A Male Chest

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Wörter: 2264

Wylan stand vor dem Spiegel und sah sich an. Er verstand, was Jesper meinte, wenn er sagte, dass er Wylans süßes Gesicht vermisste. Außerdem erinnerte ihn der Fakt, dass er nicht wirklich sich selbst im Spiegel sah, daran, wie es war immer und immer wieder body dysphoria zu haben. Es hatte sich gebessert. Jesper gab ihm mehr Selbstvertrauen in seinen Körper und ließ ihn auch in dem weiblichen Körper gutfühlen. Aber sich jetzt nicht mehr im Spiegel zu sehen, erinnerte ihn daran, sich nicht im Spiegel erkennen zu können, bis er männlicher geworden war.

Es machte ihn traurig, führte manchmal sogar dazu, dass er Panikattacken bekam. Jesper war dann immer für ihn da und kümmerte sich um ihn. Wylan war ihm dankbar dafür, aber leider half es nicht. Nicht wirklich.

Jesper trat zwischen Wylan und das Spiegelbild und wischte sanft eine Träne weg. Dann gab er Wylan einen Kuss. "Hey, mein Kleiner." sagte er sanft und küsste Wylans - oder eher Kuweis - Stirn, "Sei nicht traurig." Wylan nickte, begann aber im gleichen Moment bitterlich zu weinen. Sofort schlang Jesper seine Arme eng um den kleinen Körper.

~*~*~

"Es kann nicht so weiter gehen!"

Kaz zog eine Augenbraue nach oben. Er kannte Jesper schon lange und sehr gut. Und er wusste von Jespers Hang, Dinge ohne Kontext zu erzählen. Demnach brauchte er immer einige Zeit, bis Jesper ihm entweder genug Kontext gegeben hatte, um ihm zu helfen, oder bis Kaz sich selbst genug zusammengereimt hatte.

"Was kann nicht wie weiter gehen?" fragte er geduldig. Jesper war schon sehr lange sein bester Freund und Kaz hatte eine Geduld für ihn entwickelt, die kaum zu glauben war. Vor allem da weder Kaz noch Dirty Hands auch nur annähernd für Geduld bekannt waren. Aber Jespers ADHS hatte Kaz' Geduld oft und viel auf die Probe gestellt. Aber da Kaz für Jesper geduldig sein wollte, hatte er einfach beschlossen, es zu werden. Und er hatte es geschafft.

"Wylan. Er kann nicht Kuwei bleiben." "Und warum nicht? Ich habe Pläne für ihn." Jesper setzte sich Kaz gegenüber hin: "Du weißt doch, dass er trans ist." Kaz nickte ruhig. Natürlich wusste er es. Wylan hatte es ihm zusammen mit dem Fakt, dass er nicht lesen konnte, erzählt. Er wusste nicht, was Wylan auf die Idee gebracht hatte, zwei scheinbar schlechte Fakten gleichzeitig zu erzählen, aber so war es nun mal.

"Er sieht nicht sich im Spiegel, er sieht Kuwei. So wie er früher nicht sich gesehen hat, sondern dieses Mädchen. Es erinnert ihn an seine body dysphoria, die er eigentlich kaum noch hat, wenn er sich so im Spiegel ansieht. Aber so..." "Seit wann?" "Von Anfang an... Es macht ihn traurig, lässt ihn Panikattacken haben."

Kaz schlug auf den Tisch und jeder, der sonst noch in der Bar war, zuckte heftig zusammen und war mit einem Mal sehr still. "Und ihr sagt es mir jetzt?" knurrte Kaz und stützte sich mit beiden Händen auf dem Tisch ab. Er war aufgestanden.

"Ja?" sagte Jesper, allerdings klang es mehr nach einer Frage. "Ich suche ihm einen Corporalki. Sofort." sagte Kaz, griff seinen Stock und ging. Jesper lächelte. Er wusste, wie beschützerisch Kaz sich gegenüber Wylan verhalten konnte.

~*~*~

Wylan kam mit Kaz, Jesper, Inej, Nina und Kuwei bei einem Haus an. "Was machen wir hier?" fragte Wylan. "Dich wieder zu dir machen." erwiderte Kaz nur. Wylan sah ihn verdutzt an. Dann wurde er panisch: "Was? Nein! Auf keinen Fall!" Er ließ Jespers Hand los, die er gehalten hatte und schob Kaz rückwärts, was dieser nur einen Schritt lang mitmachte und dann stehen blieb.

Dafür, dass er ein kaputtes Bein hatte, hatte er eine beeindruckende Standfestigkeit.

"Nein?" wiederholte Kaz und zog eine Augenbraue nach oben. Jesper nahm Wylans Hand und lenkte damit dessen Aufmerksamkeit auf ihn. "Was ist los, Wy? Ich dachte, du willst das." "Nein! Wie kommst du auf sowas? War das etwa deine Idee?" "Äh-" Jesper verstand nicht, was er falsch gemacht hatte. Wylan wollte unbedingt wieder sein Gesicht sehen, wenn er in den Spiegel sah.

Six of Crows OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt