Married

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Wörter: 1000

"Au. Au. Au. Au. Au. Au. Au. Au. Au."

"Jesper!" Kaz drehte sich gereizt um und warf Jesper einen wütenden Blick zu. Dieser lächelte unschuldig. "Hast du Schmerzen? Wenn nicht, beschere ich dir mit Freuden welche!" "Nein, aber ich werde dich so lange nerven, bis du einsiehst, dass du Schmerzen hast und dich endlich ausruhen musst. Du ignorierst deinen Schmerz immer so lange, bis du es nicht mehr aushältst und ich dich die Treppen hochtragen muss!" 

"Du musstest gar nichts. Du hast mir Handschellen angelegt und Wylan hat meine Finger festgehalten, sodass ich mich nicht befreien konnte. Dann hast du mich über deine Schulter gehängt wie einen Mehlsack, mich die Treppe hochgeschleppt, an mein Bett gefesselt und Nina hat mich gelähmt!" "Ich stehe zu dieser Entscheidung." sagte Jesper und folgte Kaz die Treppe weiter nach oben. 

"Ich hasse dich für diese Entscheidung." knurrte Kaz. "Du bist müde, das sehe ich. Du solltest dich ausruhen." sagte Jesper. Kaz seufzte: "Und ich wette, du wirst mich nicht in Ruhe lassen, bis ich nicht mindestens Klamotten trage, in denen ich niemals rausgehen würde und in meinem Bett sitze. Richtig?" "Das Bett ist verhandelbar, das Sitzen allerdings nicht. Und der Rest trifft zu." 

Kaz beobachtete Jesper einen Moment lang kritisch, dann zog er eine Augenbraue nach oben: "20 Kruge und du lässt mich in Ruhe." "Nope." grinste Jesper und verschränkte die Arme vor der Brust. 

"50 Kruge."

Jesper schüttelte den Kopf. 

"55."

Ein Kopfschütteln. 

"100." 

Kopfschütteln. 

"200 Kruge, ich verspreche mich hinzusetzen und du lässt mich allein."

Jesper grinste siegessicher und schüttelte den Kopf. 

"Ich gebe auf. Aber du gehst runter und holst uns Abendessen." Jesper hielt ihm die Hand hin. Kaz schüttelte sie. Dann gingen sie wieder getrennte Wege - Jesper joggte die Treppe wieder nach unten, um Essen zu holen und Kaz humpelte nach oben. 

~*~*~

Jesper öffnete mit dem Ellenbogen die Tür und sie schwang leise auf. Kaz hatte sie vor einer Weile geölt, da ihn das Quietschen wahnsinnig gemacht hatte. Mit beiden Händen Essen balancierend ging Jesper zum Schreibtisch. Dann fiel ihm auf, dass Kaz ihn umbringen würde, wenn er seine Dokumente beschmutzte. 

Also stellte er das Essen auf einer schmalen Kommode ab. Er ging zu der geöffneten Tür, die zum Schlafzimmer seines besten Freundes führte. Als er gerade etwas sagen wollte, stockte er. Kaz saß auf einem Hocker, vor ihm eine Waschschüssel. Er rieb sich mit einem löchrigen Lappen durch das Gesicht und dann über seinen Nacken. Von den Spitzen seiner Haare tropfte Wasser, als hätte er den Kopf einmal in die Wasserschüssel getaucht. 

Aber weder der Fakt, dass Kaz sehr offensichtlich auch halbnackt verdammt heiß war, noch die Tatsache, dass er sich hier einfach vor Jesper wusch, war der Grund für das plötzliche Verstummen des Zemenis. 

Die grauen Augen fixierten ein kleines Tattoo auf dem Grundglied von Kaz' linkem Ringfinger.

Einem Impuls folgend griff Jesper die Handschuhe, die Kaz auf dem kleinen Tisch neben der Tür abgelegt hatte und zog sie an. Dann packte er Kaz' Handgelenk. "Jesper!" schrie Kaz erschrocken. Er war abgelenkt gewesen. Er vertraute Jesper und das hatte er nicht von ihm erwartet. 

"Was zur Hölle ist denn falsch mit dir?" fragte Kaz entgeistert und versuchte sich aus dem Griff zu befreien, scheiterte aber. Er wusste nicht, dass Jesper einen so festen Griff hatte. 

"Du bist verheiratet..." murmelte Jesper ungläubig. Er starrte auf das Tattoo einer Krähenkralle, die eine Rose hielt.

Die meisten Leute im Barrel konnten sich keinen Ehering leisten, wenn sie heirateten. Und selbst wenn man sich einen leisten konnte, war die Wahrscheinlichkeit, dass man ihn länger als drei Stunden hatte, ohne dass er gestohlen wurde, recht gering. Deswegen war es vor allem in den Gangs zur Tradition geworden, ein Symbol auf den Ringfinger zu tätowieren. Der andere Hochzeitspartner bekam das gleiche Symbol.

Damit es nicht zu Verwechslungen führte, wurde der Ringfinger bei sonstigen Tattoos ausgelassen. Hatte man also ein Tattoo auf diesem Finger, hieß es, man war verheiratet. 

Kaz war verheiratet. 

"Wer weiß davon?" "Jes..." "Kaz, wer weiß davon?" "Quasi niemand. Die Person, die ich geheiratet habe und die Person, die uns verheiratet. Wobei ich ihn erschossen habe, also tut er nichts mehr zur Sache." "Du hast ihn zum Schweigen gebracht?" "Nein, ich habe durch Zufall zugesehen, wie er sich erhängen wollte, es versaut hat, hab ihn runtergeschnitten, erkannt, dass er hilfreich sein könnte, mit ihm ein Geschäft gemacht und ihn dann auf eigenen Wunsch erschossen." Jesper ließ Kaz los und trat zurück. 

"Was, Jes?" "Nichts." sagte Jesper und zog die Handschuhe aus, schob die Hände in die Hosentaschen. "Jesper... Was ist los?" 

"Du hast geheiratet, Kaz! Du hast jemanden geheiratet, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Du hast es nicht mal mir gesagt. Nicht Inej, nicht Wylan. Du vertraust nicht mal deinem engsten Kreis genug, um uns zu sagen, dass du jemanden geheiratet hast?!" 

Kaz schwieg. Jesper hatte Recht und Kaz hasste ihn dafür. Aber noch mehr hasste Kaz, dass er jetzt ein schlechtes Gewissen hatte. Er hatte sich nicht erlaubt, seiner Familie genug zu vertrauen, um ihnen zu erzählen, dass er jemanden liebte. 

"Was willst du wissen?" murmelte er. "Wie heißt sie?" fragte Jesper und setzte sich auf das Bett. "Er... Er heißt Poppy." "Er? Du hast einen Mann geheiratet?" Kaz nickte und zog sich wieder ein Hemd an. "Ihr lernt ihn kennen. Ich verspreche es." Jesper lächelte. 

"Sag Wylan noch nichts. Versprich es mir. Ich bin ein Arsch, aber wenn mein Sohn mich so ansieht, wie du gerade, sterbe ich." "Du hast geheiratet und nennst Wylan deinen Sohn. Dein Arsch-Image hast du für mich verloren." "Ich liebe ihn, Jes, mehr als mein Leben. Ich wollte ihn nur beschützen." "Vor uns?" "Vor allem. Versprich mir, dass ich ihn beschützen kann. Bitte." 

"Kaz! Du bist Dirty Hands, der Bastard aus dem Barrel! Wenn ihn jemand beschützen kann, dann du." Jesper lächelte. "Ist er gut im Bett?" fragte er dann grinsend und boxte gegen Kaz' Schulter. "Ich hasse dich." seufzte Kaz. "Du liebst mich."

"Hol das Essen, Idiot!" Jesper stand lachend auf und ging das Essen aus dem Nebenraum holen.

Six of Crows OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt