The way here

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Wörter: 2240

Wylan pov

Mein Vater packte mich am Kragen des Hemdes, das ich eigentlich nicht tragen dürfte, und warf mich hinaus auf die Straße. Ich schaffte es nicht, mich auf den Füßen zu halten, stolperte und fiel zu Boden. Mein Knie schürfte ich auf und meine Hose riss. Das Hemd wurde auch schmutzig, aber blieb zum Glück ganz. Ich sah zu wie die Tür zugeschlagen wurde. Dann saß ich. Ich saß allein auf der Straße, es war bereits dunkel und es wurde kalt. 

Wahrscheinlich sollte ich mir so schnell wie möglich einen Schlafplatz suchen. Ich rappelte mich also auf, klopfte den Dreck so gut es ging von meiner Kleidung und huschte in den Schatten eines Hauses. Ich ging zu einem Stall in der Nachbarschaft. Ich huschte hinein und schlüpfte hinter den großen Stapel Heuballen. Ich kannte diese Nachbarn gut, ich hatte früher immer mit dem Sohn der Familie gespielt.

Ich glaube, mein Vater hatte bereits eine Abmachung mit der Familie, dass ich Jonathan irgendwann heiraten würde. Aber ich dachte nicht im Traum daran! Zwar war ich schwul, aber leider nicht die Tochter, die mein Vater glaubte, großgezogen zu haben. Ich würde nie so sein. Ich hasste es! Ich hasste diesen Körper!

Ich öffnete die Tasche und zog eine Mütze daraus hervor. Schnell setze ich sie auf und stopfte meine langen Strähnen alle darunter. Wirklich männlicher sah ich dadurch leider auch nicht aus. Für den Anfang musste es allerdings reichen. Ich schulterte die Tasche, verließ damit den Stall. Ich hatte einen relativ genauen Plan, da ich schon seit Längerem "plante" rausgeworfen zu werden, wenn ich mich endgültig als transsexuell outete. 

Ich hatte zwar recht viel Geld, aber ich musste auch recht lange damit über die Runden kommen. Ich war nicht sicher, wie schnell ich einen Job finden würde und ich musste ja auch noch von irgendetwas leben. Ganz davon abgesehen, dass ich neue Kleidung brauchte. Und ich musste aus den Reichenvierteln verschwinden, wo mich jeder erkennen konnte.

Das ließ fast nur den Barrel übrig. Allerdings war ich auch nicht dumm - ich wusste, dass der Barrel gefährlich war. Deswegen würde ich da nicht einfach ohne Weiteres wohnen können. Unter einer Brücke zu schlafen kam nicht infrage, es war dumm und gefährlich. Das bedeutete, ich würde mir eine Herberge suchen müssen.

Das stellte sich schneller als schwer heraus, als erwartet. Der Barrel war gruslig. Man konnte es nicht anders sagen. Vor allem war ich noch nie hier gewesen. Mein Vater hatte mich immer wieder ermahnt und mir eingetrichtert, nie hierher zu gehen. Also huschte ich einfach in die erstbeste Herberge, die ich finden konnte. Ich mietete mir ein Zimmer und huschte hinein.

Es war klein und roch muffig, aber an sich war es mehr als genug. Kochen würde ich hier nicht können, aber erwartet hatte ich das eh nicht. Es würde reichen. Zumindest für einige Zeit. Ich hatte einen trockenen Platz zum Schlafen, eine wenn auch spärliche Wasserleitung und in einer Schublade lagen zwei Kerzen und ein Kerzenständer. Das sollte es tun.

Ich setze mich auf das Bett, die Tasche stellte ich neben mich. Ich öffnete sie und kramte darin herum. Ich musste einen guten, sicheren Platz finden, um mein Geld zu verstecken. Es war zu viel um es mit mir herumzutragen, aber ich konnte auch nicht sicher sein, dass es nicht geklaut werden würde, wenn ich es hier im Zimmer ließ. Das machte es schwer einen Platz dafür zu finden. Wahrscheinlich müsste ich es zur Bank bringen. 

Mental setzte ich es auf die Liste der Dinge, die ich am nächsten Tag erledigen musste.

Aber Punkt eins auf meiner Liste war definitiv, mir die Haare abzuschneiden. Ich überprüfte nochmal, ob ich die Schere und den Spiegel auch wirklich eingepackt hatte. Ich plante, meine Haare morgen abzuschneiden und sie dann schnellstmöglich loszuwerden. Keiner sollte herausfinden, dass ich nicht im Körper eines Mannes steckte.

Six of Crows OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt