte:" Würde ich auch sagen."

Patrick lächelte, klaute sich einen Stuhl von dem Tisch vor uns und setzte sich dann uns gegenüber hin.

Herr Wynter schien bemerkt zu haben dass unsere Gruppe schon feststand und kam zu uns.

"Ich nehme an ihr drei?", fragte er und legte ein Blatt auf unseren Tisch.
"Michael auch noch", fügte Patrick hinzu, zog das Blatt zu sich und schrieb unsere Namen darauf.
"Und über welchen Clan wollt ihr schreiben?", wollte er wissen und deutete auf den Zettel," das müsst ihr nämlich auch aufschreiben."

Wir drei wechselten einen Blick und Patrick schrieb grinsend 'Schlangenclan' dahinter.

Herr Wynter lachte sein tiefes, irgendwie unheimliches Lachen und meinte dann:" Damit habe ich mir wohl selbst ins Bein geschossen, oder?"
Manu grinste:" Das liegt ganz daran wie Sie das auffassen."
Herr Wynter schüttelte den Kopf und nahm sein Blatt wieder an sich.
Als er gerade weiter gehen wollte hielt Manu ihn zurück:" Wir müsste heute Mittag nochmal kurz mit Ihnen reden."
"Ach ja?", der Lehrer drehte sich noch einmal zu uns um," die alt bekannten Probleme?"
"Etwas anderes," erklärte Patrick und die eisblauen Augen von Herr Wynter funkelten interessiert.
"Gut. Ihr wisst ja wo ihr mich findet."

Er verschwand und Patrick sah uns an:" Er macht mir immer noch Angst."
Manu lachte:" Das liegt an dem Schneewolf. Diese Tiere sind von Natur aus gefährlicher und wilder als normale Wölfe."
"Das heißt ich bin die Hauskatze und er der Puma," sagte Patrick und klang als versuche er einen Scherz zu machen, doch ich hörte heraus, dass er trotzdem verunsichert war.
"So in der Art, ja," stimmte Manu zu," aber er wird uns noch einmal helfen. Das weiß ich."

Palle brummte unzufrieden:" Das heißt nicht, dass meine Zweifel dadurch verschwinden."
"Keine Sorge," versicherte ich ihm," wir schaffen das schon."

The Trails of a Falcon Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt