Feminine

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Wörter: 1073

Die sechs Freunde saßen zusammen im Krähen Club und tranken auf einen weiteren erfolgreichen Job. Nur Kaz nicht - er hatte seinen Drink nicht angerührt. "Wylan hat so schöne Haare-" murmelte Nina plötzlich, wie auch immer sie da jetzt drauf gekommen war. "Und so eine richtig süße Frisur. Jespers little soft boy." Alle sahen mittlerweile zu Wylan, welcher sein rotes Gesicht hinter seinen Händen zu verstecken versuchte. "Außerdem wirkt seine Frisur leicht feminin, gefällt mir." fügte Inej hinzu. Nina stimmte ihr nickend zu.

"Wisst ihr wer auch feminin wirkt?" fragte Matthias plötzlich, er hatte eindeutig schon am meisten getrunken. "Brekker." "Kaz? Nein, seine Frisur ist einfach nur- naja, ich weiß nicht." widersprach Nina.

Kaz' eben noch für seine Verhältnisse fröhliches Gesicht fiel. Er sah sie an, als wären sie seine größten Feinde. 

"Nein, nicht die Haare. Ich meine- Seine Hände, zum Beispiel. Auch wenn er immer die Handschuhe trägt, er hat so richtig lange, dünne Finger." Kaz nahm seine Hände vom Tisch und legte sie nervös in seinen Schoß. "Ich mein ja nur." Die anderen dachten eine Weile über Matthias' Worte nach. Dass es Kaz offensichtlich in diesem Moment nicht gut ging und er sich unwohl fühlte, ging in dem Alkohol unter. "Ey, habt ihr Kaz mal nur in einer Anzugsweste gesehen? Er hat ne bessere Taille als du Inej. Das ist echt krass." erzählte Jesper überdreht. "Hör auf." zischte Kaz. "Jetzt echt? Ich wusste nicht, dass Kaz die beste Figur von uns hat." lachte Nina. 

"Hab ich nicht!"

"Und er hat echt ne verhältnismäßig breite Hüfte. Habt ihr mal auf seinen Arsch gesehen?!" "Jesper, halt deinen Mund oder ich schneide dir die Zunge raus!" Kaz war sauer. "Aww, ist da jemand schüchtern? Brekker kann ja nächstes mal die Frauenuniform anziehen, statt Inej eine für Männer zu geben." scherzte Matthias und die anderen lachten mit ihm. 

Kaz stand auf und stürmte aus dem Raum. "Komm schon, Kaz, hab nicht immer so n Stock im Arsch! Wir machen doch nur Witze." rief ihm Jesper hinterher, aber vergebens.

Ohne einen genauen Plan ging Kaz durch die Straßen Ketterdams. Er war sauer und bekam gleichzeitig Panik.

Konnte es sein, dass sie es rausgefunden hatten? Nein. Oder? All die Jahre war er sich sicher gewesen, dass er perfekt als cis Mann durchging, aber jetzt... 

Zweifel kamen in ihm auf und er sah an sich runter. Minuten später fand Kaz sich vor Poppy's Tür wieder, er seufzte trat dann aber doch ein. Poppy saß auf einem Sessel und las ein Buch, als er Kaz erblickte musste er lächeln. Kaz gab sein Bestes sich nichts anmerken zu lassen und bisher schien es zu funktionieren. "Hey." Poppy legte das Buch zur Seite. "Ich wusste nicht, dass du kommen wolltest." "Ich auch nicht." antwortete Kaz knapp und ging dann zu Poppy. Er setzte sich auf dessen Schoß, ging aber sicher, dass er ansonsten Poppy nicht berührte.

Kaz hatte vor einiger Zeit gefallen daran gefunden auf Poppy's Schoß zu sitzen, ihm wenigstens etwas Nähe zu geben und Poppy schien es zu genießen. Schwer ausatmend vergrub Kaz sein Gesicht in seinen Händen. Ganz vorsichtig strich Poppy mit einer Hand über Kaz' Rücken. Kaz verspannte kurz, beruhigte sich aber sofort wieder, als er sich ins Gedächtnis rief, dass es nur Poppy war und außerdem mehrere Lagen Stoff zwischen ihnen waren.

"Was ist los?" Poppy klang besorgt.
"Denkst- Findest du, ich wirke feminin?" "Was?" Poppy hätte gelacht, würde Kaz sich nicht anhören, als würde er jeden Moment weinen. "Wenn du mich ansiehst, sehe ich für dich feminin aus?!" sagte Kaz scharf und er bereute seine Tonlage sofort. Poppy hatte ihm nichts getan - ganz im Gegenteil - rief er sich immer wieder in den Kopf.

Einen Moment sah Poppy seien Freund einfach nur verwirrt an. "Nein? Ich versteh nicht was du von mir willst- Wieso sollte ich- Hat irgendwer was gesagt?"

Kaz ballte die Hände zusammen bei dem Gedanken zurück an das Gespräch mit den anderen und trotz der Handschuhe fingen seine Handflächen nach kurzer Zeit an zu schmerzen.
"Hab ich eine zu weibliche Taille?"
"Was? Was ist los mit dir, Kaz?"
"Beantworte einfach meine Frage!" erneut kam es aggressiver rüber, als Kaz es wollte, aber Poppy schien sich nicht angegriffen zu fühlen.

"Ist ja gut. Nein. Ich finde nicht, dass du feminin wirkst oder deine Taille zu weiblich ist und wenn du mich jetzt noch fragst, ob ich was gegen deine Hände oder was weiß ich, dein Gesicht, hab, dann verlier ich langsam die Nerven mit dir."

Kaz schwieg. Vielleicht waren die anderen einfach nur betrunken gewesen. Die ganze Zeit während Kaz auf Poppy's Schoß saß hatte er sein Bein schmerzhaft angezogen, dass schien auch Poppy mittlerweile zu bemerken. "Kaz?" "Mhm?" "Streck dein Bein aus." 

Seufzend gehorchte Kaz, auch wenn er nicht verstand, warum sich Poppy ernsthaft für ihn interessierte. Jesper hatte mal gesagt man könnte niemanden lieben, der sich nicht selbst liebte und Kaz verachtete sich. Verachtete wie er aussah, wenn er in den Spiegel schaute, verachtete, dass er Poppy nicht die Zuneigung geben konnte, die er verdient hatte-

"Erzähl mir, was passiert ist." versuchte Poppy es erneut.
"Die anderen- Ist egal."
"Es ist nicht egal, es hat dich offensichtlich verletzt. Ich verstehe-"

"DU VERSTEHST GAR NICHTS!" Kaz wollte aufspringen, aber sein Bein hinderte ihn. Tränen fingen an über sein Gesicht zu rinnen.

"Kaz-" "Du verstehst nicht, wie es sich anfühlt morgens aufzustehen, in den Spiegel zu schauen, seinen eigenen Körper zu hassen, aber zu denken, es ist gut genug, um nicht irgendwelche Fragen bei anderen aufzuwerfen und dann von seinen Freunden gesagt zu bekommen, dass man genau so aussieht, wie man es versucht zu verstecken!"

Poppy zögerte einen Moment, dann griff er nach Kaz Händen. Dieser ließ es zu, hielt Poppy's Hände, als würde sein Leben davon abhängen, brach ihm gefühlt die Knochen, so feste krallte er sich an ihm fest.

"Kaz-" Poppy sprach leise und sanft. "Versuchst du mir zu sagen, dass zu trans bist?" Kaz schniefte, er hasste so offen, so schwach zu sein, aber tief in seinem Herzen wusste er, dass es vor Poppy okay war. Vorsichtig und langsam nickte er. Ein kleines Lächeln bildete sich auf Poppy's Lippen.

"Hey, du weißt, dass das für mich keinen Unterschied macht?" Poppy wartete, bis Kaz nickte, bevor er weiter sprach. "Und falls es dir hilft, ich finde nicht, dass es auffällt. Die anderen waren betrunken, die hätten das über jeden gesagt." Kaz presste die Lippen aufeinander, nickte aber. "Ich liebe dich, Kaz Brekker." flüsterte Poppy und tatsächlich erschien ein kleines Lächeln auf Kaz' Lippen. Er antwortete nicht, aber Poppy wusste, dass Kaz ihn auch liebte.

Six of Crows OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt